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Merz rät Scholz zu Ukraine-Reise

Der Kanzler lehnt eine Reise in die ukrainische Hauptstadt ab, dafür kommt der Oppositionsführer - und wird sogar von Präsident Selenskyj empfangen. Die Ukraine kann auf weitere Hilfe zählen.

Selenskyj und Merz
Fester Händedruck: Wolodymyr Selenskyj begrüßt CDU-Chef Merz in Kiew. Foto: Niels Starnick für BILD
Fester Händedruck: Wolodymyr Selenskyj begrüßt CDU-Chef Merz in Kiew.
Foto: Niels Starnick für BILD

CDU-Chef Friedrich Merz hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geraten, persönlich in die Ukraine zu reisen. Er könne dies Scholz nur empfehlen, um vor Ort Gespräche zu führen sagte Merz am Abend im »heute-journal« des ZDF.

Er habe den Präsidenten, den Ministerpräsidenten, den Parlamentspräsidenten und Oppositionsführer sowie Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko getroffen. »Diese Gespräche können Sie nicht am Telefon machen. Die können Sie auch nicht mit Videokonferenzen machen. Sie müssen diese Gespräche persönlich führen.«

Scholz hatte erst am Montagabend in einem Interview eine Reise nach Kiew abgelehnt, weil Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im April kurzfristig ausgeladen worden war.

Am meisten habe ihn der Besuch von Irpin im Großraum Kiew mit massiven Zerstörungen von Kindergärten, Krankenhäusern, Kulturzentren und privaten Wohnungen beeindruckt, sagte Merz. Er sprach von einer »völlig sinnlosen Zerstörung«. »Das muss man mal aus der Nähe gesehen haben, um den Eindruck wirklich zu bekommen, wie schrecklich dieser Krieg ist«, betonte der Unionsfraktionschef.

Über Details seiner Gespräche am Dienstag wollte Merz nichts sagen. Das wolle er mit dem Kanzler persönlich klären. Allgemein nannte der Oppositionsführer jenseits von Waffenlieferungen den Wiederaufbau der Ukraine, eine EU-Mitgliedschaft oder die Frage der Garantiemächte für das Land.

Merz hatte überraschend auch den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in kiew getroffen. Beide hätten gut eine Stunde lang miteinander geredet, teilt ein Merz-Sprecher auf Twitter mit. »Das Gespräch war atmosphärisch und inhaltlich außergewöhnlich gut.« Über die Inhalte werde der CDU-Vorsitzende zunächst mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) reden. Während des Besuchs wurde am Nachmittag in Kiew Luftalarm gegeben, wie ein dpa-Reporter berichtete. Das sei der erste Alarm seit dreieinhalb Tagen gewesen.

Merz zeigte sich bestürzt über die Zerstörungen durch den russischen Angriffskrieg und warf Russland »Verbrechen« vor. »Ich bin wirklich vollkommen erschüttert hier gewesen, bin es immer noch, diese Bilder gehen einem nicht mehr aus dem Kopf«, sagte Merz am Abend nach einem Gespräch mit dem Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko.

Im Kiewer Vorort Irpin habe er gesehen, dass auch Kulturzentren, Kindergärten und Krankenhäuser getroffen worden seien und wie sich der Krieg auch gegen die Zivilbevölkerung richte. »Sowas kann man nicht im Fernsehen alleine nur sehen, das muss man mal gesehen haben, um die ganze Tragik auch solcher Angriffe mal zu erfassen«, sagte der Oppositionsführer.

Er bekräftigte seine Unterstützung für Waffenlieferungen an die Ukraine. »Ich fühle mich in der Entscheidung, die wir in der letzten Woche im Deutschen Bundestag getroffen haben, sehr bestätigt, dass wir diesem Land helfen«, sagte Merz. Dafür habe er Dankbarkeit seiner Gesprächspartner erfahren. Auch einen EU-Beitrittsstatus für die Ukraine unterstützte er.

Scholz zögert, Merz reist

Während Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit einer Reise nach Kiew zögert, ist Merz in die Ukraine gereist. Nach dpa-Informationen kam er am Dienstag in der Hauptstadt an. »Eine Nacht im Schlafwagen auf dem Weg nach Kyiw«, hatte der 66-Jährige zuvor beim Kurznachrichtendienst Twitter geschrieben und dazu ein 17-Sekunden-Video verbreitet.

Aus dem Zug postete Merz: »Wir haben eine interessante Reise vor uns und bis jetzt kann ich nur sagen: Alles sicher, alles gut und die ukrainischen Behörden sind äußerst kooperativ. Sehr angenehme Menschen. Es ist schön, in diesem Land zu sein.«

CDU-Generalsekretär Mario Czaja sagte im Deutschlandfunk, dass es in Kiew um das im Bundestag beschlossene Versprechen deutscher Waffenlieferungen gehen soll. »Andererseits geht's natürlich auch darum, Solidarität zu zeigen und noch einmal die Dinge mitzunehmen, die jetzt wichtig sind für die Ukraine und für den Verteidigungskampf der ukrainischen Bevölkerung.«

Alles nur ein Wahlkampfmanöver?

Einordnungen, bei dem Besuch könnte es sich mit Blick auf die bevorstehenden Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen um ein Wahlkampfmanöver handeln, wies Czaja zurück. »Das hat mit den anstehenden Landtagswahlkämpfen rein wirklich gar nichts zu tun«, sagte er. Merz habe die Reise bereits am 22. Februar geplant gehabt, der Krieg sei aber dazwischengekommen.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Michael Roth, warnte davor, eine solche Reise aus parteipolitischen Beweggründen anzutreten. »Es ist gut, wenn auch deutsche Politiker in die Ukraine reisen«, sagte der SPD-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. »Aber sie müssen dafür gute Gründe haben. Ein schlechter Grund ist es, einen innenpolitischen Streit in die Ukraine zu tragen und sich dort parteipolitisch profilieren zu wollen. Das ist der Dramatik des Krieges nicht angemessen.«

Bereits zuvor hatte es eine Diskussion über die Reisepläne des Oppositionsführers gegeben - und darüber, wie Bundeskanzler Scholz zu dem Thema steht. Im ZDF sagte er, er habe keine Einwände gegen Merz' Reise erhoben. »Ich billige das.« Zugleich machte der Kanzler klar, dass die Ausladung des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier Mitte April durch die Ukraine seiner eigenen Reise nach Kiew im Weg steht.

© dpa-infocom, dpa:220503-99-139457/10