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Libanon bald ohne Präsident und Regierung

Der Libanon leidet weiter unter der schwersten Wirtschafts- und Finanzkrise seiner Geschichte. Auch politisch steuert das Land auf ungewisse Zeiten zu.

Libanon
Anhänger des scheidenden libanesischen Präsidenten Michel Aoun versammeln sich vor dem Präsidentenpalast, um ihn zu verabschieden. Foto: Marwan Naamani
Anhänger des scheidenden libanesischen Präsidenten Michel Aoun versammeln sich vor dem Präsidentenpalast, um ihn zu verabschieden.
Foto: Marwan Naamani

Der Libanon steuert mit dem Abschied des bisherigen Präsidenten Michel Aoun nach sechsjähriger Amtszeit auf eine Zeit ohne Staatschef und Regierung zu. Der 89-Jährige verließ seinen Präsidialpalast in Beirut am Sonntag.

Hunderte Anhänger versammelten sich auf der Straße. Die Nachfolge ist immer noch offen, weil die führenden Parteien des krisengeschüttelten Mittelmeer-Landes in einem bitteren Machtkampf stecken. Aouns Amtszeit läuft nach sechs Jahren an diesem Montag um Mitternacht aus.

Kurz zuvor unterzeichnete der scheidende Staatschef noch ein Dekret, mit dem die geschäftsführende Regierung von Ministerpräsident Nadschib Mikati zurücktrat. »Heute endet eine Phase und eine weitere beginnt. Sie erfordert Anstrengung und viel Arbeit, damit wir unsere Krisen beenden können«, sagte Aoun in einer Rede vor dem Palast. »Heute markiert das Ende einer Mission.« Anhänger schwenkten orangefarbene Flaggen seiner Partei FPM und Poster des Staatschefs.

Drei Viertel der Bevölkerung lebt unter Armutsgrenze

Der Libanon leidet unter der schwersten Wirtschafts- und Finanzkrise seiner Geschichte. Zudem spüren die Menschen noch immer die Folgen der verheerenden Explosion im Hafen der Hauptstadt Beirut vor mehr als zwei Jahren. Mittlerweile leben drei Viertel der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Die einheimische Währung hat mehr als 95 Prozent ihres Wertes verloren.

Viele Libanesen machen den bisherigen Präsidenten und seine Verbündeten bei der Iran-treuen Hisbollah für die Missstände verantwortlich. Aoun wiederum kritisierte Zentralbankchef Riad Salamah, gegen den wegen des Verdachts auf Geldwäsche auch in Europa ermittelt wird. Es sei nicht gelungen, Salamah vor Gericht zu bringen, sagte Aoun. »Wir steuern ins Ungewisse«, sagte ein Kommentator im Fernsehsender Lebanese New TV.

Ein Banker im Geschäftsviertel Hamra sagte, Aoun habe das Land »in iranische Hände« getrieben. Eine Hausfrau sagte: »Sie feiern, dass der Libanon jetzt bankrott ist. Die meisten Libanesen leben in Armut. Wir haben keinen Strom und die meisten unserer Kinder leben im Ausland, um ihre Zukunft zu sichern.« Der Libanon hat knapp sieben Millionen Einwohner.

© dpa-infocom, dpa:221030-99-319587/2