BERLIN. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich sehr besorgt wegen der steigenden Zahlen von Corona-Infektionen in Deutschland geäußert. Man müsse lokale Infektionsherde sehr deutlich angehen, sonst habe man an Weihnachten Zahlen wie in Frankreich, sagte Merkel nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur aus Teilnehmerkreisen in einer Videokonferenz des CDU-Präsidiums. Die Infektionszahlen in Europa seien besorgniserregend, wurde die Kanzlerin zitiert. Man müsse in Deutschland alles tun, damit die Zahlen nicht weiter exponentiell stiegen.
An diesem Dienstag will die Kanzlerin in einer Videoschaltkonferenz mit den Ministerpräsidenten über geeignete Maßnahmen gegen die steigenden Infektionszahlen in der Pandemie beraten. Priorität hätten dabei Schulen, die Kindertagesstätten und die Wirtschaft.
Merkel äußerte sich nach diesen Informationen in der CDU-Präsidiumssitzung besonders mit Blick auf die Lage der Wirtschaft besorgt. Sie äußerte zugleich Zweifel, dass die Berliner Landesregierung angesichts stark steigender Zahlen in der Hauptstadt ernsthaft versuche, Maßnahmen gegen die Ausbrüche einzuleiten. »Es muss in Berlin was passieren«,
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) will einem Medienbericht zufolge einen Leitfaden im Kampf gegen die Pandemie vorlegen, anhand dessen Städte und Gemeinden entscheiden sollen.
»Wir brauchen jetzt ein verbindliches, verhältnismäßiges und verlässliches Regelwerk für den Winter«, sagte der CSU-Chef der »Süddeutschen Zeitung«.
Kern des Konzepts sind laut des Berichts eine Corona-Warnampel für alle Länder sowie Vorgaben, welche Maßnahmen ergriffen werden, wenn die Ansteckungszahl bestimmte Grenzwerte überschreitet. Die Corona-Ampel spränge auf Gelb, wenn es in einem Landkreis 35 oder mehr Infizierte auf 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen gibt. Zur Prävention könne man dann zum Beispiel Tests für Risikogruppen anordnen, Zuschauer bei Sportveranstaltungen wie Bundesligaspielen nicht mehr zulassen und die Maskenpflicht in Schulen auf den Unterricht ab der 5. Klasse ausweiten.
Steigt die Zahl auf 50 Infizierte, soll bei privaten Veranstaltungen die erlaubte Teilnehmerzahl auf ein Viertel der bis dahin geltenden Zahl reduziert werden. Auf öffentlichen Plätzen, wo Abstände schwer einzuhalten sind, sieht der Vorschlag dann eine Maskenpflicht vor. Zudem sollen Einschränkungen beim Verkauf von Alkohol sowie frühere Sperrstunden möglich sein. Doppelte Testungen sollen die Zuverlässigkeit beim Erkennen von Infektionen erhöhen.
Söder sagte: »Wo die Infektionen hoch sind, muss verbindlich gehandelt werden.« Ausnahmen seien Corona-Ausbrüche in Bereichen, die sofort isoliert werden können.
Zuletzt gab es wiederholt Tage mit mehr als 2000 gemeldeten Corona-Neuinfektionen - am Samstag waren es 2507, der höchste Wert seit April. Am Sonntag meldete das Robert Koch-Institut (RKI) 1411 Fälle. Sonntags sind die Zahlen gewöhnlich niedriger, weil nicht alle Gesundheitsämter Daten weiterleiten.
Angesichts der zuletzt steigenden Tendenz befürwortet die Gesundheitsexpertin der SPD im Bundestag, Sabine Dittmar, eine Ausweitung der Maskenpflicht auf belebte Straßen und Plätze. In Bussen und Bahnen sowie im Einzelhandel habe eine bundesweite Regelung für Klarheit gesorgt, sagte sie der »Welt«. »Wir sollten nun auch bei anderen stark frequentierten öffentlichen Räumen auf eine bundeseinheitliche Maskenpflicht setzen.«
Vor der Beratung der Ministerpräsidenten mit Merkel sprach sich Dittmar dafür aus, dass »wir uns wieder stärker auf eine gemeinsame Strategie mit vergleichbaren Regeln konzentrieren«. Dies gelte etwa für die Begrenzung der Gästezahl bei privaten Veranstaltungen, eine bundeseinheitliche und verbindliche Teststrategie sowie einheitliche Quarantäne-Strategien.
Ebenfalls für eine bundesweit einheitliche Obergrenze private Feiern spricht sich die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Karin Maag (CDU), aus. »Maximal 50 Teilnehmer hielte ich angesichts des derzeitigen Infektionsgeschehens für angemessen«, sagte Maag der »Welt«. Weitere generelle Verschärfungen des Corona-Regelwerks sowie die von der SPD geforderte einheitliche Maskenpflicht lehnt Maag dagegen ab: »Entsprechende Maßnahmen erfahren eine höhere Akzeptanz, wenn sie auf lokaler Ebene veranlasst werden«.
Wie die SPD-Fraktion fordert auch die Linke im Bundestag eine Vereinheitlichung der Corona-Regeln und eine Maskenpflicht an belebten Orten. »Es muss bundeseinheitlich festgelegt werden, dass überall dort Masken zu tragen sind, wo der erforderliche Abstand nicht eingehalten werden kann. Dies gilt auch für den öffentlichen Raum«, sagte Linke-Gesundheitsexperte Achim Kessler.
Der gesundheitspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Detlev Spangenberg, betonte dagegen, dass seine Partei weiterhin »nicht von einer pandemischen Lage von nationaler Tragweite« ausgehe. »Wir halten die aktuellen Maßnahmen für völlig überzogen, kontraproduktiv und somit auch gefährlich für die Gesellschaft.« Die Grünen-Fraktion forderte Bundesregierung und Ministerpräsidenten auf, ihre Politik vor allem besser zu erklären. FDP-Gesundheitsexperte Michael Theurer sprach sich gegen weitere konkrete bundespolitische Vorgaben zur Pandemie-Bekämpfung aus. »Die Regeln für private und öffentliche Feiern müssen weiterhin in der Hoheit der Länder sein.«
Angesichts steigender Corona-Zahlen hatte sich der Landkreistag am Wochenende für eine einheitliche Obergrenzen von 50 Menschen bei Privatfeiern eingesetzt. Und der Städte- und Gemeindebund verlangte bei hohen Infektionszahlen eine Ausweitung der Maskenpflicht auf belebte Plätze und Weihnachtsmärkte. (dpa)