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Lehrermangel: Schulen setzen verstärkt auf Seiteneinsteiger

An den Schulen fehlen immer mehr Lehrkräfte. Dies ist einer Umfrage zufolge für die meisten Schulleitungen das größte Problem. Auch der Seiteneinstieg ist nicht das Allheilmittel.

Schriftzug »Schule«
An einer Wand in der Aula einer Grundschule hängt der Schriftzug »Schule«. Foto: Fabian Sommer/DPA
An einer Wand in der Aula einer Grundschule hängt der Schriftzug »Schule«.
Foto: Fabian Sommer/DPA

Schulen in Deutschland setzen angesichts des Lehrkräftemangels immer stärker auf Seiteneinsteiger. Zwei von drei Schulleitungen (66 Prozent) beschäftigen einer Umfrage zufolge an ihren Schulen inzwischen Lehrkräfte, die keine Lehramtsqualifikation erworben haben. Der Anteil ist in den vergangenen fünf Jahren rasant angestiegen, wie aus einer repräsentativen Forsa-Befragung von bundesweit gut 1300 Schulleitungen hervorgeht. 2018 hatten erst 37 Prozent der Schulleitungen angegeben, Seiteneinsteiger einzustellen. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) stellte die Ergebnisse der Umfrage am Freitag beim Schulleitungskongress in Düsseldorf vor.

Der Lehrkräftemangel wird von 62 Prozent der Schulleitungen weiterhin als das größte Problem angesehen. Das waren etwas weniger als im Vorjahr (69 Prozent). Gut ein Drittel nannte Inklusion und Integration als größte Schwierigkeit. Jede vierte Schulleitung beklagte die hohe Arbeitsbelastung und Zeitmangel.

Lehrkräfte-Lücken an allen Schulformen

Die Hälfte der Schulleiter und -leiterinnen gab an, dass mindestens eine Lehrerstelle zum Beginn des laufenden Schuljahres nicht besetzt gewesen sei. Bei 17 Prozent von ihnen waren sogar drei oder mehr Stellen vakant. Seiteneinsteiger werden der Umfrage zufolge über alle Schulformen hinweg als Lehrkräfte eingestellt.

An den Schulen, bei denen bereits Lehrkräfte fehlten, verschlimmere sich die Situation sogar noch, hieß es in einem schriftlichen Statement des stellvertretenden VBE-Bundesvorsitzendem, Tomi Neckov. Etwa jede fünfte Schulleitung (22 Prozent) sagte demnach, dass an ihrer Schule inzwischen mehr als 15 Prozent der Lehrkräfte fehlten. 2021 hatte diesen großen Lehrermangel noch etwa jede sechste Schulleitung (16 Prozent) beklagt.

Für den VBE liegt die Erklärung auf der Hand: »Es gibt Schulen in bestimmten Vierteln oder Regionen, die beliebter sind als andere und vielleicht auch weniger Schwierigkeiten haben, offene Stellen zu besetzen«, erklärte Neckov. Und es gebe Schulen, die starke Probleme hätten, Lehrkräfte zu finden. »Dort, wo es die größten Herausforderungen gibt, fehlen die meisten Lehrkräfte.«

Vorteile und Nachteile bei Seiteneinsteigern

Die Einstellung von Seiteneinsteigern sieht der Bildungsverband teils mit Skepsis. Teilweise würden Menschen unterschiedlichster beruflicher Hintergründe ohne angemessene Vorqualifizierung in Schulen eingesetzt. Mit der richtigen Qualifizierung könnten Seiteneinsteiger aber bereichernd sein. Der Lehrkräftemangel wirke wie ein Katalysator für den Seiteneinstieg.

»Der einzige Lichtblick ist, dass durch Seiteneinsteigende der akute Mangel etwas eingedämmt werden kann und der Zukunftsblick in diesem Jahr etwas besser ausfällt«, so Neckov. So erwarte rund ein Viertel der Schulleitungen, künftig weniger stark vom Lehrkräftemangel betroffen zu sein. Drei von vier Schulleitungen (75 Prozent) schätzen allerdings, dass ihre Schule in Zukunft vom Lehrkräftemangel stark oder sehr stark betroffen sein wird. Dabei handelt es sich häufig um Haupt-, Real- und Gesamtschulen sowie Förder- und Sonderschulen.

Probleme mit Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung

Kritisch sieht der Bildungsverband den künftigen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung an Grundschulen (OGS). So sage ein Drittel der Grundschulleitungen, dass ihre jeweilige Kommune die Umsetzung bis zum Schuljahr 2026/27 nicht sicherstellen könne. Ab 2026/2027 tritt bundesweit der Rechtsanspruch auf einen OGS-Platz zunächst in den ersten Klassenstufen in Grundschulen in Kraft.

Trotz aller Belastungen üben der Umfrage zufolge insgesamt 83 Prozent der befragten Schulleitungen ihren Beruf sehr gern oder eher gern aus - etwas mehr als im Vorjahr. Nur 16 Prozent gehen ungern zur Arbeit.

Immer mehr Schulleiter empfinden indes die Anspruchshaltung, dass Schule alle gesellschaftlichen Probleme lösen solle, als sehr stark belastend. Der Anteil stieg von 55 Prozent auf 62 Prozent. Das Fazit Neckovs: »Schule kann nicht lösen, was überall woanders schiefläuft.«

© dpa-infocom, dpa:231124-99-61027/2