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Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Nach den Solidaritätskundgebungen zum zweiten Jahrestag des Kriegsausbruchs ist in der Ukraine heute das dritte Kriegsjahr angebrochen. Die News im Überblick.

Krieg in der Ukraine - Bachmut
Neue Gräber sind auf einem Friedhof in Bachmut zu sehen. Der Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine jährte sich nun zum zweiten Mal. Foto: Libkos/DPA
Neue Gräber sind auf einem Friedhof in Bachmut zu sehen. Der Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine jährte sich nun zum zweiten Mal.
Foto: Libkos/DPA

In der Ukraine ist das dritte Kriegsjahr angebrochen - mit dem 732. Kriegstag seit dem Beginn der russischen Invasion. Auch in der Nacht gab es wieder vielerorts Luftalarm. Die ukrainische Luftwaffe warnte zunächst vor allem im Süden und Osten des Landes vor russischen Angriffen mit Raketen und Shahed-Drohnen, am frühen Morgen dann auch im Zentrum des Landes und in der Region Kiew.

Russland will unterdessen eigenen Angaben zufolge in der Nacht erneut mehrere ukrainische Drohnenangriffe abgewehrt haben. Die Luftabwehr habe zwei Drohnen über dem grenznahen russischen Gebiet Belgorod sowie vier weitere über dem Schwarzen Meer abgefangen und zerstört, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau auf seinem Telegram-Kanal mit. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig prüfen. Über mögliche Schäden oder Opfer machte Moskau zunächst keine Angaben.

Tags zuvor hatten Politiker aus aller Welt bei Veranstaltungen in Kiew zum zweiten Jahrestag des Kriegsausbruchs ihre Solidarität mit der Ukraine bekundet und Russland zur sofortigen Beendigung des Angriffskriegs aufgerufen. Auf russischer Seite verpuffte dieser Appell kommentarlos, die staatlich kontrollierten Medien übergingen das Datum. An den Fronten herrschte weiterhin unveränderter Kriegsalltag.

In Kiew waren zahlreiche westliche Politiker zu Besuch. Darunter war neben EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen auch die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni als Vorsitzende der G7, der Gruppe der sieben führenden demokratischen Wirtschaftsnationen. Meloni hatte eine Videokonferenz der G7 mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj organisiert. 

G7 bekräftigen Unterstützung der Ukraine

In ihrem Abschlussdokument bekräftigten die G7-Nationen ihre weitere Unterstützung für die Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen die russischen Invasoren. Gleichzeitig wurde Moskau in der Abschlusserklärung aufgefordert, alle Truppen aus den besetzten Gebieten der Ukraine umgehend »vollständig und bedingungslos« abzuziehen. Der G7 gehören neben Deutschland und den USA auch Italien, Frankreich, Kanada, Japan und Großbritannien an.

Die G7 bekräftigten ihr Bekenntnis zur dauerhaften Sicherheit der Ukraine. »Um der Ukraine zu helfen, stocken wir unsere sicherheitspolitische Unterstützung für das Land auf und bauen unsere Produktions- und Lieferkapazitäten aus.« Bei Fortdauer des Angriffskriegs gegen die Ukraine wollten die G7 den Druck auf Russland erhöhen. »Wir sind unverändert entschlossen, unsere Sanktionen gegen Russland vollständig um- und durchzusetzen und bei Bedarf neue Maßnahmen zu beschließen«, betonten die G7. Zudem warnten sie auch Russlands Unterstützer: »Wir werden weiterhin gegen Akteure aus Drittstaaten vorgehen, die Russlands Krieg materiell unterstützen.«

Außenministerin Annalena Baerbock sagte der Ukraine anhaltende Unterstützung mit Waffen und auf dem Weg in die Europäische Union zu. Solange der russische Präsident Wladimir Putin nicht bereit sei, den Krieg zu stoppen, »unterstützen wir euch jeden weiteren Tag« auch mit Waffenlieferungen, »die nicht nur zurückerobern, sondern die jeden Tag Menschenleben retten«, sagte die Grünen-Politikerin bei einem gemeinsamen Auftritt mit dem ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba in der südukrainischen Hafenstadt Odessa. Die vergangenen zwei Jahre hätten gezeigt: »Keine Rakete, keine 731 Tage Bombenterror können den Freiheitswillen der Ukraine brechen.«, sagte Baerbock. Wegen eines Raketenalarms mussten Baerbock und ihre Delegation einen Schutzraum aufsuchen.

Kuleba: Westen hat wegen Zögern Mitschuld am Krieg

Kuleba warf Deutschland und dem Westen eine Mitschuld am Krieg durch zögerliches Verhalten vor. »Wenn Deutschland und der Westen nicht vom Beginn der ukrainischen Unabhängigkeit auf die Ukraine über das Prisma Russlands geschaut und uns in die EU und die Nato aufgenommen hätten, dann hätte es diesen Krieg nie gegeben.« Ebenso seien Chancen vor dem Krieg vertan worden, Russland einzudämmen.

Baerbock: Weitere 100 Millionen Euro humanitäre Hilfe für Ukraine

Deutschland stockt seine humanitäre Hilfe für die Ukraine zwei Jahre nach Beginn des russischen Angriffskrieges um weitere 100 Millionen Euro auf.  Damit liege die deutsche humanitäre Hilfe für die Menschen in der Ukraine bei einer Milliarde Euro, sagte Außenministerin Annalena Baerbock beim Besuch der Stadt Mykolajiw im Süden des Landes. Mit dem Geld würden die Menschen in dem angegriffenen Land dabei unterstützt, ihre Wasserversorgung, ihre Krankenhäuser und ihre Häuser wieder aufzubauen. 

»Putins Terror geht hier jeden Tag weiter«, sagte die Bundesaußenministerin mit Blick auf den russischen Präsidenten. »Aber die Menschen hier in der Ukraine machen deutlich: Kein Tag, kein Angriff wird ihren Überlebenskampf zerstören können.« Daher sei es wichtig, »dass wir nicht nur unsere militärische Hilfe zur Selbstverteidigung, zur Befreiung von Dörfern fortsetzen«. Deutschland werde vor allen Dingen auch seine humanitäre Hilfe für den Wiederaufbau weiter vorziehen. Im Juni plant die Bundesregierung in Berlin eine internationale Wiederaufbaukonferenz zur Unterstützung der Ukraine.

Sunak: Zinsen aus eingefrorenem russischem Kapital nach Kiew schicken

Nach dem zweiten Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine hat der britische Premierminister Rishi Sunak ein entschlosseneres Handeln des Westens zur Unterstützung Kiews gefordert. Die Ukraine müsse mehr Waffen mit hoher Reichweite, mehr Drohnen und Munition erhalten, schrieb Sunak in einem Gastbeitrag für die »Sunday Times«. Die Produktion der Verteidigungsindustrie im Westen müsse zudem angekurbelt werden.

Gleichzeitig sprach sich Sunak für einen energischeren Umgang mit eingefrorenem russischen Kapital aus. »Das fängt damit an, dass die Milliarden an Zinsen, die für diese Vermögen anfallen, an die Ukraine geschickt werden«, schrieb der konservative Politiker. In einem zweiten Schritt müssten dann im Rahmen der führenden westlichen Industrienationen G7 legale Wege gefunden werden, um die Vermögen selbst zu beschlagnahmen und sie an die Ukraine weiterzureichen. Sunak forderte auch eine weitere Verschärfung der wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland.

Ukraine erhält versprochene Waffen verspätet

Die Ukraine hat westlichen Verbündeten vorgeworfen, versprochene Waffen in der Hälfte der Fälle verspätet zu liefern. »50 Prozent des Zugesagten trifft nicht rechtzeitig ein«, sagte Verteidigungsminister Rustem Umjerow vor Journalisten in Kiew. Das wirke sich auf die Situation auf dem Schlachtfeld aus. »Wir verlieren Menschen und Material«, fügte Umjerow hinzu. Die Ukraine ist in den vergangenen Monaten auch aufgrund fehlender Munition und Ausrüstung bei der Verteidigung seines Territoriums in die Defensive und stark unter Druck geraten. Das russische Militär hat zuletzt an mehreren Frontabschnitten Geländegewinne erzielt.

Nach Umjerows Worten wird Kiews Abwehrkampf weiter durch die fehlende Luftüberlegenheit behindert. Ukrainische Piloten durchlaufen gerade eine Ausbildung an westlichen F-16 Kampfjets, die noch im ersten Halbjahr in der Ukraine eintreffen sollen. Die russische Kriegsführung zeichnet sich dem Minister zufolge zudem durch einen noch beispiellosen Einsatz von Raketen aus. »Seit Kriegsbeginn hat die Russische Föderation über 8000 Raketen auf die Ukraine abgefeuert«, betonte Umjerow. Daneben setze der Gegner eine riesige Zahl an Kampfdrohnen ein. »Das ist der erste Drohnenkrieg«, sagte er. Die Länge der Frontlinie mit intensiven Kampfhandlungen bezifferte er auf 1200 Kilometer.

Ukraine hat bereits über 120.000 russische Kriegsverbrechen erfasst

Zwei Jahre nach dem russischen Überfall hat die Ukraine bereits über 120.000 russische Kriegsverbrechen erfasst. »Es gibt kein Verbrechen, dass die Russen nicht während dieses Krieges verübt haben«, sagte Generalstaatsanwalt Andrij Kostin beim Forum »Ukraine. Jahr 2024« vor Journalisten in Kiew. Die Ermittlungen hätten schon zu Urteilen geführt. »Wir haben bereits 80 Urteile ukrainischer Gerichte während des Krieges«, unterstrich Kostin. Ziel seien aber Tribunale nach dem Vorbild der Nürnberger Prozesse, in denen nach dem Zweiten Weltkrieg Kriegsverbrecher der Nationalsozialisten zur Verantwortung gezogen wurden. Ein solches müsse es beispielsweise zu verübten Verbrechen in der von Russland eroberten südostukrainischen Hafenstadt Mariupol geben.

Internationale Organisationen und Kiew werfen der russischen Seite regelmäßig unter anderem die Misshandlung von Kriegsgefangenen vor. In mehreren Fällen sind ukrainische Soldaten demnach auch nach ihrer Gefangennahme ermordet worden.

Kiew: Frontlage in der Ukraine »weiterhin schwierig«

Die Lage an den Fronten der Ukraine bleibt nach Ansicht des Generalstabs in Kiew »weiterhin schwierig«. Im Laufe des Tages seien von den Frontlinien insgesamt 69 Kampfhandlungen gemeldet worden, hieß es im täglichen Lagebericht, den das Militär auf Facebook veröffentlichte. Zudem seien 54 Luftangriffe sowie 77 Angriffe aus Mehrfachraketenwerfern auf ukrainische Stellungen und Siedlungen registriert worden. 

Die heftigsten Kämpfe wurden demnach rund um die Ortschaft Awdijiwka im Osten ausgetragen, die ukrainische Truppen vor wenigen Tagen unter starkem russischem Druck aufgegeben hatten. Nach offiziell unbestätigten ukrainischen Medienberichten besetzten russische Truppen das Nachbardorf Lastotschkine. In der Region Saporischschja seien mehrere russische Angriffe abgewehrt worden, teilte der Generalstab in Kiew weiter mit. In der südlichen Region Cherson seien mehrere russische Angriffe gegen ukrainische Brückenköpfe am Dnipro abgeschlagen worden. Die Angaben konnten zunächst nicht unabhängig überprüft werden. 

Schwerer russischer Beschuss zerstört Bahnhof in Ostukraine

Russland hat die Kleinstadt Kostjantyniwka im Gebiet Donezk nach ukrainischen Angaben massiv mit Raketen beschossen. Eine Person sei dabei verletzt worden, teilte der Militärgouverneur der Region, Wadym Filaschkin, bei Telegram mit. Nach Angaben der ukrainischen Polizei wurden durch den Beschuss eine Reihe von Gebäuden beschädigt, unter anderem eine Kirche und das Bahnhofsgebäude. Bilder und Videos zeigen, dass das Bahnhofsgebäude praktisch in Trümmern liegt. Für den Angriff soll das russische Militär umfunktionierte Flugabwehrraketen vom Typ S-300 verwendet haben. Russland hat diese schon in der Vergangenheit oft für Attacken auch auf zivile Ziele in der Ukraine genutzt.

In der vergangenen Nacht hatte Russland einmal mehr das Nachbarland auch mit Drohnen beschossen. Laut der ukrainischen Flugabwehr ist es gelungen, 16 der 18 gestarteten Drohnen abzufangen. Im westukrainischen Gebiet Chmelnyzkyj wurde den Behörden zufolge ein Infrastrukturobjekt beschädigt, im südukrainischen Mykolajiw wurden mehrere Ortschaften durch die Beschädigung einer Stromleitung von der Energieversorgung abgeschnitten.

Baerbock muss Besuch in Wasserwerk wegen russischer Drohne abbrechen

Außenministerin Annalena Baerbock hat den Besuch eines Wasserwerks in der südukrainischen Stadt Mykolajiw wegen einer russischen Aufklärungsdrohne vorzeitig abbrechen müssen. Das teilte ein Sprecher des Auswärtigen Amts am Rande der Reise der Grünen-Politikerin mit. Die Delegationsmitglieder waren zuvor aufgefordert worden, rasch in die gepanzerten Fahrzeuge von Baerbocks Kolonne zurückzukehren. 

Hintergrund: Es wurde eine russische Aufklärungsdrohne gesichtet, die auch den Bereich des Wasserwerks überflog. Auf solche Drohnen folge in der Regel ein direkter Luftangriff, hieß es. Die Drohne folgte der Kolonne Baerbocks demnach zunächst, drehte dann aber ab. In Bewegung bleiben sei in dieser Situation die sicherste Option gewesen, hieß es weiter. Kurze Zeit nach der Abfahrt der Kolonne Baerbocks gab es tatsächlich Luftalarm in der Region Mykolajiw. Nach einer guten Viertelstunde wurde der Alarm wieder aufgehoben.

Ministerin nach Luftalarm im Schutzraum

Schon gestern Abend musste Baerbock in der südukrainischen Hafenstadt Odessa nach einem Luftalarm einen Schutzraum aufsuchen. Der Alarm wurde um 21.48 Uhr (Ortszeit) ausgelöst, im Stadtgebiet waren Luftschutzsirenen zu hören. Etwa 20 Minuten später wurde der Alarm wieder aufgehoben. Baerbock hielt sich währenddessen nach Angaben eines dpa-Reporters gemeinsam mit Mitgliedern ihrer Delegation und anderen Gästen im Schutzraum ihres Hotels auf. 

Aus Delegationskreisen hieß es, es habe sich um Raketenalarm gehandelt. In der Region Odessa sei anschließend eine Explosion zu hören gewesen. Unklar blieb, ob es einen Raketentreffer gab oder die ukrainische Luftabwehr das Geschoss abwehrte. Details über mögliche Schäden oder Opfer waren zunächst nicht bekannt. Bei zwei russischen Drohnenangriffen hatte es kurz vor Baerbocks Besuch insgesamt vier Tote sowie mehrere Verletzte in der Stadt Odessa gegeben.

Das wird heute wichtig

An den Fronten der Ukraine sind neue heftige Kämpfe zu erwarten. Ein klarer Schwerpunkt war in den vergangenen Tagen nicht erkennbar.

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