Ankara (dpa) - Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ist mit seinem Plan, Truppen in das nordafrikanische Bürgerkriegsland Libyen zu entsenden, in Washington und Moskau auf Kritik gestoßen.
Das türkische Parlament hatte ihm für eine mögliche Militärintervention grünes Licht gegeben. Er will damit die international anerkannte Regierung unter Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch in Tripolis stützen. Die liefert sich einen Machtkampf mit dem einflussreichen General Chalifa Haftar.
In Libyen herrscht seit dem Sturz von Langzeitherrscher Muammar al-Gaddafi 2011 Bürgerkriegschaos. Haftar, der unter anderem von Russland unterstützt wird, kontrolliert mit seiner selbst ernannten Libyschen Nationalarmee (LNA) Gebiete im Osten des Landes, will aber die Macht über das ganze Land. Im vergangenen Jahr begann er einen Angriff auf Tripolis, wo die Sarradsch-Regierung sitzt. Diese wird von lokalen Milizen unterstützt, konnte ihre Macht aber bisher kaum über die Hauptstadt hinaus ausbauen.
US-Präsident Donald Trump telefonierte am Donnerstag mit Erdogan. Die Kritik wurde vom Weißen Haus anschließend vorsichtig geäußert. Trump habe bei dem Telefonat darauf hingewiesen, dass ausländische Einmischung die Lage in Libyen komplizierter mache, hieß es.
Die Kritik aus Russland ging in eine ähnliche Richtung, wurde aber deutlicher. Wie schon in Syrien unterstützen die Türkei und Russland in Libyen unterschiedliche Parteien. Die Entscheidung des türkischen Parlaments sei alarmierend, sagte Außenpolitiker Leonid Sluzki der Agentur Interfax. Dies könnte die Krise verschärfen und die Situation verkomplizieren. Russland habe sich für eine diplomatische Lösung ausgesprochen, meinte der Chef des Außenausschusses im russischen Parlament. Eine militärische Intervention aus dem Ausland »ist nicht die beste Lösung«.
Ägypten, ebenfalls ein Unterstützer Haftars, verurteilte die Entscheidung »aufs Schärfste«. Die Türkei verstoße damit unter anderem gegen das von den Vereinten Nationen verhängte Waffenembargo.
Nach insgesamt drei Militäroperationen in Syrien begibt sich die Türkei in Libyen voraussichtlich in ihr nächstes außenpolitisches Abenteuer. Der Türkei geht es dabei um Einfluss in der Region, aber auch um Erdgasvorkommen im Mittelmeer.
Erdogan will, dass Al-Sarradsch an der Macht bleibt. Im Streit um Erdgasvorkommen im Mittelmeer fühlt sich die Türkei von anderen Anrainerstaaten wie Griechenland ausgeschlossen und schmiedet deshalb eigene Allianzen. Im November hatten Al-Sarradsch und Erdogan Abkommen unterzeichnet, die neben einer militärischen Kooperation auch Seegrenzen im Mittelmeer festlegen. Damit erhebt die Türkei Anspruch auf Gebiete nahe der griechischen Insel Kreta, wo reiche Erdgasvorkommen vermutet werden.
Deutschland plant zum Thema Libyen für Anfang des Jahres eine Konferenz in Berlin, um die wichtigsten internationalen Akteure an einen Tisch zu bringen. Der Libyen-Experte Wolfram Lacher von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin glaubt jedoch, dass die Europäer keinen Einfluss mehr auf die Entwicklungen haben. Es handele sich um einen »Krieg vor Europas Haustür, der von fernen Mächten wie Russland und den Emiraten angetrieben wird«.