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London: Russland kann Flugzeugverluste nicht ausgleichen

Russland soll laut britischem Geheimdienst bereits rund 300 Militärflugzeuge verloren haben - doppelt so viele wie in Afghanistan. Berichtet wird auch über massive Verluste von Soldaten einer russischen Einheit.

Militärflugzeug
Ein Teil des Leitwerks eines zerstörten russischen Militärflugzeugs vom Typ SU-25. Foto: Aleksandr Gusev
Ein Teil des Leitwerks eines zerstörten russischen Militärflugzeugs vom Typ SU-25.
Foto: Aleksandr Gusev

Russland kann nach Einschätzung britischer Geheimdienst-Experten die Verluste an Flugzeugen beim Angriffskrieg in der Ukraine nicht wettmachen.

»Die russischen Flugzeug-Verluste übersteigen wohl ihre Fähigkeit neue Flugwerke herzustellen erheblich«, hieß es im täglichen Update des britischen Verteidigungsministeriums zum Ukraine-Krieg. Auch die lange Zeit, die zur Ausbildung kompetenter Piloten notwendig sei, reduziere die Fähigkeit Moskaus, seine Luftwaffen-Kapazitäten zu regenerieren.

Ukrainischen Angaben zufolge hätten die russischen Streitkräfte seit Beginn der Invasion bereits 278 Flugzeuge verloren - doppelt so viele wie in Afghanistan, so die Briten. »Wir können diese Zahlen nicht verifizieren, aber das anhaltende Fehlen russischer Lufthoheit wird wahrscheinlich verstärkt durch schlechtes Training, den Verlust erfahrener Crews und erhöhte Risiken durch enge Luftunterstützung in mit engmaschiger Luftabwehr ausgestatteten Zonen«, hieß es in der Mitteilung weiter. Das werde sich wohl in den kommenden Monaten nicht ändern.

Russische Einheit soll in vier Tagen 300 Soldaten verloren haben

Zudem soll eine Einheit russischer Marineinfanteristen binnen vier Tagen 300 Mann bei Kämpfen im Gebiet Donezk verloren haben. Das geht aus einem Beschwerdebrief von Angehörigen der 155. Marineinfanterie-Brigade der russischen Pazifikflotte hervor, über den das unabhängige Portal »The Insider« berichtete. Der Telegram-Kanal »Grey Zone«, der Verbindungen zu der Söldnertruppe Wagner haben soll, veröffentlichte das an den Gouverneur des Gebiets Primorje, Oleg Koschemjako, gerichtete Schreiben. Die Soldaten seien tot, verwundet oder würden vermisst, hieß es.

Koschemjako räumte zwar schwere Kämpfe und Verluste in der 155. Brigade ein. Diese seien aber »bei weitem nicht so hoch« wie in dem Brief der Soldaten vom Sonntag angegeben, sagte er in einer auf seinem offiziellen Telegram-Kanal veröffentlichten Videobotschaft. Das hätten die Kommandeure an der Front ihm versichert. Die Militärstaatsanwaltschaft sei eingeschaltet worden, um in der Sache zu ermitteln.

Auch nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums erlitt die Einheit keine hohen Verluste. Dank des »kompetenten Handelns« der Kommandeure habe die Einheit nicht mehr als ein Prozent ihres Kampfpersonals verloren, und nicht mehr als sieben Prozent seien verwundet worden, erklärte das Ministerium. Die 155. Brigade führe seit mehr als zehn Tagen »effektive Angriffshandlungen« gegen ukrainische Streitkräfte und »ausländische Söldner« in Richtung der Stadt Wuhledar aus. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.

Die Soldaten der 155. Brigade stellten die Lage im Kampfgebiet in ihrem Brief so dar: Wieder einmal hätten ihre Kommandeure die Einheit »in eine unverständliche Offensive« geworfen, nur damit die Befehlshaber Prämien erhielten oder zum »Helden Russlands« ernannt würden, hieß es in dem Schreiben. Infolge der »sorgfältig« geplanten Offensive der »großen Feldherren« bei dem Ort Pawliwka im Gebiet Donezk habe die Einheit rund 300 Mann sowie die Hälfte ihrer Technik verloren. »Und das ist nur unsere Brigade.«

Wieder einmal hätten ihre Kommandeure die Einheit »in eine unverständliche Offensive« geworfen, nur damit die Befehlshaber Prämien erhielten oder zum »Helden Russlands« ernannt würden, hieß es in dem Schreiben der Soldaten an den Gouverneur der fernöstlichen Region Primorje. Infolge der »sorgfältig« geplanten Offensive der »großen Feldherren« bei dem Ort Pawliwka im Gebiet Donezk habe die Einheit rund 300 Mann sowie die Hälfte ihrer Technik verloren. »Und das ist nur unsere Brigade.«

Die Soldaten forderten die Entsendung einer unabhängigen Kommission - »nicht aus dem Verteidigungsministerium« -, um die Kommandeure ihrer Einheit zur Rechenschaft zu ziehen. Die Befehlshaber verheimlichten die tatsächlichen Verluste. Sie scherten sich um nichts. »Sie nennen Menschen Fleisch.«

Kiew und Moskau melden Zerstörungen nach Beschuss

Unterdessen werfen sich Ukrainer und Russen nach neuem gegenseitigen Beschuss Zerstörung von ziviler Infrastruktur vor. Am Morgen hätten russische Truppen ein Dorf im Gebiet Saporischschja beschossen, sagte der Vizechef des Präsidialamtes, Kyrylo Tymoschenko. 16 Objekte ziviler Infrastruktur seien dabei zerstört worden. Ein Mensch sei gestorben. Im Gebiet Sumy hätten die »russischen Terroristen« Grenzregionen beschossen. Dabei seien ein Mensch getötet und ein weiterer verletzt worden. Auch die Behörden in den von Russland besetzten Gebieten klagten über Beschuss von ukrainischer Seite.

In der von russischen Truppen kontrollierten Großstadt Donezk wurde nach Angaben der Behörden die Zentrale der Eisenbahnverwaltung getroffen. In dem schwer beschädigten Gebäude brach ein Brand aus, wie auf von der Stadtverwaltung veröffentlichten Fotos zu sehen war. Es gab keine Informationen zu Verletzten.

Angespannt war die Lage weiter in Cherson. Dort würden die ukrainischen Streitkräfte ihre Truppen konzentrieren, sagte der von Russland eingesetzte Vize-Verwaltungschef Kirill Stremoussow. Die Evakuierung der Region gehe weiter. Vor allem Menschen, die nicht selbst gehen könnten, sollten in Sicherheit gebracht werden. Teils gebe es Stromausfälle. An der Front sei die Lage unverändert, sagte Stremoussow. Die Ukraine hatte immer wieder angekündigt, Stadt und Gebiet Cherson zu befreien.

© dpa-infocom, dpa:221107-99-414680/5