Die Ukraine macht weitere Fortschritte an der Südfront: Im Gebiet Saporischschja konnten die ukrainischen Truppen den am besten befestigten russischen Verteidigungsgürtel der Region durchbrechen, wie das US-amerikanische Institut für Kriegsstudien ISW gestern Abend (US-Ortszeit) schrieb. Unterdessen starben bei russischen Luftangriffen auf das südukrainische Gebiet Cherson heute örtlichen Behördenangaben zufolge zwei Menschen, weitere wurden verletzt. Seit inzwischen 19 Monaten wehrt die Ukraine die russische Invasion ab.
Nach den Zerwürfnissen der vergangenen Tage rund um ukrainische Getreidelieferungen sagte Polens Präsident Andrzej Duda, Warschau sei weiter bereit, beim Export von Getreide aus der Ukraine in Drittländer zu helfen. Er verteidigte jedoch das verlängerte Verkaufsverbot für ukrainisches Getreide auf dem polnischen Markt.
Ukraine dringt an der Südfront vor
Nach offiziellen Militärangaben aus Kiew rücken ukrainische Truppen an der Front im Süden weiter vor. Im Bericht des Generalstabs für Sonntagmorgen hieß es: Die Truppen »verdrängen bei Werbowe im Gebiet Saporischschja den Gegner aus seinen Stellungen und setzen sich an den erreichten Positionen fest«. Der Kommandeur der ukrainischen Truppen in diesem Abschnitt, Brigadegeneral Olexander Tarnawskyj, sprach in einem Interview des US-Senders CNN von einem Durchbruch.
Das US-amerikanische Institut für Kriegsstudien ISW schrieb, dass die Ukraine westlich von Werbowe den am besten befestigten russischen Verteidigungsgürtel der Region durchbrochen habe. Zu diesem Gürtel gehörten Minenfelder, bemannte Schützengräben, Anti-Panzer-Gräben und Betonsperren. In der flachen Steppe sind die russischen Stellungen oft in langen Baumreihen versteckt. »Wir bewegen uns von Baumreihe zu Baumreihe vor, manchmal 50 bis 100 Meter pro Tag, manchmal 300 bis 400 Meter«, sagte ein Armeepressesprecher im ukrainischen Fernsehen.
Experten hatten zuletzt gleichzeitig erklärt, dass ein Durchbruch erst ein Zwischenschritt sei. Es sei unklar, ob die Ukraine angesichts der seit Monaten laufenden Gegenoffensive noch genügend Kräfte haben werde, damit sie nach einem Durchbruch durch die russischen Verteidigungslinien tief in die besetzten Gebiete vordringen kann.
Weitere eigene Angriffe meldete das ukrainische Militär von der Front bei der Stadt Bachmut im Donbass. Zudem haben die Ukrainer Kampfdrohnen in die grenznahe russische Gebietshauptstadt Kursk gesteuert haben. Ziele seien das örtliche Gebäude des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB und eine Ölraffinerie gewesen, berichteten Medien in Kiew unter Berufung auf den ukrainischen Militärgeheimdienst. Das Gebiet Kursk teilte offiziell mit, eine Drohne habe geringen Schaden am Dach eines Verwaltungsgebäudes angerichtet.
Tote und Verletzte bei Luftangriffen im Gebiet Cherson
Bei russischen Luftangriffen auf das südukrainische Gebiet Cherson sind nach örtlichen Behördenangaben zwei Menschen getötet und mehrere verletzt worden. In der Stadt Beryslaw am Fluss Dnipro sei am Sonntag eine Frau ums Leben gekommen, in dem Dorf Lwowe ein Mann. Bei dem Beschuss durch russische Flugzeuge seien zudem mehrere Menschen verletzt worden.
Auf die gleichnamige Gebietshauptstadt Cherson warf Russland nach ukrainischen Militärangaben am Nachmittag zwei weitere gelenkte Fliegerbomben ab. Bei Einschlägen in einer Industrieanlage und ziviler Infrastruktur sei ebenfalls eine Frau verletzt worden, wie der Chef der regionalen Militärverwaltung, Olexander Prokudin, auf Telegram schrieb.
Russland meldet Drohnenangriffe auf grenznahe Stadt Kursk
Eine Drohne hat am Abend nach russischen Militärangaben die russische Gebietshauptstadt Kursk nahe der ukrainischen Grenze angegriffen. Um 20.30 Uhr Ortszeit (19.30 Uhr MESZ) habe die Luftabwehr eine ukrainische Drohne abgeschossen, meldete das russische Verteidigungsministerium. Kiew kommentierte dies bis zum späten Abend nicht. Ein auf Telegram-Kanälen veröffentlichtes Video zeigte Rauchwolken nahe des Flughafens östlich der Stadt.
Polens Präsident Duda will Kiew beim Getreidetransit helfen
Nach Darstellung von Präsident Andrzej Duda ist Polen weiter bereit, beim Export von Getreide aus der Ukraine in Drittländer zu helfen. Er sei absolut der Meinung, dass alles getan werden müsse, damit die Transittransporte so umfangreich wie möglich sind, sagte er heute im Fernsehsender TVP1. Das Getreide könne über spezielle Korridore dorthin gebracht werden, wo es wirklich benötigt werde, nämlich in die ärmsten Länder der Welt.
Zugleich verteidigte Duda die jüngste Entscheidung, das Verkaufsverbot für ukrainisches Getreide auf dem polnischen Markt aufrechtzuerhalten. Die Regierung in Warschau habe radikale Entscheidungen treffen müssen, um die polnischen Landwirte zu unterstützen und den heimischen Agrarmarkt zu verteidigen. Die EU-Kommission hatte hingegen beschlossen, ihre Handelseinschränkungen auslaufen zu lassen. Das füge den Nachbarstaaten der Ukraine Schaden zu, kritisierte Duda.
Zuletzt war es rund um die ukrainischen Getreideimporte zu Zerwürfnissen zwischen Polen und der Ukraine gekommen. Die Staats- und Regierungschefs beider Länder machten sich gegenseitig schwere Vorwürfe. Warschau erklärte, man werde seine Waffenlieferungen an die Ukraine auf bereits abgeschlossene Verträge beschränken und verbat sich »Beleidigungen« aus Kiew. Gestern hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sich bemüht, die Wogen zu glätten. Die Herausforderungen auf dem gemeinsamen Weg seien nichts im Vergleich zur Stärke, die zwischen den beiden Völkern herrsche, sagte Selenskyj bei einem Zwischenstopp im polnischen Lublin und dankte der Bevölkerung des Nachbarlandes für die Unterstützung des ukrainischen Abwehrkampfes.
Selenkyj zieht Fazit seiner US- und Kanada-Reise
Nach seiner Reise in die USA und nach Kanada zog Selenskyj außerdem ein zufriedenes Fazit. Mit den beiden westlichen Partnerstaaten seien Absprachen über Militär- und Finanzhilfe sowie eine gemeinsame Waffenproduktion getroffen worden, sagte er in seiner abendlichen Ansprache auf seinem Telegram-Kanal. »Es war eine produktive Woche.«
Mit der US-Regierung wurde demnach eine Entscheidung über ein militärisches Hilfspaket getroffen. Es umfasse unter anderem Munition für Artillerie - darunter auch Himars-Mehrfachraketenwerfer - und Luftverteidigung, sowie weitere Luftabwehrsysteme, taktische Fahrzeuge und andere Arten von Waffen. Die lange von Kiew geforderten US-amerikanische ATACMS-Raketen erwähnte Selenskyj in seiner Ansprache nicht.
Der ukrainische Präsident betonte zudem die Bedeutung der zuvor angekündigten gemeinsamen Produktion von Waffen und Verteidigungssystemen - einschließlich der Luftverteidigung - mit den Vereinigten Staaten. »Das war bis vor kurzem eine absolute Fantasie. Aber es wird Wirklichkeit«, sagte er.
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