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Lula warnt vor »grünem Neokolonialismus«

Brasiliens Präsident will den Umweltschutz stärken, sich von den Industrieländern aber keine Vorschriften machen lassen. Lula meint: Die reichen Länder sollen erstmal ihrer eigenen Verantwortung nachkommen.

»Amazonas-Gipfel«
Der brasilianische Präsident Lula fordert die Industriestaaten auf, ihren eigenen Beitrag zum Klima- und Umweltschutz zu leisten. Foto: Filipe Bispo/DPA
Der brasilianische Präsident Lula fordert die Industriestaaten auf, ihren eigenen Beitrag zum Klima- und Umweltschutz zu leisten.
Foto: Filipe Bispo/DPA

Zum Abschluss eines »Amazonas-Gipfels« hat sich Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva Belehrungen über Umweltschutz aus den Industrieländern verbeten.

»Wir können keinen grünen Neokolonialismus akzeptieren, der unter dem Deckmantel des Umweltschutzes Handelshemmnisse und diskriminierende Maßnahmen einführt und unsere nationalen Regelwerke und Politiken außer Acht lässt«, sagte Lula bei dem Treffen in der brasilianischen Amazonas-Metropole Belém.

Zuvor schon hatte der Gastgeber des Gipfels die von Brüssel geforderte Zusatzerklärung zum geplanten Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und dem südamerikanischen Wirtschaftsbündnis Mercosur kritisiert. Eine solche Erklärung zu Klima, Umwelt und Menschenrechten wäre eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay und würde sie in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung bremsen.

Lula forderte die Industriestaaten auf, ihren eigenen Beitrag zum Klima- und Umweltschutz zu leisten. »Die reichsten zehn Prozent der Weltbevölkerung verfügen über mehr als 75 Prozent des Reichtums und emittieren fast die Hälfte des gesamten Kohlenstoffs, der in die Atmosphäre gelangt. Die Umwelt- und Ökosystemleistungen, die die Tropenwälder für die Welt erbringen, müssen fair und gerecht entlohnt werden.«

Der Amazonas-Regenwald gilt als CO2-Speicher und hat eine wichtige Funktion im internationalen Kampf gegen den Klimawandel. Am zweiten Tag des Gipfels suchten die südamerikanischen Anrainer-Staaten den Schulterschluss mit anderen regenwaldreichen Ländern aus Afrika und Asien. An dem Treffen nahmen auch Vertreter des Kongo, der Demokratischen Republik Kongo, Indonesiens sowie aus Sankt Vincent und den Grenadinen teil.

Länder wollen stärker gegen Abholzung vorgehen

In einer gemeinsamen Stellungnahme bekräftigten die Länder, den Kampf gegen die Abholzung der Regenwälder verstärken zu wollen. Zugleich forderten sie die Industriestaaten auf, wie versprochen 100 Milliarden US-Dollar (etwa 91 Milliarden Euro) pro Jahr für Klimaschutz in Entwicklungsländern bereitzustellen. »Diese Zusage wurde nie umgesetzt. Und mittlerweile entspricht sie schon nicht mehr dem aktuellen Bedarf«, sagte Lula. So sollten von 2030 jährlich 200 Milliarden Dollar fällig werden.

Am Dienstag waren die Staats- und Regierungschefs der Amazonasländer erstmals seit 14 Jahren wieder zusammengekommen, um über Umweltschutz und nachhaltige Entwicklung zu beraten. In der Abschlusserklärung wurden die Gründung einer Amazonas-Allianz gegen Abholzung, ein gemeinsames Luftverkehrskontrollsystem gegen das organisierte Verbrechen und engere Zusammenarbeit in den Bereichen Wissenschaft, Finanzen und Menschenrechte vereinbart. Kritiker bemängelten, dass verbindliche Ziele fehlen.

»Die Erklärung enthält keine klaren Maßnahmen, um auf die Krise, mit der die Welt konfrontiert ist, zu reagieren. Es gibt keine Ziele oder Fristen für die Beendigung der Entwaldung, und es wird auch nicht erwähnt, dass die Ölförderung in der Region eingestellt werden soll«, sagte der Direktor von Greenpeace Brasilien, Leandro Ramos. »Ohne diese Maßnahmen werden die Amazonasländer nicht in der Lage sein, ihre derzeitige räuberische Beziehung zum Wald, seiner biologischen Vielfalt und seinen Bewohnern zu ändern.«

© dpa-infocom, dpa:230809-99-786291/2