Der Prozessmarathon gegen Myanmars entmachtete Regierungschefin Aung San Suu Kyi ist nach eineinhalb Jahren mit weiteren Schuldsprüchen zu Ende gegangen.
Ein von der Militärjunta kontrolliertes Gericht verurteilte die 77-Jährige wegen mehrerer Korruptionsvorwürfe zu sieben Jahren Haft. Die Gesamtstrafe wegen verschiedener angeblicher Vergehen belaufe sich damit auf 33 Jahre Gefängnis, teilte eine mit dem Prozess vertraute Person am Freitag der Deutschen Presse-Agentur mit.
Insgesamt musste sich die Friedensnobelpreisträgerin in 19 Verfahren verantworten. Die Anklagepunkte reichten von Korruption über Anstiftung zum Aufruhr und Wahlbetrug bis hin zu Verletzung von Corona-Maßnahmen. Prozessauftakt war im Juni 2021. Ihre Anwälte wollen Berufung einlegen.
Suu Kyi befindet sich seit sechs Monaten in Einzelhaft in einem Gefängnis in der Hauptstadt Naypyidaw, nachdem sie nach dem Militärputsch vom Februar 2021 zunächst unter Hausarrest gestellt worden war. Die Verfahren fanden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, Suu Kyis Anwälte durften nicht mit Medienvertretern reden. Beobachter sprachen von Schauprozessen und werteten die Anklagen als Versuch der Junta, die eigene Macht zu sichern.
Human Rights Watch: Die Urteile sind »absurd«
Phil Robertson, stellvertretender Asien-Direktor der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, bezeichnete die Urteile am Freitag als »absurd« und als »politisch motivierte Bestrafung«. Ziel sei es, Suu Kyi für den Rest ihres Lebens hinter Gitter zu bringen. Ein freies und faires Verfahren sei »unter den Umständen dieser politischen Verfolgung gegen sie nie im Entferntesten möglich« gewesen, betonte Robertson.
»Da Suu Kyi jetzt 77 Jahre alt ist, kommen diese 33 Jahre Gesamtstrafe effektiv einer lebenslangen Haft gegen sie gleich.« Robertson forderte »starke, bedeutsame Sanktionen« der internationalen Gemeinschaft, die speziell auf die Öl- und Gaseinnahmen der Junta abzielen sollen.
Auch die EU übte schärfste Kritik. »Die Europäische Union verurteilt diese Prozesse, Urteile und insgesamt den allgemeinen Abbau der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit in Myanmar«, teilte ein Sprecher mit. Nur ein echter Dialog, an dem unter anderem Aung San Suu Kyi, ihre Partei und die Zivilgesellschaft teilnähmen, könne den Weg aus der tiefen Krise weisen und zur Demokratie zurückführen.
Die Generäle hatten ihren Umsturz mit angeblichem Betrug bei der Wahl im November 2020 begründet, die Suu Kyi mit ihrer Partei Nationale Liga für Demokratie (NLD) klar gewonnen hatte. Beweise legten sie keine vor. Seither versinkt das frühere Birma in Chaos und Gewalt. Die Junta versucht, den Widerstand in der Bevölkerung mit aller Gewalt zu unterdrücken. Immer wieder geht sie brutal gegen Gegner vor. Der Gefangenenhilfsorganisation AAPP zufolge wurden seit dem Putsch mehr als 2600 Menschen getötet und mehr als 16.600 festgenommen.
Suu Kyi erhielt 1991 Friedensnobelpreis
Nach einem Putsch im Jahr 1962 hatte das Land bereits fast ein halbes Jahrhundert lang unter einer Militärdiktatur gestanden. Suu Kyi setzte sich in den 1980er Jahren für einen gewaltlosen Demokratisierungsprozess ein und wurde deshalb damals bereits 15 Jahre unter Hausarrest gestellt. 1991 erhielt sie für ihren Einsatz gegen Unterdrückung und soziale Ungerechtigkeit den Friedensnobelpreis. Erst seit 2011, als erstmals wieder eine zivile Regierung eingesetzt wurde, kamen langsam Reformen in Gang.
Nachdem die NLD 2015 die Parlamentswahl mit deutlichem Vorsprung gewann, wurde Suu Kyi Regierungschefin. Die Verfassung gewährte dem Militär aber weiterhin einen großen Teil der Macht. Suu Kyi durfte auch nicht Präsidentin werden. Für sie wurde die Position der Staatsberaterin geschaffen, in der sie die Regierung de facto führte. Ihre Beliebtheit war den Generälen aber ein Dorn im Auge. International war die Politikerin schon länger umstritten - vor allem wegen der staatlichen Diskriminierung der Rohingya und ihres Schweigens zur Gewalt gegen die muslimische Minderheit.
© dpa-infocom, dpa:221230-99-53535/3