Die Missbrauchsanklage gegen einen katholischen Priester vor dem Landgericht Köln ist um 85 Tatvorwürfe erweitert worden. 70 Fälle davon betreffen Kinder, 15 Jugendliche.
Bei den Kindern geht es um 21 schwere Fälle von sexuellem Missbrauch wie Geschlechtsverkehr. Das jüngste missbrauchte Mädchen war den Angaben der Staatsanwaltschaft zufolge zum Tatzeitpunkt neun Jahre alt. Die Tatvorwürfe betreffen fünf zusätzliche Opfer. Die mutmaßlichen Taten fanden von 2002 bis 2018 statt.
Der heute 70-Jährige wusste demnach stets ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis auszunutzen. Er missbrauchte zum Beispiel ein Mädchen, das in einer Ferienfreizeit Heimweh hatte. In einem anderen Fall erweckte er den Eindruck, sich um die Tochter einer alkoholkranken Mutter kümmern zu wollen. Als Krankenhausseelsorger baute er zu einer Familie ein besonderes Vertrauensverhältnis auf. In einem Fall schloss er mit Eltern eine »Therapievereinbarung« für ihre angeblich jähzornige Tochter ab.
Der Pfarrer steht seit November vor Gericht. Er ist des sexuellen Missbrauchs seiner Nichten angeklagt. Während des Prozesses meldeten sich jedoch weitere Opfer und sagten aus, so dass die Anklage nun erweitert wurde.
Obwohl den Verantwortlichen des Erzbistums Köln immer wieder Vorwürfe und Gerüchte gegen den Pfarrer zugetragen wurden, erhielt er stets aufs Neue die Gelegenheit, mit Kindern allein zu sein.
Der Vorsitzende Richter Christoph Kaufmann verlas den Brief eines Leitenden Pfarrers, in dessen Verantwortungsbereich der Angeklagte gearbeitet hatte. Als er seine Stelle angetreten habe, sei er vom Erzbistum mit keinem Wort über den im Raum stehenden Verdacht gegen den Priester informiert worden, schrieb der Pfarrer in seinem Brief an den Richter. Mit Bestürzen verfolge er nun den Fortgang des Prozesses und frage sich, ob der Angeklagte auch Kinder aus seinem Verantwortungsbereich missbraucht habe. Er zeigte sich überzeugt davon, dass die Kirche weitere Taten des Angeklagten hätte verhindern können.
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