Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat bei einem Besuch in der Ukraine direkte medizinische Hilfe für Kriegsopfer gestartet. Die Unterstützung solle über einen langen Zeitraum gewährt werden, kündigte der SPD-Politiker in der westukrainischen Stadt Lwiw (Lemberg) an.
Dazu gehören auch Prothesen für Kinder und Erwachsene, die in dem seit mehr als drei Monaten dauernden russischen Angriffskrieg Arme oder Beine verloren haben. Nach Treffen mit Opfern und Angehörigen zeigte sich Lauterbach beeindruckt von einem »ungebrochenen Lebenswillen«.
»Dies ist der Beginn einer andauernden Zusammenarbeit«, kündigte der Minister an. Dem ukrainischen Gesundheitsminister Viktor Ljaschko versprach er: »Wir werden alles tun, was wir können, um Sie zu unterstützen in diesem ungerechtfertigten, unmenschlichen und barbarischen Krieg.« Der russische Überfall auf das Nachbarland begann am 24. Februar. Heute schon werden Kriegsopfer nach Deutschland ausgeflogen und behandelt.
Kinder ohne Gliedmaßen
»Ich habe Kinder gesehen, die ihre Gliedmaßen verloren haben«, sagte Lauterbach. Der Minister traf auch Brandopfer und andere Schwerverletzte. Der russischen Armee warf er vor, »sogar medizinische Einrichtungen gezielt« anzugreifen. Begleitet wurde Lauterbach von Ärzten und Prothesen-Spezialisten. Rund 200 Chirurgen und Notfallmediziner hätten sich für einen Einsatz in der Ukraine angeboten, sagte der Minister.
Geplant sind auch Traumazentren für Verletzte sowie Container-Werkstätten zur Herstellung von Prothesen und Versorgung mit Arznei. Ukrainische Kliniken sollten an eine telemedizinische Beratung für die Behandlung Schwerverletzter angeschlossen werden. »Was mich am meisten beeindruckt hat, ist der Lebenswille derjenigen, die hier verletzt worden sind, auch der Kinder insbesondere«, sagte Lauterbach. Zeitgleich war Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) in der Ukraine.
Lauterbach: Humanitäre Hilfe dringend nötig
»Die Ukraine braucht humanitäre Hilfe genauso dringend wie unsere militärische Unterstützung«, sagte Lauterbach. Er nahm auch an einer Geberkonferenz zum Aufbau eines Reha-Zentrums für Kriegsversehrte teil. Besorgt zeigte er sich über mögliche Cholera-Fälle in russisch besetzten Gebieten. »Ein Cholera-Ausbruch wäre sehr bedenklich, wäre katastrophal«, sagte Lauterbach »Bild«-TV.
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation gab es seit Kriegsbeginn rund 290 Angriffe auf Krankenhäuser, Krankentransporte und Gesundheitseinrichtungen. Das Bundesgesundheitsministerium stellte medizinische Hilfsgüter für 100 Millionen Euro zur Verfügung. Darüber hinaus gab es nach Ministeriumsangaben weitere 100 Millionen Euro Spenden aus der deutschen Gesundheitswirtschaft.
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