BERLIN. Der Widerstand gegen die Pläne von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) für eine Grundrente wächst. Die Union kritisiert vor allem, dass die höhere Rente ausgezahlt werden soll, ohne dass der tatsächliche Bedarf geprüft wird.
CDU-Haushaltspolitiker Eckhardt Rehberg sagte »Bild«, er hoffe nur, dass Heil seinen Vorschlag mit Finanzminister Olaf Scholz (SPD) abgesprochen habe - »und dieser ihm vier bis sechs Milliarden jährlich zur Verfügung stellt«. Steuererhöhungen und neue Schulden seien dafür nicht zu machen. Auch die Grünen bezweifeln die Finanzierbarkeit des Konzepts, die FDP hält es für ungerecht. Unterstützung bekommt Heil indes aus dem CDU-Arbeitnehmerflügel.
Heils Pläne sehen vor, dass Millionen Geringverdiener nach einem langen Arbeitsleben automatisch höhere Renten bekommen sollen. Kleine Renten sollen um bis zu 447 Euro im Monat aufgestockt werden. Zustehen soll die Grundrente all jenen, die mindestens 35 Jahre mit Beitragszahlung, Kindererziehung oder Pflegetätigkeit aufweisen. Drei bis vier Millionen jetzige und künftige Rentner sollen profitieren. Heil rechnet mit Kosten in mittlerer einstelliger Milliardenhöhe pro Jahr, finanziert werden soll das aus Steuermitteln. In Kraft treten soll die Regelung spätestens zum 1. Januar 2021.
Die Union kritisiert, dass die Vorschläge weit über den Koalitionsvertrag hinausgehen. So hatte der CDU-Sozialpolitiker Peter Weiß am Sonntag betont, man wolle ein differenziertes System, bei dem die Rente je nach Bedarf aufgestockt werde. Finanziert werden soll dies aus Sicht der Union über die Rentenversicherung. CSU-Experte Stephan Stracke warnte vor einer »Rentenpolitik mit der Gießkanne«. Tatsächlich ist im Koalitionsvertrag ausdrücklich eine Bedürftigkeitsprüfung festgeschrieben, auf die Heil aber verzichten will.
Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Christlich Demokratischem Arbeitnehmerschaft (CDA), Christian Bäumler, befürwortet Heils Konzept dagegen. Es sei »leistungsorientiert, da es an den erworbenen Rentenansprüchen anknüpft«, und durch den Wegfall der Bedürftigkeitsprüfung reduziere sich der Verwaltungsaufwand, sagte er dem »Handelsblatt«. Auch die Steuerfinanzierung hält der CDU-Politiker für richtig: »Die Vermeidung von Altersarmut ist eine Aufgabe, die die gesamte Gesellschaft solidarisch tragen soll. Da müssen auch Spitzenverdiener ran.«
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer verteidigte das Konzept ihres Parteifreundes Heil. »Das ist SPD pur«, sagte die stellvertretende Parteichefin am Sonntagabend in der ARD. Menschen, die so lange arbeiteten, müssten am Ende auch eine Rente haben, die über der Grundsicherung liege. »Dass die CDU das im Moment jetzt etwas anders beurteilt als wir, was im Koalitionsvertrag steht oder nicht - das wird man auf der Regierungsebene miteinander aushandeln.«
SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach nannte die Kritik aus Reihen der Union absolut nicht nachvollziehbar. »CDU und CSU wollen mit der Abschaffung des Solidaritätszuschlages die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung mit zehn Milliarden Euro beschenken. Die Union will Steuern für die Reichen senken. Die SPD will den ärmsten Rentnern helfen«, sagte er der »Passauer Neuen Presse« (Montag). »Wir werden rasch handeln und dafür sorgen, dass diese Reform kommt.«
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sprach von einem Schritt in die richtige Richtung, bezweifelte aber die Finanzierbarkeit. »Die Koalition ist mit der Mütterrente II bereits eine teure Verpflichtung eingegangen - es ist nicht erkennbar, woher die Finanzierungsspielräume für Heils milliardenschwere Grundrente kommen sollen«, sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
FDP-Chef Christian Lindner nannte die Pläne ungerecht: »Dann wird sich irgendwann einer fragen: Wenn ich 35 Jahre eingezahlt habe und relativ mehr eingezahlt habe - wieso bekommt der andere einen Steuerzuschuss?«, sagte er am Sonntagabend in der ARD.
Die Deutsche Rentenversicherung betonte, die Aufstockung niedriger Renten sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. »Wenn eine neue Leistung kommt, dann ist sie in vollem Umfang aus Steuermitteln zu finanzieren«, sagte ein Sprecher. Dies müsse sichergestellt sein. (dpa)