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Moskau weist wegen Nawalny Diplomaten aus

Bei dem ersten Besuch eines EU-Außenbeauftragten in Moskau seit vier Jahren übertönt Russlands Außenminister Lawrow seinen Gast aus Brüssel mit lauter Stimme. Vertreter der Staatsmedien zeigen sich dementsprechend angetan - Kremlgegner Nawalny dürfte das nicht sein.

Borrell und Lawrow
Keinerlei konkrete Fortschritte: Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell (l) blitzte beim russischen Außenminister Sergej Lawrow ab. Foto: Vasily Maximov/European Commission/dpa
Keinerlei konkrete Fortschritte: Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell (l) blitzte beim russischen Außenminister Sergej Lawrow ab. Foto: Vasily Maximov/European Commission/dpa

MOSKAU. Die europäischen Bemühungen um eine Freilassung des Kremlkritikers Alexej Nawalny haben einen schweren Rückschlag erlitten.

Bei Gesprächen in Moskau blitzte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell mit Forderungen zu dem Fall des Oppositionspolitikers ab. Zudem ließ Moskau nach den Protesten gegen die Inhaftierung des Kremlgegners drei Diplomaten aus Deutschland, Polen und Schweden ausweisen.

Dazu wurden die Botschafter der drei EU-Länder einbestellt. Gleichzeitig stellte die russische Justiz Nawalny in einem neuen Verfahren vor Gericht, weil er einen Weltkriegsveteranen beleidigt haben soll.

Es sei festgestellt worden, dass die Diplomaten des schwedischen und polnischen Konsulats in St. Petersburg und ein Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Moskau an nicht genehmigten Protesten am 23. Januar teilgenommen hätten. Solche Aktionen seien unvereinbar mit dem diplomatischen Status, teilte das Moskauer Außenministerium mit. Damals waren Tausende Menschen in Haft gekommen. Russland überreichte den Botschaftern Protestnoten. Moskau hatte der EU immer wieder vorgeworfen, sich in seine inneren Angelegenheiten einzumischen.

Borrell konnte bei einer Pressekonferenz mit Russlands Außenminister Sergej Lawrow keinerlei konkrete Fortschritte verkünden. Für Aufsehen sorgte auch, dass der Spanier unkommentiert stehen ließ, dass der russische Außenminister erneut versuchte, Zweifel an den deutschen Untersuchungen zur Vergiftung Nawalnys zu wecken.

Kalt erwischte Borrell zudem die Frage einer russischen Medienvertreterin, welches moralische Recht die EU eigentliche habe, die Polizeigewalt in Russland zu verurteilen. Die Mitarbeiterin der Zeitung »Kommersant« erzählte, dass Borrell ein Video mit gewaltsamen Protesten übergeben worden sei. »Haben Sie das gesehen?«, fragte sie vorwurfsvoll. Habe er nicht, aber die EU verurteile schließlich auch Polizeigewalt in den USA, sagte Borrell.

Dass nach der Borrell-Reise neue EU-Sanktionen gegen Russland vorbereitet werden, gilt unterdessen als sicher. Offen ist allerdings noch, wie weitgehend sie sein werden. Eine Option ist, erstmals ein neues, im vergangenen Jahr geschaffenes EU-Sanktionsinstrument zu nutzen. Dieses ermöglicht es, in der EU vorhandene Vermögenswerte von Akteuren einzufrieren, die schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen begehen oder davon profitieren. Zudem würden unter anderem EU-Einreiseverbote verhängt.

Borrell erinnerte bei der Pressekonferenz zudem daran, dass die EU für Russland der wichtigste Handelspartner und die größte Quelle für ausländische Direktinvestitionen ist. Dies kann, muss aber nicht als Drohung mit einer Einschränkung der Wirtschaftsbeziehungen verstanden werden - zumal auch europäische Unternehmen unter neuen Sanktionen leiden würden.

Die EU will nun am 22. Februar bei einem Außenministertreffen mögliche weitere Maßnahmen erörtern. Danach werden sich dann im März die Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfeltreffen im März mit den Beziehungen zu Russland beschäftigen. »Die Europäische Union ist der Auffassung, dass Fragen der Rechtsstaatlichkeit, der Menschenrechte, der Zivilgesellschaft und der politischen Freiheit von zentraler Bedeutung für eine gemeinsame Zukunft sind«, sagte Borrell. Zuletzt seien die Beziehungen zwischen der EU »von grundlegenden Differenzen und mangelndem Vertrauen« geprägt gewesen.

Nawalny war am Dienstag zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden, weil er nach Ansicht der Richterin mehrfach gegen Bewährungsauflagen in einem früheren Strafverfahren von 2014 verstoßen hat. Ihm werden aber ein mehrmonatiger Hausarrest und Haftzeiten angerechnet, so dass seine Anwälte von zwei Jahren und acht Monaten im Straflager ausgehen. Die EU hält die Verurteilung für »politisch motiviert« und hat sie als inakzeptabel bezeichnet.

Wenige Tage nach dem international kritisierten Straflager-Urteil hat sich der Kremlkritiker Alexej Nawalny erneut vor Gericht verantworten müssen, weil er einen Weltkriegsveteranen beleidigt haben soll.

Der neue Prozess fiel am Freitag auf denselben Tag, an dem der EU-Außenbeauftragte bei einem Besuch in Moskau die Freilassung des Oppositionellen forderte. Nawalny bestritt die Vorwürfe und sprach von einem politisch inszenierten Prozess. Dieser Fall sei von PR-Leuten und Staatsmedien erfunden worden, zitierten Journalisten Nawalny aus dem Gerichtssaal. (dpa)