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Lawrow sieht reale Gefahr eines Dritten Weltkriegs

Die Gefahr eines Weltkriegs dürfe »nicht unterschätzt werden«, sagt Russlands Außenminister Lawrow. Nato-Waffenlieferungen an die Ukraine bezeichnet er als »legitimes Ziel für die russischen Streitkräfte«.

Sergej Lawrow
Russlands Außenminister Sergej Lawrow hält einen dritten Weltkrieg nicht für ausgeschlossen. Foto: Alexander Zemlianichenko
Russlands Außenminister Sergej Lawrow hält einen dritten Weltkrieg nicht für ausgeschlossen.
Foto: Alexander Zemlianichenko

Russlands Außenminister Sergej Lawrow zufolge besteht aktuell eine reale Gefahr eines Dritten Weltkriegs.

»Die Gefahr ist ernst, sie ist real, sie darf nicht unterschätzt werden«, sagte Lawrow in einem Interview im russischen Fernsehen, das das Außenministerium in seinem Telegram-Kanal teilte.

Auf einen Vergleich der aktuellen Situation mit der Zeit der Kubakrise angesprochen sagte Lawrow, dass es »damals tatsächlich nur wenige Regeln gab, geschriebene Regeln«. Aber die »Verhaltensregeln« seien ziemlich klar gewesen - in Moskau sei klar gewesen, wie sich Washington verhalte, und Washington sei klar gewesen, wie sich Moskau verhalte. Auch heute gebe es wenige Regeln, sagte Lawrow weiter und verwies auf den atomaren Abrüstungsvertrag New Start. Aber »gleichzeitig sind alle anderen Instrumente der Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung praktisch zerstört«.

Lawrow: Kein vertrauenswürdiger Kommunikationskanal

Während der Kubakrise habe es zudem einen Kommunikationskanal gegeben, dem die Führer der Sowjetunion und der USA vertrauten. Heute gebe es keinen derartigen Kanal und niemand versuche, ihn zu schaffen.

In der Kubakrise 1962 standen die USA und die Sowjetunion kurz vor einem Atomkrieg. New Start, der Vertrag über die strategische atomare Abrüstung, ist das einzige verbliebene große Abkommen zur Rüstungskontrolle der USA mit Russland. Dieser begrenzt die Nukleararsenale beider Länder auf je 800 Trägersysteme und je 1550 einsatzbereite Atomsprengköpfe.

Russland wird sich in seinem Krieg gegen die Ukraine aus Sicht von Kiews Außenminister Dmytro Kuleba inzwischen seiner Niederlage bewusst. Russland verliere die Hoffnung, der Welt Angst zu machen und spreche deshalb inzwischen von der Gefahr eines Dritten Weltkrieges, meinte Kuleba mit Blick auf Äußerungen seines Kollegen Sergej Lawrow. »Das heißt nur, dass Moskau seine Niederlage in der Ukraine spürt«, schrieb Kuleba in der Nacht zum Dienstag im Kurznachrichtendienst Twitter.

Lettland wies die von Russlands Außenminister Sergej Lawrow heraufbeschworene Gefahr einer Eskalation des Ukraine-Krieges zurück. »Wenn Russland den Dritten Weltkrieg androht, dann ist das ein klares Zeichen dafür, dass die Ukraine Erfolg hat«, schrieb Außenminister Edgars Rinkevics am Dienstag auf Twitter. »Wir sollten der russischen Erpressung nicht nachgeben, sondern unsere Unterstützung für die Ukraine und die Sanktionen gegen Russland verdoppeln.« Nur ein entschlossenes und konsequentes Vorgehen könne internationales Recht und internationale Ordnung wiederherstellen, so der Chefdiplomat des baltischen EU-und Nato-Staates.

Derweil teilte Lawrow weiter mit, Russland betrachte Waffenlieferungen der Nato an die Ukraine als berechtigte Angriffsziele für sein Land. »Natürlich werden diese Waffen ein legitimes Ziel für die russischen Streitkräfte sein«, sagte Lawrow. Lager, auch in der Westukraine, seien bereits mehr als einmal zu solchen Zielen geworden.

»Wie könnte es anders sein«, sagte Lawrow weiter. »Wenn die Nato über einen Stellvertreter de facto in einen Krieg mit Russland tritt und diesen Stellvertreter bewaffnet, dann tut man im Krieg, was man im Krieg tun muss.«

Von den Nato-Ländern kündigten zuletzt immer mehr an, auch direkt schwere Waffen für den Kampf der Ukraine gegen die russischen Angreifer zu liefern. Unter schweren Waffen versteht man Kampf- und Schützenpanzer, schwere Artillerie, Kriegsschiffe, Kampfflugzeuge und -hubschrauber und größere, schwer gepanzerte Fahrzeuge.

Vorwurf: USA und Großbritannien bremsen Verhandlungen

Lawrow hat den USA und Großbritannien vorgeworfen, die Verhandlungen mit der Ukraine zu bremsen. Man wisse mit Sicherheit, dass »weder London noch Washington« dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj raten würde, die Verhandlungen zu beschleunigen, sagte der russische Außenminister. »Sie raten Selenskyj jedes Mal, seine Position zu verschärfen.«

Er behauptete, Kiew zögere die Verhandlungen hinaus. Zuletzt etwa habe die ukrainische Seite angegeben, man habe noch keine Zeit gehabt, sich mit dem neuesten russischen Vorschlag auseinanderzusetzen. Aus Kiew gab es dazu keine Angaben.

Lawrow erklärte zudem, die Positionen der Ukraine seien vom Ausland vorgegeben. »Viele von uns sind überzeugt, dass die wirkliche Position der Ukraine in Washington, London und in anderen westlichen Hauptstädten bestimmt wird«. Deshalb »sagen unsere politischen Analysten, warum mit dem Team von Selenskyj sprechen, man muss mit den Amerikanern reden, mit ihnen verhandeln, eine Art Vereinbarung erzielen«. Von russischer Seite ist zuletzt immer wieder die Eigenständigkeit und das Existenzrecht der Ukraine infrage gestellt worden.

Die Verhinderung eines Nato-Beitritts und ein neutraler Status der Ukraine ist eines der Hauptziele des russischen Angriffskriegs gegen den Nachbarstaat. Selenskyj hatte sich bereit gezeigt, über einen neutralen Status des Landes und Sicherheitsgarantien von Drittstaaten zu reden. Greifbare Ergebnisse bei den Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland gibt es aber bisher nicht.

© dpa-infocom, dpa:220425-99-42247/11