In einem sehr förmlichen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schlägt die Fraktionsspitze der Union ein Sofortprogramm vor, um Deutschland aus der Rezession zu führen. Zu den zwölf Maßnahmen für die kommenden zwei Monate, die Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt in ihrem am Freitag verfassten Schreiben auflisten, zählen unter anderem eine dauerhafte Senkung der Stromsteuer auf das europäische Minimum sowie stärkere Sanktionen für verweigerte Arbeitsannahme von Bürgergeld-Beziehern.
Außerdem wirbt das Duo für eine Gesetzesänderung, wonach ein unternehmerisches Vorhaben dann automatisch als genehmigt gilt, wenn die zuständige Behörde nach drei Monaten immer noch nicht darüber entschieden hat. Über den Brief hatte zuerst das ARD-Hauptstadtstudio berichtet. Er liegt der Deutschen Presse-Agentur vor.
Keine Subventionen
Neue Subventionen sind nicht Teil der in dem Schreiben aufgelisteten zwölf kurzfristigen Maßnahmen, die aus Sicht der Union neben mittel- und langfristigen Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit nötig sind. Dafür schlagen Merz und Dobrindt vor, die Sozialabgaben wieder auf maximal 40 Prozent des Bruttolohns zu begrenzen, Überstunden von Vollzeitbeschäftigten steuerlich zu begünstigen und die ersten 2000 Euro Arbeitseinkommen im Jahr für Rentner steuerfrei zu stellen. Ferner werben sie für ein »Belastungsmoratorium«, das dafür sorgen soll, dass für Wirtschaft und Bürger bis Ende 2025 keinerlei zusätzliche Bürokratie entsteht.
»Wenn die Union die Vorschläge ernst meint, begrüßen wir das«, sagte FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer. Teile der Vorschläge deckten sich mit der FDP-Programmatik. Es sei aber unseriös, jetzt, nachdem der Haushalt für 2024 beschlossen sei, Maßnahmen ohne Gegenfinanzierung vorzuschlagen. Mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz und dem Wachstumschancengesetz habe die Ampel bereits Maßnahmen für eine wettbewerbsfähigere Wirtschaft beschlossen.
Unterschiedliche Pläne von Habeck und Lindner
Sowohl Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) als auch Finanzminister Christian Lindner (FDP) wollen Unternehmen entlasten - aber sie haben unterschiedliche Vorstellungen. Habeck hatte zuletzt ein milliardenschweres, schuldenfinanziertes Sondervermögen ins Spiel gebracht. So nannte der Vizekanzler die Möglichkeit, Steuergutschriften und steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten zu schaffen. Lindner lehnt mehr Schulden dagegen ab.
Die Union schlägt in ihrem Maßnahmenpaket, das sie in der kommenden Sitzungswoche auch im Bundestag zur Beratung einbringen will, eine spürbare Senkung der Belastung der Unternehmen vor, etwa über eine Senkung der Steuern für Unternehmensgewinne, die im Unternehmen verbleiben, auf 25 Prozent. Dobrindt und Merz warnen in ihrem Brief: »Unserem Land drohen Wohlstandsverluste in einem bisher nicht gekannten Ausmaß.«
Im September hatte Scholz den Ländern und der »demokratischen Opposition« einen Pakt zur Modernisierung Deutschlands vorgeschlagen, der auch das Thema Migration umfassen sollte. CDU-Chef Merz schloss der Kanzler damals ausdrücklich in sein Angebot ein. In der Folge gab es zwei Treffen der beiden Politiker, an einem nahm auch Dobrindt teil. Nach der Bund-Länder-Einigung auf ein Maßnahmenpaket zur Bekämpfung der irregulären Migration kündigte Merz die Mitarbeit an einem »Deutschlandpakt« im November auf und sagte: »Ich erkenne im Augenblick beim Bundeskanzler keine Bereitschaft, die Gespräche mit uns substanziell fortzusetzen.« Scholz warf Merz später vor, er sei empfindlich wie eine Mimose.
Kritik von den Grünen
Dass Merz jetzt in einem Brief Wachstumsimpulse anmahne, sei absurd, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Andreas Audretsch. Er schlug vor: »Wenn Friedrich Merz etwas für die Wirtschaft tun will, sollte er der Einigung beim Wachstumschancengesetz zustimmen.« Die Union blockiert das Wachstumspaket derzeit im Bundesrat und macht ihre Zustimmung davon abhängig, dass die Bundesregierung die geplante Streichung von Agrardiesel-Subventionen vollständig zurücknimmt.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) warb unterdessen dafür, im Bund die Haushaltsnotlage auszurufen, um mit neuen Schulden die Wirtschaft anzukurbeln. »Wenn die Bundesregierung die Notlage erklären würde, könnte das für großen Schwung in der Wirtschaft sorgen«, sagte Haseloff dem »Handelsblatt« (Samstag). »Wir sind in einer Ausnahmesituation.« Es brauche dringend Impulse, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bekommen. Dazu zählte der dienstälteste Ministerpräsident auch mögliche Steuersenkungen.
Durch das Ausrufen der Haushaltsnotlage könnte die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse ausgesetzt werden. Sie sieht vor, dass die Haushalte von Bund und Ländern grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen sind. Bei Naturkatastrophen oder anderen Notsituationen kann die Schuldenbremse ausgesetzt werden.
Haseloff sagte dem »Handelsblatt«: »Wir sollten die staatlichen Abgaben auf Energie, soweit es geht, senken und auf die Einnahmen verzichten.« Auch Länder und Kommunen sollten kurzfristig auf Einnahmen verzichten und dafür an anderer Stelle entlastet werden.
Der Bundestag hatte Anfang Februar den hart umkämpften Haushalt für das laufende Jahr beschlossen - erstmals seit Ausbruch der Corona-Pandemie unter Einhaltung der Schuldenbremse. Haseloff betonte, es solle grundsätzlich an der Schuldenbremse festgehalten werden. Die Bundesregierung müsse vor allem im Sozialbereich Einsparungen vornehmen, forderte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident. »Wir geben Milliarden aus, um Menschen zu alimentieren, anstatt sie in Arbeit zu bringen.« Sachsen-Anhalt hatte selbst für die Jahre 2023 und 2024 eine Notlage festgestellt, um erforderliche Kredite aufzunehmen.
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