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Merkel: Gorbatschow hat Weltgeschichte geschrieben

Weltweit trauern Politiker und Politikerinnen um Michail Gorbatschow und erinneren an sein Vermächtnis.

Michail Gorbatschow und Angela Merkel
Die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der ehemalige russische Präsident Michail Gorbatschow bei den deutsch-russischen Regierungskonsultationen im Oktober 2007. Foto: epa Mikhail Klimentyev
Die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der ehemalige russische Präsident Michail Gorbatschow bei den deutsch-russischen Regierungskonsultationen im Oktober 2007.
Foto: epa Mikhail Klimentyev

Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat den russischen Friedensnobelpreisträger und ehemaligen sowjetischen Staatschef Michail Gorbatschow als »einen einzigartigen Weltpolitiker« gewürdigt. »Möge die Erinnerung an seine historische Leistung gerade in diesen schrecklichen Wochen und Monaten des Krieges Russlands gegen die Ukraine ein Innehalten möglich machen«, heißt es in einer Erklärung Merkels, die auf ihrer Internetseite veröffentlicht wurde.

Sie habe die Nachricht von Gorbatschows Tod mit großer Trauer vernommen, schrieb die Altkanzlerin weiter. »Gorbatschow hat Weltgeschichte geschrieben. Er hat vorgelebt, wie ein einzelner Staatsmann die Welt zum Guten verändern kann«, ergänzte sie. Ohne Gorbatschows Mut »zu Glasnost und Perestroika, also zu Offenheit und Umbau, wäre auch die friedliche Revolution in der DDR nicht möglich gewesen«. Merkel schriebt: »Ich kann noch heute die Angst nachspüren, die ich zusammen mit vielen Menschen in der DDR 1989 hatte, ob wie 1953 wieder Panzer rollen würden, als wir «Wir sind das Volk» und später «Wir sind ein Volk» riefen. Doch dieses Mal - anders als 1953 - rollten keine Panzer, fielen keine Schüsse.« Stattdessen habe Gorbatschow der greisen DDR-Führung den Satz »Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben« vorgehalten.

Gorbatschow habe sich 1989/1990 dem Ruf der Menschen nach Freiheit in der DDR nicht mehr entgegen gestellt. »Mehr noch, er ließ zu, dass ein wiedervereinigtes Deutschland Mitglied der Nato werden konnte.« Für sie unvergessen seien die Bilder der Begegnung von ihm mit dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) im Kaukasus 1990, mit der die Einheit Deutschlands in Frieden und Freiheit zum Greifen nah wurde. »Michail Gorbatschow hat auch mein Leben grundlegend verändert. Ich werde das nie vergessen«, erklärte Merkel.

Putin würdigt Gorbatschows Reformanstrengungen

Russlands Staatschef Wladimir Putin hat den am Dienstagabend verstorbenen ehemaligen sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow für dessen Reformanstrengungen und humanitären Einsatz gewürdigt. »Michail Gorbatschow war ein Politiker und Staatsmann, der gewaltigen Einfluss auf den Lauf der Weltgeschichte ausgeübt hat«, heißt es in dem am Mittwoch vom Kreml veröffentlichten, kurz gehaltenen Beileidstelegramm an die Angehörigen.

Gorbatschow habe das Land zu einer Zeit »dramatischer Veränderungen« geführt und den großen Reformbedarf erkannt. Er habe versucht, seine Lösungen für das Problem anzubieten, schrieb Putin. Zudem ging der russische Präsident auf Gorbatschows Engagement nach dessen Amtszeit als Staats- und Parteichef ein: »Besonders betonen möchte ich die große humanitäre, wohltätige und aufklärerische Tätigkeit, die Michail Sergejewitsch Gorbatschow all die letzten Jahre ausübte«, heißt es in dem Schreiben. Der Friedensnobelpreisträger selbst, der 91 Jahre alt wurde, hatte zu Lebzeiten Putin mehrfach für die Einschränkungen von Freiheit und Demokratie in Russland kritisiert.

Scholz: Demokratie in Russland gescheitert

Bundeskanzler Olaf Scholz hat den verstorbenen russischen Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow als mutigen Reformer gewürdigt. Der ehemalige sowjetische Staatschef habe vieles gewagt, sagte Scholz am Mittwoch am Rande der Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg in Brandenburg. Seine Politik habe es möglich gemacht, »dass Deutschland vereint werden konnte und der Eiserne Vorhang verschwunden ist«.

Auch Russland habe dank Gorbatschow den Versuch unternehmen können, eine Demokratie zu etablieren. Nun sei er in einer Zeit gestorben, »in der nicht nur die Demokratie in Russland gescheitert ist«, sondern in der der russische Präsident Wladimir Putin auch neue Gräben in Europa ziehe. »Gerade deshalb denken wir an Michail Gorbatschow und wissen, welche Bedeutung er für die Entwicklung Europas und auch unseres Landes in den letzten Jahren hatte«, sagte Scholz.

Nawalny: Nachwelt wird seine Leistung positiver bewerten

Der im Straflager inhaftierte Kremlgegner Alexej Nawalny hat den verstorbenen ehemaligen sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow als »herausragenden Mann« gewürdigt. »Ich bin mir sicher, dass sein Leben und seine Geschichte, die für die Ereignisse des späten 20. Jahrhunderts entscheidend waren, von der Nachwelt weitaus positiver bewertet werden als von den Zeitgenossen«, hieß es am Mittwoch auf dem Twitter-Account des Oppositionellen.

Gorbatschow sei friedlich und freiwillig zurückgetreten und habe den Willen seiner Wähler respektiert. »Dies allein ist nach den Maßstäben der früheren UdSSR eine große Leistung.« Vom Tod des Friedensnobelpreisträgers am Dienstagabend habe er über die Lautsprecher in den Gefängniszellen erfahren.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) bekundete die ewige Dankbarkeit Deutschlands. »Michael Gorbatschow hat sich in Schicksalsmomenten unserer Geschichte von Frieden und der Verständigung zwischen den Menschen leiten lassen. Das Ende des Kalten Kriegs und die deutsche Einheit sind sein Vermächtnis«, schrieb sie am Mittwoch im Kurznachrichtendienst Twitter. »Wir trauern um einen Staatsmann, dem wir dafür ewig dankbar sind.«

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg würdigte den verstorbenen russischen Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow als Friedensstifter und Vermittler. »Michail Gorbatschows historische Reformen haben zur Auflösung der Sowjetunion geführt, zum Ende des Kalten Krieges beigetragen und die Möglichkeit einer Partnerschaft zwischen Russland und der Nato eröffnet«, schrieb der frühere norwegische Regierungschef am Mittwoch bei Twitter. »Seine Vision einer besseren Welt bleibt ein Vorbild.«

Gorbatschow war am Dienstagabend im Alter von 91 Jahren in der russischen Hauptstadt gestorben. Er war der letzte Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion gewesen. 1991 war er als sowjetischer Präsident zurückgetreten.

Erklärung von Altkanzlerin Merkel

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