Aus Protest gegen den heftig umstrittenen Staatstrauerakt für Japans ermordeten Ex-Premier Shinzo Abe hat sich ein Mann in Tokio laut Medien angezündet. Wie die japanische Nachrichtenagentur Kyodo am Mittwoch unter Berufung auf die Polizei berichtete, steckte sich der ältere Mann nahe des Amtssitzes des Regierungschefs in Tokio auf einer Straße in Brand. Er sei bei Bewusstsein und in ein Krankenhaus gebracht worden, hieß es.
Die Polizei fand eine Protestnote des Mannes, in der er sich deutlich gegen den am kommenden Dienstag geplanten Staatstrauerakt aussprach, hieß es. Umfragen zufolge ist eine große Mehrheit der Bevölkerung dagegen, dass der kürzlich ermordete Abe eine mit Millionen von Steuergeldern finanzierte Staatstrauer erhält.
Abe war am 8. Juli während einer Wahlkampfrede in der Stadt Nara von einem Ex-Militär mit einer selbstgebauten Waffe aus nächster Nähe von hinten erschossen worden. Der Attentäter hatte angegeben, Abe aus Hass auf die umstrittene Mun-Sekte ermordet zu haben. Seine Mutter habe die Familie mit horrenden Spenden an die Sekte, zu der Abe Verbindungen hatte, finanziell ruiniert und zerstört.
Nationalismus, Vetternwirtschaft und Spendengelder
Abe gilt zwar weltweit als verdienter Staatsmann, im eigenen Land war der Rechtskonservative jedoch mit seiner nationalistischen Agenda und seiner Verstrickung in Skandale um Vetternwirtschaft umstritten. Hinzu kommen Abes Verwicklungen - und die seiner regierenden Liberaldemokratischen Partei (LDP) - in die Mun-Sekte.
Die für ihre anti-kommunistische und stark konservative Gesinnung bekannte Organisation treibt nicht nur massiv Spendengelder von Mitgliedern ein, sondern hat vor allem Politikern der LDP Wahlkampfhilfe geleistet. Die auch als Vereinigungskirche bekannte Sekte nennt sich seit 1996 »Familienföderation für Weltfrieden und Vereinigung«.
Ein Staatstrauerakt für einen Ex-Regierungschef ist seit dem Zweiten Weltkrieg in Japan unüblich. Seither gab es dies nur einmal, 1967 für Shigeru Yoshida. Zu der Veranstaltung am 27. September werden zahlreiche Würdenträger aus dem In- und Ausland erwartet, darunter die US-Vizepräsidentin Kamala Harris sowie die Premierminister aus Südkorea, Indien, Australien und Kanada.
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