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Mützenich unzufrieden mit Haushalts-Deal

Die mühsam erzielte Einigung der Koalition auf ein Sparpaket wird weiter zerredet. SPD-Fraktionschef Mützenich will die Schuldenbremse erneut aussetzen. Sein Parteichef fordert dagegen endlich Geschlossenheit der Ampel-Parteien.

Rolf Mützenich
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich warnt wegen der Einsparungen vor einer Spaltung der Gesellschaft. Foto: Melissa Erichsen/DPA
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich warnt wegen der Einsparungen vor einer Spaltung der Gesellschaft.
Foto: Melissa Erichsen/DPA

Die Unzufriedenheit über den Haushaltskompromiss der Ampel-Spitzen in den Regierungsparteien hält an. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich forderte nun wieder ein Aussetzen der Schuldenbremse auch für das kommende Jahr und warnte andernfalls vor einer Spaltung der Gesellschaft. Zugleich machte er am Donnerstag deutlich, grundsätzlich nicht besonders glücklich über den Kompromiss zu sein. SPD-Chef Lars Klingbeil kritisierte dagegen Absetzbewegungen bei den Koalitionspartnern von der Einigung.

»Wir leben nicht in normalen Zeiten. Kriege verstoßen gegen jede Normalität«, sagte Mützenich dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Donnerstag). Das Risiko einer weiteren Klage vor dem Bundesverfassungsgericht ordnete er als vertretbar ein. Im Deutschlandfunk machte Mützenich deutlich, er bezweifele, dass das Aufatmen über die Einigung groß sei. »Weil ja auch durchaus die, die daran beteiligt gewesen sind, relativ schnell das auch wieder infrage gestellt haben. Jetzt muss es im Parlament gerichtet werden.«

Die Spitzen der Ampel-Koalition haben im Streit über den Bundeshaushalt 2024 entschieden, dass die Schuldenbremse im kommenden Jahr nicht generell ausgesetzt wird. Eine Ausnahme für die Fluthilfen im Ahrtal wird derzeit aber geprüft. Wegen des Ukraine-Kriegs soll die Schuldenbremse dagegen zunächst nicht ausgesetzt werden. Nur für den Fall einer deutlichen Änderung der Lage behält die Koalition sich einen solchen Schritt vor.

Was steht im Grundgesetz?

Das Grundgesetz sieht vor, dass die Schuldenbremse im Fall von Naturkatastrophen oder anderen außergewöhnlichen Notlagen ausgesetzt werden kann, wenn die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigt wird. Insbesondere die FDP mit Finanzminister Christian Lindner ist bislang sehr zurückhaltend bei dem Thema. Für das laufende Jahr war die Schuldenbremse kürzlich noch einmal ausgesetzt worden - zum vierten Mal in Folge.

SPD-Fraktionschef Mützenich wies im RND auf mehrere Unwägbarkeiten mit Blick auf den Ukraine-Krieg hin. Wie Russland seinen Krieg weiterführe, welche Länder die Ukraine weiter unterstützten und ob die USA noch dabei seien - all das entziehe sich dem Einfluss nationalstaatlichen Handelns. Auf Deutschland komme viel mehr zu als weitere Waffenlieferungen. Mützenich nannte etwa Hilfe beim Wiederaufbau sowie bei wirtschaftlichen Fragen.

»Weil wir nicht weiter im Kernhaushalt sparen dürfen, werden wir diese zusätzlichen Mittel durch die Ausnahmeregelung nach Artikel 115 Grundgesetz finanzieren müssen - also durch das Aussetzen der Schuldenbremse.« Diese Entscheidung mit den Ukraine-Hilfen zu begründen, erscheine ihm verfassungsfest.

Welche Bedenken hat Mützenich?

»Wir begeben uns in die große Gefahr der gesellschaftlichen Spaltung, wenn die Ukraine-Hilfe zulasten von wichtigen Ausgaben geleistet wird, die für die Menschen im Inland auch wichtig sind«, sagte Mützenich. Das aktuell geplante Vorgehen führe »zu innenpolitischen Verteilungskonflikten, bei denen das eine gegen das andere ausgespielt wird«, gab der SPD-Politiker zu bedenken.

Mützenich ist nicht der erste Ampel-Politiker, der Teile des Haushaltskompromisses kritisiert. Er selbst erinnerte im Deutschlandfunk daran, dass es bereits wenige Stunden nach der Einigung zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) eine Korrektur gegeben hatte und das Vorhaben einer Kerosinsteuer auf Inlandsflüge ersetzt wurde durch eine Anhebung der Ticketsteuer.

Auch in anderen Punkten gibt es in der Koalition Absetzbewegungen von der Vereinbarung: Angesichts heftiger Bauernproteste stellte sich bei den Grünen Landwirtschaftsminister Cem Özdemir gegen das vereinbarte Ende der Steuervergünstigungen für Agrarfahrzeuge und bei der FDP Fraktionschef Christian Dürr. Verbände und Oppositionspolitiker beklagten Kürzungen insbesondere im Sozialbereich.

Was hat es mit dem Klimageld auf sich?

SPD-Chef Klingbeil wies im Berliner »Tagesspiegel« (Donnerstag) vor allem Özdemir zurecht - ohne ihn namentlich zu nennen. »Es trägt nicht zu einer besseren politischen Lage bei, wenn Minister den Haushaltskompromiss infrage stellen, fünf Minuten nachdem er gefunden wurde. Ich habe Politik so gelernt, dass man einmal gefundene Einigungen verteidigt und zusammen dafür wirbt«, sagte Klingbeil.

Zugleich forderte er Finanzminister Lindner auf, sich intensiv Gedanken zu machen, wie das im Koalitionsvertrag vereinbarte Klimageld zur Entlastung der Bürger von steigenden Klimaschutz-Kosten eingeführt werden kann. »Der Mechanismus, um es auszuzahlen, ist wahnsinnig komplex, das weiß ich. Aber ich erwarte trotzdem, dass das Finanzministerium jetzt intensiv an der Umsetzung arbeitet«, sagte er. Dabei bekräftigte er einen vor kurzem gemachten Vorschlag: »Solange das nicht möglich ist, müssen wir Entlastungsalternativen wie die Erhöhung der Pendlerpauschale prüfen.«

Die Verbraucherzentralen forderten ein Klimageld von 139 Euro für jede Bürgerin und jeden Bürger. Die Verbraucher zahlten schon seit 2021 durch den CO2-Preis einen Aufpreis auf Gas, Öl und Sprit, ohne im Gegenzug ausreichend entlastet zu werden, argumentierte Thomas Engelke vom Verbraucherzentrale Bundesverband in der ARD. Im kommenden Jahr steige der CO2-Preis weiter. »Wir fordern, dass die Regierung alles daran setzt, dass ein Klimageld so schnell wie möglich kommt.«

Nach Rechnung der Verbraucherzentralen geht das aber nicht auf. Die Gesamteinnahmen der Regierung durch den CO2-Preis seien deutlich höher als die direkte Entlastung.

Interview (Bezahlschranke)

© dpa-infocom, dpa:231221-99-368874/5