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Lukaschenko warnt vor Atomkrieg

Der belarussische Machthaber Lukaschenko fordert Kiew und Moskau zu Friedensgesprächen auf. Derweil droht Russland angesichts westlicher Waffenlieferungen mit mehr Angriffen auf die Ukraine. Die aktullen Entwicklungen.

Alexander Lukaschenko
»Ihr von der Nato, ihr Amerikaner wolltet diesen Krieg«: Alexander Lukaschenko. Foto: Markus Schreiber
»Ihr von der Nato, ihr Amerikaner wolltet diesen Krieg«: Alexander Lukaschenko.
Foto: Markus Schreiber

Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko hat den Westen im Ukrainekrieg zu Verhandlungen aufgefordert - und vor einem Atomkrieg gewarnt.

»Wir dürfen nicht weiter gehen, denn dort ist der Abgrund mit einem Atomkrieg«, sagte er laut der staatlichen belarussischen Nachrichtenagentur Belta. Seine Rolle in dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine beschrieb er als »friedensstiftend«. Kiew sieht Minsk nicht als neutral in dem Konflikt an, nachdem zu Kriegsbeginn russische Truppen auch von belarussischem Territorium aus die Ukraine angegriffen haben.

Lukaschenko bestätigte in dem Interview, dass er der französischen Nachrichtenagentur AFP gab, dass er auf der Seite Russlands stehe. Dies tue er nicht nur wegen der Bündnispflicht, sondern weil Russland ohne den Start der Militäroperation selbst von der Nato angegriffen worden wäre. »Ihr von der Nato, ihr Amerikaner wolltet diesen Krieg«, behauptete Lukaschenko. Damit wiederholte er die offizielle Position Moskaus, wonach der russische Angriff nur einer Attacke der vom Westen unterstützten Ukraine zuvorgekommen sei.

Trotzdem sprach sich Lukaschenko für schnelle Verhandlungen aus. »Lasst uns einhalten und dann klären wir, wie wir weiter leben«, sagte er.

Ukrainischer Außenminister: Russland will Blut statt Verhandlungen

Die Ukraine reagierte empört darauf, dass Russland mit der Einnahme weiterer Gebiete gedroht hatte. »Russland verwirft die Diplomatie und ist auf Krieg und Terror konzentriert«, schrieb der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba auf Twitter. Anstelle von Verhandlungen seien die Russen auf Blutvergießen aus. Zuvor hatte Russlands Außenminister Lawrow erklärt, Moskaus Gebietsforderungen an Kiew seien mittlerweile größer als noch zu Kriegsbeginn Ende Februar.

Nach dem Einmarsch ins Nachbarland hatte der Kreml von Kiew vor allem die Abtretung der 2014 annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim sowie die der ostukrainischen Gebiete Donezk und Luhansk gefordert. Die Ukraine lehnte das klar ab. Nun verweist Moskau auf westliche Waffenlieferungen, die angeblich eine Bedrohung für die prorussischen Separatistengebiete Luhansk und Donezk darstellen sollen. Deshalb wolle man die ukrainische Armee noch weiter zurückdrängen als ursprünglich geplant, heißt es aus Moskau.

Selenskyj: Russland nutzt Ukraine als Testfeld

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj selbst warf Russland unterdessen vor, die Ukraine als Testfeld für mögliche Angriffe gegen andere europäische Staaten zu nutzen. »Russland testet in der Ukraine alles, was gegen andere europäische Länder eingesetzt werden kann«, sagte Selenskyj. »Es fing mit Gaskriegen an und endete mit einer großangelegten Invasion, mit Raketenterror und niedergebrannten ukrainischen Städten.«

Medwedew: »Ukraine könnte von der Weltkarte verschwinden«

Derweil stellen führende russische Politiker einmal mehr das weitere Fortbestehen der Ukraine als souveränen Staat infrage. Dmitri Medwedew, Ex-Präsident und jetziger Vizechef des russischen Sicherheitsrates, veröffentlichte am Donnerstag eine Liste von Dingen, »an denen Russland nicht schuld ist«. Ein Punkt lautet: »Daran, dass die Ukraine infolge aller Geschehnisse die Reste staatlicher Souveränität verlieren und von der Weltkarte verschwinden könnte.«

Das Nachbarland habe bereits 2014 den Großteil seiner Souveränität eingebüßt, als es sich unter die »direkte Kontrolle des kollektiven Westens« begeben habe, behauptete Medwedew, der zwischen 2008 und 2012 Präsident war. Der 56-Jährige ist ein enger Vertrauter von Kremlchef Wladimir Putin und seit Russlands Einmarsch in die Ukraine Ende Februar immer wieder mit Drohungen und scharfen Äußerungen gegen die Führung in Kiew aufgefallen.

US-Regierung liefert weitere Mehrfach-Raketenwerfer

Die US-Regierung will der Ukraine vier weitere Mehrfach-Raketenwerfer vom Typ Himars liefern. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin sagte bei Online-Beratungen der sogenannten Ukraine-Kontaktgruppe aus Dutzenden Staaten, die bisher gelieferten Himars-Raketenwerfer hätten »auf dem Schlachtfeld so viel bewirkt«. Als Teil des nächsten Pakets für die Ukraine würden die USA außerdem weitere Waffen, Munition und Ausrüstung liefern, darunter Raketen und Artilleriegeschosse. Details würden im Laufe der Woche bekanntgegeben.

Austin sagte bei einer Pressekonferenz nach den Beratungen, es habe »viele neue Ankündigungen« der Verteidigungsminister und Armeechefs aus den mehr als 50 teilnehmenden Staaten gegeben. »Wir sehen, dass Länder aus der ganzen Welt weiterhin dringend benötigte Systeme und Munition zur Verfügung stellen.« Konkreter wurde er nicht.

Die USA sind der wichtigste Waffenlieferant für die Ukraine. Bislang haben sie laut US-Generalstabschef Mark Milley neben zahlreichen anderen Waffensystemen bereits zwölf Himars-Systeme geliefert.

Die ukrainische Präsidentengattin Olena Selenska hatte die USA bei einer Rede im Kapitol in Washington eindringlich um mehr Waffen und speziell um Luftabwehrsysteme gebeten.

Europol warnt vor Waffenschmuggel aus der Ukraine

Die europäische Polizeibehörde Europol hat Hinweise auf Waffenschmuggel aus der Ukraine. Es gebe Fälle von Schwarzmarkthandel mit Schusswaffen und militärischen Gütern, bestätigte der Sprecher von Europol, Jan Op Gen Oorth, in Den Haag der Deutschen Presse-Agentur. Ermittler aus den EU-Mitgliedsstaaten hätten auch Hinweise auf den Handel mit schweren militärischen Waffen. »Das Risiko besteht, dass diese in die Hände des organisierten Verbrechens oder von Terroristen fallen«, sagte der Sprecher. Der Europol-Sprecher sprach von besorgniserregenden Risiken.

Verstöße gegen das Völkerrecht

Das Wahl- und Menschenrechts-Büro ODIHR der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) warf den russischen Truppen schwerwiegende und massenhafte Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht seit Kriegsbeginn vor. Besonders gravierende Fälle seien der Beschuss des Theaters voller Flüchtlinge in Mariupol Mitte März und des belebten Bahnhofs von Kramatorsk Anfang April.

Entsetzt zeigten sich die Experten auch über die Belagerung von Städten, deren Bewohnern keine Möglichkeit zur Evakuierung gegeben worden sei. Zeugen hätten von vielen Fällen illegaler Hinrichtungen, Inhaftierungen, Folter, sexueller Gewalt und Entführungen berichtet.

Auch die ukrainische Armee habe gegen humanitäres Völkerrecht verstoßen, wenn auch in geringerem Maße, heißt es in dem ODIHR-Bericht. Zudem würden beide Seiten im Umgang mit Kriegsgefangenen das geltende Völkerrecht verletzen.

© dpa-infocom, dpa:220721-99-99603/6