Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner will für die kommenden Jahre auch den Kernbereich der Verteidigungsausgaben deutlich erhöhen.
»Also meine Absicht ist schon, dass es in den nächsten Jahren sichtbare Aufwüchse auch im Einzelplan 14 gibt. Mindestens wird es keinen Abbruch geben«, sagte Lindner in seinem Podcast »CL+«, der heute veröffentlicht wurde und der Deutschen Presse-Agentur vorab in Auszügen vorlag. »Also es wird nicht so sein: Wir machen zwei Prozent und dann plumpsen wir zurück auf 1,4, wenn das Sondervermögen aufgebraucht ist. Das wird sichergestellt.«
Forderung nach schnelleren Verfahren im Verteidigungsbereich
Für die Modernisierung der deutschen Streitkräfte hat die Bundesregierung ein Sondervermögen über 100 Milliarden Euro aufgelegt, mit dem im Durchschnitt mehrerer Jahre das Nato-Ziel von Verteidigungsausgaben in Höhe von zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes erreicht wird.
Unklar ist noch, wie es danach weitergeht. Aktuell soll der Verteidigungshaushalt um 1,7 Milliarden Euro auf nunmehr rund 51,8 Milliarden Euro steigen. Nach früheren Schätzungen müssten künftig jährlich etwa 15 Milliarden Euro oder mehr bereitgestellt werden, sobald das Sondervermögen ausgegeben ist.
Lindner hatte in seinem Podcast Claudia Major zu Gast, die Forschungsgruppenleiterin für Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Er forderte, die staatlichen Verfahren im Verteidigungsbereich »müssen natürlich unendlich viel schneller, besser und effektiver werden«.
Die deutsche und die europäische Rüstungsindustrie müssten ihre Kapazitäten dauerhaft erhöhen. Lindner sagte: »Auch andere europäischen Nationen werden mehr tun für ihre Verteidigung und werden das teilweise auch tun mit Gerät und Ausrüstung aus deutscher Produktion. Und damit die Kapazitäten aufgebaut werden, braucht man eine gewisse Verlässlichkeit.«
Lindner unzufrieden mit Nationaler Sicherheitsstrategie
Mit der neuen Nationalen Sicherheitsstrategie der Bundesregierung ist Lindner so nicht zufrieden. Wichtig sei zwar, dass überhaupt ein strategischer Diskurs begonnen worden sei. Aber das Dokument selbst sei nicht konkret von Zielen zu Maßnahmen. Es fehle auch eine »institutionelle Basierung«, also eine zentrale Schaltstelle.
»Es war jetzt innerhalb der Bundesregierung nicht erreichbar, einen Nationalen Sicherheitsrat zu schaffen, wo in einem formalisierten Rahmen institutionalisiert über diese Fragen gesprochen wird und daran gearbeitet wird«, sagte Lindner. »Jawohl, wir haben ein Sicherheitskabinett, wo die mit Sicherheitsfragen befassten Ministerien zusammenkommen, anlassbezogen. Jawohl, wir haben einen Bundessicherheitsrat, der aber mehr oder weniger konzentriert ist auf Fragen des Rüstungsexports als Geheimgremium.« Er habe sich einen Nationalen Sicherheitsrat gewünscht, wo systematisch und übergreifend an der Konkretisierung der Strategie und ihrer Umsetzung gearbeitet werde.
Lindner mahnte, Deutschland müsse die eigene Politik »in vielerlei Hinsicht umstellen«. Diese Notwendigkeit ergebe sich auch daraus, dass der russische Präsident Wladimir Putin seine Kriegsziele in der Ukraine unter keinen Umständen erreichen dürfe. »Die Frage wäre sofort: Wer ist der Nächste? Wo geht es jetzt weiter?«, sagte Lindner. Und: »Die Glaubwürdigkeit auch der gesamten Friedens- und Freiheitsordnung in Europa würde zusammenbrechen.«
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