Ärztevertreter und Krankenkassen haben die Pläne von Gesundheitsminister Karl Lauterbach zur Reform der Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) kritisiert und vor noch höheren Beiträgen gewarnt.
»Statt eines schlüssigen Gesamtkonzepts zur finanziellen Stabilisierung des GKV-Systems, präsentiert die Politik nur Stückwerk«, sagte der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, am Dienstag. Reinhardt kritisierte die geplante Kürzung der Extra-Vergütung von Behandlungen für Neupatienten in Arztpraxen. Dies könne die Versorgungssituation weiter verschärfen und stelle für junge Ärztinnen und Ärzte möglicherweise einen weiteren Grund dar, sich gegen eine Niederlassung zu entscheiden.
Der Chef der Krankenkasse DAK, Andreas Storm, sagte in einem Online-Pressegespräch, man müsse davon ausgehen, dass der Beitragsanstieg höher ausfallen werde als von Lauterbach angekündigt. Storm rechnet mit einem Anstieg um 0,4 Prozentpunkte und damit, dass es in der Pflegeversicherung »einen Beitragssprung um mindestens 0,3 Punkte geben wird«. Nach Experten-Berechnungen für die DAK könnte das Milliardenloch in der Gesetzlichen Krankenversicherung im kommenden Jahr 19 Milliarden Euro tief sein, wie die Kasse am Dienstag mitteilte.
Der SPD-Politiker Lauterbach hatte Ende Juni von 17 Milliarden Euro gesprochen und Eckpunkte für ein Gesetz zur Stabilisierung der Kassenfinanzen vorgelegt. In dem Zusammenhang hatte er auch bekanntgegeben, dass die durchschnittlichen Zusatzbeiträge für die gesetzlichen Krankenkassen im kommenden Jahr voraussichtlich um 0,3 Prozentpunkte steigen werden. Neben der Beitragserhöhung sind unter anderem eine »Solidarabgabe der Pharmaindustrie« geplant, ein höherer Bundeszuschuss, also mehr Steuermittel, begrenzte Honorarzuwächse für Zahnärzte und eine Begrenzung der Verwaltungskosten der Krankenkassen.
Hintergrund für das Defizit sind nach früheren Angaben des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenversicherungen unter anderem politische Entscheidungen der vergangenen Jahre. So hätten Gesetze für mehr Pflegepersonal oder kürzere Wartezeiten beim Arzt zu dauerhaften Mehrkosten geführt.
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