Unionsfraktionschef Friedrich Merz hat der Ampel-Regierung von Kanzler Olaf Scholz (SPD) vorgehalten, praktisch in allen Politikbereichen gegen den Willen der Mehrheit des Volks zu handeln.
»Wir haben eine Bundesregierung, die mittlerweile in keinem Bereich der Politik mehr auch nur annähernd den Mehrheitswillen der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland widerspiegelt«, sagte der CDU-Vorsitzende vor einer Sitzung der Unionsfraktion in Berlin auch vor dem Hintergrund hoher AfD-Umfragewerte.
»Das bleibt nicht ohne Folgen. Das ist mit eine Ursache für den massiven Vertrauensverlust, den die Bundesregierung jetzt hinzunehmen hat«, warnte Merz. Die Union werde die Bundestagsdebatte über die Agrarpolitik am Donnerstag »zu einer allgemeinen Aussprache über die Politik der Bundesregierung machen«. Diese stoße nicht nur auf den Protest der Landwirte, sondern auch auf massiven Widerspruch großer Teile des Mittelstands und etwa des Transportgewerbes.
Merz siginalisiert Bereitschaft für Zusammenarbeit
Die Bereitschaft der Union, mit der Bundesregierung zu sprechen und gegebenenfalls auch gemeinsam zu handeln, sei unverändert vorhanden, ergänzte Merz. Solange die Bundesregierung aber untereinander so streite, mache es »relativ wenig Sinn, hier zu Gesprächen zusammenzukommen«.
Der CDU-Chef sagte: »Die Frage, wie wir mit der Bundesregierung zusammenarbeiten, muss die Bundesregierung entscheiden.« Bisher hätten Gespräche kein Ergebnis gebracht.
Das Gleiche gelte beim Thema eines Verbotsverfahrens gegen die AfD. Es sei Aufgabe der Exekutive, darüber Entscheidungen zu treffen. »Das ist Sache der Bundesinnenministerin (Nancy Faeser, SPD), gegebenenfalls des Kabinetts, des Bundeskanzlers«, sagte Merz. »Bevor dazu nicht konkrete Vorschläge auf dem Tisch liegen, werde ich öffentlich dazu keine weiteren Stellungnahmen abgeben«, sagte Merz.
Kubicki äußert Zweifel am Fortbestand der Ampel
FDP-Vize Wolfgang Kubicki äußerte ebenfalls Zweifel an der Ampel-Koalition. »Der Spirit, der zum Start der Ampel da war, löst sich auf. Es ist für viele Menschen keine gemeinsame Richtung mehr erkennbar«, sagte Kubicki den »Nürnberger Nachrichten«.
Wenn das so bleibe, würden die Proteste im Land zunehmen. Kubicki: »Dann werden die Fliehkräfte in der Ampel so stark, dass mir langsam Zweifel kommen, ob es bis zur Bundestagswahl 2025 hält. Ich kann meiner Partei jedenfalls nicht raten, nach der Bundestagswahl noch einmal mit den Grünen zu koalieren.«
Auf die Frage, wie handwerkliche Fehler der Ampel entstünden, sagte er, es handele sich um drei verschiedene Parteien mit völlig unterschiedlichen Vorstellungen davon, wie man einen Staat organisiere. »Die Grünen wollen die Welt retten über Klima und Migration, die SPD will immer mehr aus dem staatlichen Füllhorn verteilen. Und wir sagen: Wir müssen erst mal die Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft erhalten«, sagte er.
Deutschland schlittere in eine tiefe Rezession. Die Industrie ziehe sich teils zurück, viele Mittelständler fühlten sich überlastet. Er wies auch auf Äußerungen einer Vertreterin der Jungbauern bei einer Demonstration von Landwirten in Berlin hin. Diese habe gesagt: »Wir müssen vier Prozent unserer Flächen stilllegen. Mit vier Prozent wird auch die FDP stillgelegt.« Kubicki sagte: »Da ist was dran.« Und: »Im Ernst: Wir haben nun ein Vierteljahr, um zu versuchen, den Spirit des Anfangs wiederherzustellen. Aber wenn erst mal Gräben ausgehoben wurden, wird es schwer, die wieder zuzuschütten.«
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