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Maskenaffäre: Deutliche Rechtsverschärfung gefordert

Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag will sich als Konsequenz aus der Maskenaffäre strengere Regeln geben. Doch reichen die angekündigten Schritte? Die Reaktionen fallen eindeutig aus.

Maskenaffäre - CDU/CSU
Die CDU/CSU Bundestags-Fraktion will sich als Konsequenz aus der Maskenaffäre strengere Regeln geben. Foto: Michael Kappeler/dpa
Die CDU/CSU Bundestags-Fraktion will sich als Konsequenz aus der Maskenaffäre strengere Regeln geben. Foto: Michael Kappeler/dpa

BERLIN. Die Verstrickung von Unionspolitikern in Geschäfte mit dem Kauf von Corona-Schutzmasken lässt über die Parteigrenzen hinweg den Ruf nach schärferen Verhaltensregeln für Abgeordnete laut werden.

Dabei bewerten die Opposition, aber auch der Koalitionspartner SPD und unabhängige Organisationen wie Transparency Deutschland die von der Führung der Unionsfraktion angekündigten Schritte als halbherzig. Sie verlangen deutlich strengere Maßnahmen.

So heißt es in einem Zehn-Punkte-Plan der SPD-Bundestagsfraktion, Abgeordnetenbestechung und -bestechlichkeit sollten nicht mehr als Vergehen, sondern als Verbrechen mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe eingestuft werden. Der Plan liegt der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vor. Zuerst hatte das Redaktionsnetzwerk Deutschland darüber berichtet.

»Die Maskenaffäre bei der Union muss rechtliche Konsequenzen haben, so wie wir sie seit langem schon von unserem Koalitionspartner fordern«, sagte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich dem RND. »Es geht eben nicht nur um Aufarbeitung der Einzelfälle und auch nicht um interne Compliance-Regeln im Sinne einer Art Selbstverpflichtung, wie sie die Union plant.«

Die Grünen riefen die anderen Parteien zu Gesprächen über schärfere Transparenzregeln auf. »Während Menschen und Unternehmen unter der Pandemie leiden, bereichern sich Abgeordnete von CDU/CSU an der Vermittlung von Maskengeschäften«, schrieben die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Britta Haßelmann, und Bundesgeschäftsführer Michael Kellner in einem Brief an ihre Gegenüber bei CDU, CSU, SPD, FDP und Linken. Das Schreiben liegt der Deutschen Presse-Agentur vor.

Konkret bringen die Grünen einen »legislativen Fußabdruck« ins Spiel. Dieser soll deutlich machen, welche Interessenvertreter bei der Formulierung von Gesetzentwürfen beteiligt waren. Das zwischen den Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD vereinbarte Lobbyregister sieht dies bislang nicht vor. Abgeordnete sollten Einkünfte aus Nebentätigkeiten nach dem Willen der Grünen auf Euro und Cent veröffentlichen. »Auch für Unternehmensbeteiligungen, geldwerte Vorteile und Aktienoptionen von Abgeordneten fordern wir striktere Regeln.« Entgeltliche Lobbytätigkeit solle Volksvertretern untersagt und Abgeordnetenbestechung klarer gefasst werden.

»Mit einem freiwilligen Verhaltenskodex oder fraktionsinternen Verpflichtungen ist es längst nicht getan«, sagte auch Jan Korte, der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Linken-Fraktion. Nötig seien sofort ein gesetzliches Verbot bezahlter Lobbytätigkeit von Abgeordneten und ein effektives Lobbyregistergesetz. »Und in der Geschäftsordnung des Bundestags müssen wir jetzt regeln, dass Nebeneinkünfte auf Euro und Cent veröffentlicht werden müssen.«

Ähnlich äußerte sich auch der Vorsitzende von Transparency Deutschland, Hartmut Bäumer: »Wenn es die Union ernst meint mit Transparenz und Aufklärung, muss jede Lobbytätigkeit eines Abgeordneten, die ihm unmittelbar finanzielle Vorteile bringt, in Zukunft unterbunden werden.« Die Einhaltung dieser verbindlichen Regelungen müsse dann, ebenso wie das Lobbyregister, von einer unabhängigen Stelle überprüft werden.

Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hatten am Montag für die Unionsfraktion strengere Regeln angekündigt. Sie reagierten damit auf die Maskengeschäfte der Abgeordneten Georg Nüßlein (CSU) und Nikolas Löbel (CDU). Gegen Nüßlein ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit. Löbel hat eingeräumt, dass seine Firma Provisionen von rund 250 000 Euro für das Vermitteln von Kaufverträgen für Corona-Schutzmasken erhalten hat. Bei ihm prüft die Staatsanwaltschaft, ob ein hinreichender Anfangsverdacht zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegeben ist.

Beide Politiker haben inzwischen ihre jeweilige Partei verlassen. Löbel hat sein Bundestagsmandat mit sofortiger Wirkung niedergelegt. Nüßlein will im Herbst nicht mehr für den Bundestag kandidieren.

Brinkhaus und Dobrindt kündigten am Montag in einem Brief an alle CDU/CSU-Abgeordneten an: »Wir werden innerhalb unserer Fraktion ein Anforderungs- und Sanktionsregime einführen, das klar definiert, welches Verhalten wir von einen CDU/CSU-Bundestagsabgeordneten erwarten, welche Nebentätigkeiten mit der Mitgliedschaft in unserer Fraktion vereinbar sind und welche nicht.« Die Fraktionsführung werde zudem umgehend Vorschläge für mehr Transparenz bei Nebentätigkeiten unterbreiten. »Darüber hinaus wollen wir den Grenzwert von 10 000 Euro, ab dem Parteispenden in den Rechenschaftsberichten der Parteien aufgeführt werden müssen, deutlich absenken.«

Die SPD forderte am Dienstag in ihrem Zehn-Punkte-Plan ein Verbot bezahlter Lobbytätigkeiten neben dem Mandat, ein Verbot der Spendenannahme für Abgeordnete und eine genaue Veröffentlichung von Nebeneinkünften. Der Umfang von Nebentätigkeiten soll angegeben werden müssen, ebenso Aktienoptionen sowie Unternehmensbeteiligungen ab 5 Prozent der Stimmrechte - nicht erst ab 25 Prozent wie heute. Parteispenden sollen auf jährlich maximal 100 000 Euro pro Spender begrenzt werden. Die Veröffentlichungspflicht der Spenden soll von 10 000 auf 2000 Euro gesenkt werden. Treffen mit Lobbyisten sollen bei Gesetzgebungsvorhaben veröffentlicht werden.

Aus Sicht des FDP-Vorsitzenden Christian Lindner reicht es nicht, dass die beiden Unionsabgeordneten persönliche Konsequenzen gezogen haben. »Für uns steht auch die Frage im Raum: Was ist im Gesundheitsministerium passiert? Wie war es möglich, dass Abgeordnete mit geschäftlichen Interessen erfolgreich Einfluss nehmen konnten auf Beschaffungsvorgänge?«, sagte Lindner am Dienstag in Berlin und forderte erneut, einen unabhängigen Sonderermittler einzusetzen.

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte angekündigt, die Namen aller Abgeordneten öffentlich machen zu wollen, die an der Vermittlung von Maskengeschäften beteiligt waren. Er wurde am Dienstag von der Bundestagsverwaltung darauf aufmerksam gemacht, dass Abgeordnete nach einschlägiger Rechtsprechung ein berechtigtes Interesse an der Vertraulichkeit personenbezogener Daten hätten, die von der Freiheit des Mandats geschützt seien. »Solche Daten dürfen daher nur in eng begrenzten Ausnahmefällen herausgegeben werden«, teilte ein Sprecher mit. Rechtlich unbedenklich erscheine die Herausgabe, wenn dem Ministerium eine Einwilligung der Betroffenen vorliege. (dpa)