In der von Russland seit Monaten angegriffenen Stadt Awdijiwka in der Ostukraine wird die Lage für die ukrainischen Verteidiger immer schwieriger. »In der Stadt finden heftige Kämpfe statt. Unsere Truppen setzen alle verfügbaren Kräfte und Mittel ein, um den Feind zurückzuhalten«, teilte der kommandierende General für diesen Frontabschnitt, Olexander Tarnawskyj, mit. Er nannte die Lage »schwierig, aber unter Kontrolle«.
Die ukrainischen Verteidiger wehrten sich unter »unmenschlichen Bedingungen«, schrieb der Pressedienst der in Awdijiwka eingesetzten 110. Brigade der ukrainischen Armee auf Facebook. »Heute wirft der Feind enorme Kräfte in Form von Personal, gepanzerten Fahrzeugen und Flugzeugen in Richtung Awdijiwka.«
Einkesselung droht
Russische Truppen seien von mehreren Seiten vorgerückt, analysierte das US-amerikanische Institut für Kriegsstudien (ISW) in seinem Tagesbericht für Donnerstag. Durch Fotos sei belegt, dass russische Truppen von Norden her an der großen Kokerei von Awdijiwka vordringen. Im Süden der Stadt sei eine wichtige befestigte Verteidigungsanlage der Ukrainer erobert worden. »Russische Truppen können die Einkesselung einiger ukrainischer Kräfte vollenden, wenn die ukrainischen Truppen sich nicht zurückziehen oder erfolgreiche Gegenangriffe unternehmen«, folgerten die Beobachter.
Die ukrainische Seite hatte am Donnerstag berichtet, dass ihre Truppen sich aus einigen vorgeschobenen Stellungen zurückziehen. Brigadegeneral Tarnawskyj sprach davon, dass noch Verstärkungen in bedrohte Gebiete gebracht würden. Aber er sagte auch, dass neue Stellungen vorbereitet würden. »Wir schätzen jedes Stück ukrainischen Bodens, aber der höchste Wert und die höchste Priorität für uns ist es, das Leben der ukrainischen Soldaten zu retten«, schrieb der General auf Telegram.
Strategisch nicht bedeutend
Russische Truppen versuchen seit Oktober 2023 unter hohen Verlusten, Awdijiwka zu erobern. Die ehemalige Industriestadt war seit 2014 Vorposten der Ukraine in unmittelbarer Nähe zu Donezk, der russisch beherrschten Hauptstadt des Kohle- und Stahlreviers Donbass.
Eine Eroberung der Stadt durch russische Truppen sei zwar strategisch nicht bedeutend, sie lasse sich aber vom Kreml propagandistisch ausschlachten vor der russischen Präsidentenwahl im März, schrieben die ISW-Experten. Zuletzt hatte die Ukraine im Frühjahr 2023 die ebenfalls monatelang umkämpfte Stadt Bachmut aufgeben müssen.
© dpa-infocom, dpa:240216-99-10498/3