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Länder wollen Nitrat-Messnetz überprüfen oder vergrößern

Landwirte in Deutschland protestieren seit Wochen gegen weitere Beschränkungen beim Düngen. Dabei wird auch an den Messstellen fürs Grundwasser Kritik laut. Kommen sie großflächig auf den Prüfstand?

Nitratüberprüfung
Bei der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg wird mit einem Durchflussphotometer der Nitratgehalt im Wasser über Nitrit bestimmt. Foto: Uli Deck/dpa
Bei der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg wird mit einem Durchflussphotometer der Nitratgehalt im Wasser über Nitrit bestimmt. Foto: Uli Deck/dpa

Berlin (dpa) - Im Streit um strengere Düngeregeln für die Bauern wollen einige Bundesländer ihr Messstellennetz für Nitrat im Grundwasser überprüfen oder vergrößern.

Bayern plant die Zahl der derzeit 600 Messpunkte mehr als zu verdoppeln. Überprüfungen vorgesehen oder ins Auge gefasst haben auch Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur unter zuständigen Landesministerien ergab. Dagegen sehen mehrere andere Länder keinen Bedarf für Nachjustierungen. Teils sollen auch erst noch neue bundesweite Dünge-Neuregelungen abgewartet werden.

Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) forderte Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) auf, gemeinsam mit den Ländern »umgehend« Transparenz bei den deutschen Messstellennetzen schaffen. »Dort, wo Mängel feststellbar sind, müssen die Messstellennetze kurzfristig nachgebessert werden.«

Klöckner schrieb in einem am Samstag veröffentlichten Brief vom 29. Januar: »Um Akzeptanz und Verständnis bei der Umsetzung der Düngeverordnung zu schaffen, ist es unumgänglich, dass unsere Landwirtinnen und Landwirte nachvollziehen können, dass die Länder die Messstellen plausibel und nach fachlichen Kriterien sorgfältig ausgewählt haben.« Es liege auch in der Verantwortung Schulzes, Vorwürfen zu den Messnetzen nachzugehen.

Die Nitratbelastung muss zum Schutz des Grundwassers deutlich verringert werden. Weil die Werte schon seit Jahren zu hoch sind, hatte die EU-Kommission Deutschland beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) verklagt und 2018 Recht bekommen. Daher müssen Bund und Länder weitere Düngebeschränkungen umsetzen. Umwelt- und Agrarministerium in Berlin verhandeln mit Brüssel und wollen Anfang der neuen Woche überarbeitete Vorschläge übermitteln - die Kommission bewertet dann, ob sie reichen. Gegen weitere Verschärfungen gibt es aber seit Wochen Proteste von Landwirten - sie fordern dabei auch Überprüfungen der Messstellen; aus der Union kommen ebenfalls Rufe danach.

Klöckner schrieb in dem Brief an Schulze, viele Landwirte fürchteten wegen der Überarbeitung der Düngeverordnung um ihre Existenz. Sie könne sehr gut nachvollziehen, dass viele Bauern Nachfragen und erhebliche Zweifel hätten, unter anderem an den Messnetzen der Länder. Diese bildeten die Grundlage zur Ausweisung nitratbelasteter Gebiete nach der Düngeverordnung und seien entscheidend dafür, welche zusätzlichen Anforderungen von der Landwirtschaft einzuhalten seien.

Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) sagte, eine Konzeption für eine Ausweitung des Messnetzes sei gerade in Arbeit. Der Kampf um sauberes Grundwasser werde aber ohne Mithilfe der Bauern nicht funktionieren. »Die Messstellen können zwar genauere Daten liefern. Bei der Frage, wie man überschüssigen Stickstoff besser in den Griff bekommt, ist aber in erster Linie die Landwirtschaft gefragt. Von dort müssen Lösungsvorschläge kommen.«

In Niedersachsen sollen nach Angaben von Umweltminister Olaf Lies (SPD) alle Messstellen und Standorte überprüft werden, wie er im Landtag ankündigte. »Niemand hat ein Interesse, eine Belastung zu dokumentieren, die es gar nicht gibt.« Zuerst würden problematische Stellen kontrolliert, bei denen Unstimmigkeiten gemeldet wurden. Die Aktualität der Messwerte sei wichtig. »Aber wir gehen davon aus, dass wir in den ausgewiesenen roten Gebieten erhebliche Probleme haben.«

Für Nordrhein-Westfalen sagte Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU), das Grundwassermessnetz sei bereits eines der engmaschigsten in Deutschland. Aber vor allem in Gebieten mit erhöhten Nitratwerten solle eine Überprüfung das Netz optimieren. Derzeit würden mehr als 280 Stellen überprüft. Für höhere Aussagekraft seien 200 zusätzliche Stellen geplant. Der rheinland-pfälzische Agrarminister Volker Wissing (FDP) hatte im Dezember eine Überprüfung der Messstellen angekündigt. An diesem Montag will er Ergebnisse dazu bekanntgeben.

Klöckner und Schulze hatten sich offen für Prüfungen von Messstellen gezeigt, aber vor zu großen Erwartungen gewarnt. Forderungen, das gesamte Verfahren einfach auszusetzen und zunächst die Messstellen zu überprüfen, seien unrealistisch, erläuterte Klöckner. Schulze sagte: »Es ist vollkommen klar: Wir können das Problem nicht wegmessen.«

Das Umwelt- und Agrarministerium in Sachsen erklärte: »Wir nehmen die Kritik am Messstellennetz wie zu konkreten Standorten sehr ernst.« Aus dem Ministerium in Sachsen-Anhalt hieß es, die Messstellen würden regelmäßig dahingehend überprüft, ob sie ihre Funktion noch erfüllen und die Grundwasserverhältnisse repräsentativ abbilden. »Das ist eine Daueraufgabe.« Sollten sich aus neuen Düngeregeln neue Anforderungen ergeben, würden diese umgesetzt. Baden-Württembergs Umweltressort erklärte: »Eine Überprüfung der Messstellen kann erst vorgenommen werden, wenn klare bundeseinheitliche Vorgaben formuliert werden.«

In Schleswig-Holstein ist ein grundlegender Neuaufbau des Netzes dagegen »weder angebracht noch vorgesehen«, wie das Umweltministerium betonte. Das umfangreiche Netz entspreche allen Vorgaben und liefere zuverlässig valide Daten. Um die Repräsentativität der Messstellen sicherzustellen, gebe es kontinuierliche Anpassungen. Auch für das Saarland erklärte das Umweltministerium: »Wir haben korrekte Messstellen.« Das Land Bremen sieht ebenfalls keine Notwendigkeit für eine Überprüfung. »Das ist alles auf Plausibilität geprüft«, hieß es.

In Mecklenburg-Vorpommern sollen nach einem schon erfolgten Ausbau des Netzes bis 2024 fast 50 weitere Messstellen dazukommen. Brandenburg spricht sich für einheitliche Kriterien zur Messung aus.