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Mehr als 770 Millionen Euro für UN-Bildungsfonds

Das Erdbeben in der Türkei und Syrien zeigt: Schulgebäude werden bei Katastrophen oft zerstört oder zweckentfremdet. Unterricht für die Kinder bleibt auf der Strecke. Mit verheerenden Folgen.

Mädchen in Äthiopien
Die neunjährige Fatuma (2.v.r), hier beim Essen mit ihren Schulfreundinnen, will einmal Lehrerin werden. Das Mädchen aus Äthiopien kann dank einer UN-Initiative erstmals zur Schule gehen, bekommt eine warme Mahlzeit am Tag und Zugang zu sauberem Wasser - keine Selbstverständlichkeit in der Region. Foto: Unicef
Die neunjährige Fatuma (2.v.r), hier beim Essen mit ihren Schulfreundinnen, will einmal Lehrerin werden. Das Mädchen aus Äthiopien kann dank einer UN-Initiative erstmals zur Schule gehen, bekommt eine warme Mahlzeit am Tag und Zugang zu sauberem Wasser - keine Selbstverständlichkeit in der Region.
Foto: Unicef

Bei einer Konferenz in Genf hat die internationale Gemeinschaft Zusagen von mehr als 770 Millionen Euro für Bildungsangebote an Kinder in Not eingesammelt. Das Geld soll dazu beitragen, dass Schulen auch bei Katastrophen und in Kriegen Schulen in den betroffenen Ländern zur Verfügung stehen. Dazu gehören auch 210 Millionen Euro von der Bundesregierung. Deutschland ist mit Abstand der größte Geldgeber eines 2016 von den Vereinten Nationen gegründeten Fonds namens »Education Cannot Wait« (»Bildung kann nicht warten«).

Insgesamt sollen bis 2026 rund 1,5 Milliarden Dollar (nach heutigem Kurs: 1,4 Milliarden Euro) für Programme in 44 Ländern zusammenkommen. Das Geld geht nicht an Regierungen, sondern an Partner vor Ort, die Schulen bauen und Unterrichtsmaterial, Mahlzeiten und psychosoziale Unterstützung geben.

Zahl der Kinder in Notsituationen steigt

»Die Kinder haben die Krisen auf der Welt nicht verursacht, aber sie leiden am meisten darunter«, sagte Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) der Deutschen Presse-Agentur. »Weltweit sind 222 Millionen Kinder im Schulalter von Konflikten, Dauerkrisen und Notsituationen betroffen - drei Mal so viele wie noch 2016. Wir können es uns nicht leisten, diese Generation zu verlieren.«

Afghanische Aktivistinnen riefen dazu auf, nach der Rückkehr der islamistischen Taliban an die Macht Mädchen und Frauen nicht zu vergessen. Die seit Sommer 2021 wieder regierenden Taliban grenzen Mädchen und Frauen vom gesellschaftlichen Leben aus und verbieten ihnen den Besuch weiterführender Schulen. »Nur reden und nichts tun reicht nicht aus«, sagte die 20 Jahre alte Somaya Faruqi. Beispielsweise müssten »Untergrundschulen« finanziert werden.

»Zum Überleben braucht man Hoffnung - und Bildung«

Schulen sind für Kinder in Notsituationen Rettungsanker im Chaos. Fatuma (9) zum Beispiel hat in der von Dürre geplagten Somali-Region von Äthiopien ständig in Angst vor marodierenden Banden gelebt. Ihre Familie mit fünf Geschwistern wurde ständig vertrieben. Mit UN-Hilfe hat sie nun einen Ort gefunden, wo sie erstmals zur Schule geht - mit einer warmen Mahlzeit pro Tag und sauberem Wasser, keine Selbstverständlichkeit in der Region. Fatuma sagt nun: "Wenn ich groß bin und ausgelernt habe, will ich Lehrerin werden.

Wenn Kinder bei Katastrophen wie Erdbeben oder durch Konflikte in die Flucht geschlagen werden, geht es erst mal ums nackte Überleben. Schule gehört oft nicht zum Wichtigsten. Das hat fatale Folgen - oft ein Leben lang, weil Menschen in eine Armutsfalle geraten.

»Klar braucht man zum Überleben erstmal Essen, sauberes Wasser, medizinische Versorgung, ein Dach über dem Kopf«, sagte die Exekutivdirektorin des Fonds, Yasmine Sherif, der dpa. »Aber zum Überleben braucht man auch Hoffnung, und die kommt mit Bildung.« Mädchen würden in der Schule vor sexueller Gewalt geschützt, Jungen, die zur Schule gingen, schlössen sich weniger oft Milizen oder Banden an. »Wir reden immer von Würde und dass die Menschen sich langfristig selbst helfen können müssen«, sagte Sherif. »Wie soll das gehen, wenn sie nicht lesen und schreiben können?«

Jedes verlorene Schuljahr hat unmittelbar Folgen

Bildungsexperten gehen davon aus, dass jedes verlorene Schuljahr die Einkommensmöglichkeiten später um rund zehn Prozent mindert. Hinzu kommt, dass Eltern mit mehr Schulwissen über Gesundheit, Hygiene und Nahrung gesündere Familien großziehen.

Roho (13) aus Äthiopien wurde in einer Konfliktregion als kleines Kind vertrieben. Der Vater verließ die Familie, die Mutter stand mit acht Kindern alleine da. Roho musste auf dem Feld mitarbeiten. Für Schuluniformen und Material war nie Geld da. Jetzt lernt sie in einem vom Fonds unterstützten speziellen Programm für Ältere, die den Stoff von drei Schulklassen innerhalb von Monaten durchnehmen. Sie ist hoch motiviert: »Ich will Ingenieurin werden«, sagt sie.

© dpa-infocom, dpa:230216-99-613586/6