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Mali: Frankreichs Abzugsbefehl setzt Deutschland unter Druck

Dass Frankreich zum Abzug seiner Kampftruppen in Mali bläst, war absehbar. Zwar teilt Deutschland die französische Skepsis am Sinn des Einsatzes dort, steht nun aber vor einer Herausforderung.

Anti-Terror-Einsatz in Mali
Abzug: Frankreich, seine europäischen Partner und Kanada beenden den militärischen Einsatz in Mali. Foto: Uncredited
Abzug: Frankreich, seine europäischen Partner und Kanada beenden den militärischen Einsatz in Mali.
Foto: Uncredited

Die Zweifel am Mali-Einsatz waren in Paris und Berlin zuletzt gleichermaßen gewachsen, nun beendet Frankreich den militärischen Anti-Terror-Einsatz in dem Krisenstaat.

Die Voraussetzungen seien wegen Behinderungen durch die malische Übergangsregierung nicht mehr gegeben, hieß es am Donnerstag in Paris. Der koordinierte Abzug solle bis zum Sommer erfolgen, der Anti-Terror-Kampf aber in angrenzenden Ländern in der Sahelzone fortgesetzt werden. Es geht um die französische Militäroperation »Barkhane« und die »Takuba«-Mission, an der Frankreich sowie mehrere europäische Länder - aber nicht die Bundeswehr - beteiligt sind. Deutschland gerät durch die Ankündigung dennoch unter Druck.

Für die Bundesregierung ist die Entscheidung Frankreichs zwar keine Überraschung, aber eine große Herausforderung, die die ohnehin nötige Justierung der Bundeswehreinsätze verkompliziert. Rund 300 Soldaten stellt Deutschland für die EU-Ausbildungsmission EUTM, mehr als 1000 für den UN-Stabilisierungseinsatz Minusma in Mali, die derzeit wohl gefährlichste Blauhelmmission. Alle Truppensteller zusammengerechnet hat der UN-Einsatz bereits 260 Soldaten das Leben gekostet.

Komplex gestaltetes Engagement

Die beiden Einsätze sind Teil des komplex gestalteten Engagements in Mali - parallel zu den Anti-Terror-Missionen Frankreichs. Für viel Kritik im Westen sorgte auch, dass mittlerweile russische Söldner und Militärs in Mali agieren. Wenn es in der Region nicht auch um grenzüberschreitenden, islamistischen Terror sowie Routen für unerwünschte Migration ginge, wäre ein Ende der Einsätze wahrscheinlicher.

Die Militärregierung in Bamako habe bisher keine glaubhaften Signale gesendet, zügig zur Demokratie zurückzukehren und lege zudem dem französischen Engagement Steine in den Weg, kritisierte die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Katja Keul, am Donnerstag. Das sei »bedauerlich und jetzt auch folgenschwer«. Der Schritt Frankreichs werde Auswirkungen auf das gemeinsame internationale Engagement haben. »Dabei bleiben unsere gemeinsamen und langfristigen Ziele vor Ort bestehen, nämlich dass wir die Sicherheit der Menschen und die Stabilität der Region verbessern wollen.«

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) ließ in Brüssel erkennen, dass sie vor allem den Beitrag zu EUTM mit Skepsis betrachtet. Anders sieht es bei Minusma aus. Deutschland ist dabei in einer zentralen Rolle, weil es für die Aufklärung der Lage in Mali zuständig ist. Diese erfolgt mit Drohnen, aber auch mit Patrouillenfahrten der Bundeswehr. Wenn es hart auf hart kommt, sind die deutschen Männer und Frauen dabei auf Luftunterstützung durch die Kampfhubschrauber der Franzosen angewiesen - und auch auf den Sanitätsdienst von Partnern.

Verhandlungen im Hintergrund

Es ist eine Art Gretchenfrage, wer diese Fähigkeiten künftig stellen könnte. Hinter den Kulissen laufen intensive Verhandlungen. So könnte Frankreich dies womöglich von außerhalb sicherstellen. Aber auch Deutschland hatte bereits den Kampfhubschrauber »Tiger« in Mali im Einsatz, stellt dieses Waffensystem jedoch absehbar für die schnelle Speerspitze der Nato (VJTF) bereit.

»Für uns stellt sich nun die elementare Frage, wie und von welcher Nation die Fähigkeit, mit Kampfhubschraubern und Kampfflugzeugen auch unsere Soldaten und Soldatinnen zu schützen, kompensiert werden kann«, sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP). Die Klärung bedürfe noch vieler Gespräche, auch mit der malischen Regierung. »Ohne diese Sicherheit können wir unser Mandat dort nicht fortsetzen.«

Experten sprachen ebenfalls von einer schwierigen Lage. »Der Rückzug von Barkhane wird Minusma vor erhebliche Herausforderungen stellen. Das französische Militär leistet wichtige logistische Unterstützung und kann auf Wunsch der UN-Mission militärisch eingreifen«, sagte der Afrika-Analyst der Sicherheitsberatungsfirma Verisk Maplecroft, Alexandre Raymakers. »Der französische Rückzug wird Auswirkungen auf die Sicherheitslage haben«, vor allem da die malischen Sicherheitskräfte französische Luftunterstützung dringend benötigten.

Militäreinsatz falsches Mittel

Der französische Einsatz in Mali habe trotz einiger anfänglicher Erfolge nicht dazu geführt, die Ausbreitung des Dschihadismus einzudämmen, sagte der Sahel-Experte der International Crisis Group (ICG), Richard Moncrieff. Dieser habe tiefere Ursachen politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Natur, die mit einem Militäreinsatz alleine nicht zu beheben seien. »Mali scheint nun die von den Russen geleistete Militärhilfe zu bevorzugen, aber es ist unwahrscheinlich, dass die Russen es schaffen, mehr zu erreichen.«

Nach Ansicht des Verteidigungsexperten Roland Marchal von der renommierten Pariser Universität Sciences Po wird eine Diskussion auf europäischer Ebene auch darüber nötig sein, ob man weiterhin malische Soldaten ausbilden wolle, die dann unter russischem Kommando kämpfen, womit man indirekt Russland unterstütze. Die wirkliche Sorge, die man haben müsse sei, dass die Ankunft der Russen den Eindruck einer Verbesserung in manchen Zonen vermitteln könne, grundsätzlich aber eine Verschlechterung weiter gehe.

© dpa-infocom, dpa:220217-99-167858/8