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»Let's finish the job«: Joe Biden will es noch mal wissen

Monatelang deutet Biden seine Wiederwahl-Ambitionen an, nun ist es offiziell. Auf dem Papier hat er einiges vorzuweisen. Doch das größte Problem bleibt sein Alter. Umfragen zeigen: Die Amerikaner sind skeptisch.

Joe Biden
US-Präsident Joe Biden will 2024 noch einmal kandidieren. Foto: Patrick Semansky
US-Präsident Joe Biden will 2024 noch einmal kandidieren.
Foto: Patrick Semansky

Es geht nicht ohne Pathos. Es gehe um die Freiheit jedes Einzelnen, um Demokratie, um Grundwerte, um die »Seele der Nation«, sagt Joe Biden, als er am Dienstag verkündet, dass er noch mal für eine zweite Amtszeit antritt.

Mit einer Botschaft auf Twitter und einem dreiminütigen Video steigt der 80-Jährige offiziell ins Präsidentschaftsrennen für die Wahl im kommenden Jahr ein.

Bidens Botschaft

In dem Clip zeichnet Biden ein Bild von Amerika in zwei Versionen. Da wäre das freundliche, gerechte Amerika mit einem lächelnden Biden, der Hände schüttelt, Menschen umarmt, mit Arbeitern schwatzt, mit Kindern scherzt. Daneben - nach Bidens Lesart - ein düsteres, unsoziales Amerika mit extremen Republikanern wie Donald Trump, Ron DeSantis oder Marjorie Taylor Greene, in dem Randalierer den Kongress stürmen und Radikale den Frauen das Recht auf Abtreibung nehmen. Bidens Botschaft: Ihr habt die Wahl - die oder ich.

Mit der morgendlichen Twitter-Nachricht macht Biden offiziell, was er seit Monaten angedeutet hat. Der Termin für die Verkündung ist nicht zufällig gewählt: Auf den Tag genau vor vier Jahren machte er seine vorherige Präsidentschaftsbewerbung öffentlich - wie jetzt: mit einer Video-Botschaft auf Twitter am frühen Morgen. Damals war Trump noch Präsident, das Land in chaotischem Zustand, und Bidens Botschaft simpel: Es geht hier um alles, und ich bin der richtige Mann dafür. Biden argumentierte damals, das Land würde noch mal vier Jahre Trump nicht überstehen. Die USA seien im »Kampf um die Seele der Nation«.

»Und das sind wir immer noch«, sagt er nun. »Dies ist nicht die Zeit, um selbstgefällig zu sein.« Es stehe weiter viel auf dem Spiel. Nun ist Biden seit gut zwei Jahren selbst an der Macht. Einiges habe sich seitdem gebessert, doch radikale Republikaner wollten vieles zurückdrehen, warnt er. Seine Kern-Botschaft ist deshalb: »Let's finish the job.« Lasst uns die Arbeit zu Ende bringen.

Das Problem mit dem Alter

Während es bei vielen Vorgängern Standard war, dass sie sich um eine Wiederwahl bewerben, war genau das bei Biden lange fraglich. Denn der Demokrat zog 2021 bereits als ältester Präsident aller Zeiten ins Weiße Haus ein. Bei der Wahl Anfang November 2024 wird Biden 81 sein, beim Start in eine zweite Amtszeit wäre er 82, am Ende dann 86. Ist ein siebenfacher Großvater in dem Alter der richtige Mann, um einen der härtesten Jobs der Welt zu machen? Einige haben daran Zweifel.

Erst am Wochenende veröffentlichte der Fernsehsender NBC eine für Biden wenig schmeichelhafte Umfrage. Demnach sind 70 Prozent der Amerikaner der Meinung, Biden sollte nicht noch mal als Präsident antreten. Etwa die Hälfte der befragten Biden-Skeptiker gab dabei an, sein Alter sei ein wesentlicher Grund für ihre Zurückhaltung.

Auch bei den Demokraten wurde Bidens Alter in den vergangenen Monaten wild diskutiert, vor allem hinter den Kulissen, aber auch öffentlich. Der demokratische Abgeordnete David Trone formulierte es so: »Ich wünschte, er wäre 30 Jahre jünger, 20 Jahre jünger, 10 Jahre jünger. Aber es ist, wie es ist.« Begeisterung klingt anders.

Statt Enthusiasmus oder Aufbruchsstimmung herrscht bei vielen Demokraten eher zurückhaltende bis widerwillige Akzeptanz für Biden als erneuten Spitzenmann. Gemischt mit dem Eindruck, dass die Partei ansonsten niemanden aufzubieten hat, der noch mal Trump verhindern könnte - oder einen wie Trump, Floridas Gouverneur DeSantis etwa.

Wo Biden punktet

Biden bringt viel politische Erfahrung mit, er verspricht Stabilität und Mäßigung, fernab von jedem Extrem. Einige sahen Biden aber eher als Übergangspräsidenten, der nach vier Jahren Trump wieder Ruhe reinbringen würde ins Land - und der dann abgibt an jemand Jüngeren. Biden selbst bezeichnete sich im Wahlkampf 2020 mal als »Brücke« für die nächste Generation. Doch er lässt nicht los. Auch weil keine Nachfolge auf der Hand liegt. Vizepräsidentin Kamala Harris, die eine natürliche Nachfolgerin wäre, machte eine weit schwächere Figur als erwartet. Biden hat sich dennoch auf Harris festgelegt als Vize für seine Wiederwahl-Kampagne, weil sie als Frau und Schwarze wichtige Wählergruppen abdeckt. Das Problem: Beim ältesten Präsidenten der US-Geschichte richtet sich der Blick mehr denn je auf den Stellvertreter - für den Fall, dass der Chef ausfällt.

Politisch lieferte Biden in den vergangenen zwei Jahren einiges ab: Trotz hauchdünner Mehrheiten im Kongress setzte er mehrere milliardenschwere Investitionspakete durch. Und bei der Kongresswahl im vergangenen November schnitten seine Demokraten überraschend gut ab. Das gab Biden einen Schub und stärkte seine Position.

Auch international konnte Biden teils punkten, etwa mit Blick auf den Ukraine-Krieg. Die USA nahmen unter ihm die alte Führungsrolle bei der Koordinierung der Krise ein. Biden inszenierte sich als Vorkämpfer der Demokratie, als der Verteidiger der freien Welt. Und mit einem bildstarken Blitzbesuch in Kiew im Herzen des Kriegslandes im Februar ließ er jene Kritiker verstummen, die anzweifelten, ob ein älterer Herr wie er noch das Zeug zu Kriseneinsätzen dieser Art habe.

Bidens Angriffsfläche

Doch es gibt auch die anderen Momente. Der mächtigste Mann der Welt verhaspelt sich regelmäßig bei Auftritten, sucht nach Wörtern, vertauscht Zahlen, verwechselt mal Orte, mal Personen. Patzer passieren jedem, doch bei Biden häuft es sich - nicht nur, weil er seit seiner Kindheit ein Stotterproblem hat und komplizierte Wörter manchmal schlicht nicht über die Lippen bringt. Auch inhaltlich muss das Weiße Haus öfter Aussagen des Chefs nachträglich einfangen. Und stürzt er auf der Treppe zum Flugzeug, hält die Welt stets kurz den Atem an. Seinen Gegnern bietet all das viel Angriffsfläche.

Republikaner schlachten schon jetzt jeden Fehltritt Bidens für ihren Wahlkampf aus. Das dürfte nur zunehmen, je älter Biden wird. Trump nennt Biden seit jeher »Sleepy Joe«, den »Schläfrigen Joe«, obwohl er selbst 76 ist und sich Häme bei dem Thema eigentlich kaum erlauben kann. DeSantis (44) dagegen ist 36 Jahre jünger als Biden und hat schon einen Vorgeschmack darauf gegeben, wie er das Alter seines potenziellen Kontrahenten im Wahlkampf angehen könnte.

Trump hat schon im November verkündet, dass er 2024 noch mal antritt. DeSantis lässt mit einer Ansage noch auf sich warten. Die beiden gelten als chancenreichste Anwärter in einem mutmaßlich großen republikanischen Bewerberfeld - und bislang führt Trump das Feld an. Amerika könnte es also durchaus mit einem Re-Match zwischen Biden und Trump zu tun bekommen: wieder ein Wahlkampf von zwei weißen alten Männern also. Die Begeisterung darüber hält sich in Umfragen ebenfalls sehr in Grenzen. Für beide dürfte es nicht leicht werden, im Wahlkampf echten Schwung im Land zu entzünden.

© dpa-infocom, dpa:230425-99-443378/2