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Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Bei russischen Drohnenangriffen auf Charkiw werden drei kleine Kinder getötet. Und der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz hält einen Angriff auf Nato-Gebiet für nicht ausgeschlossen. Die News.

Charkiw
Feuerwehrleute löschen ein Feuer nach einem russischen Angriff auf ein Wohnviertel in Charkiw. Foto: Andrii Marienko/DPA
Feuerwehrleute löschen ein Feuer nach einem russischen Angriff auf ein Wohnviertel in Charkiw.
Foto: Andrii Marienko/DPA

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat bei einem Treffen mit Vertretern aus Washington für weitere US-Milliardenhilfen zur Stärkung der Verteidigungskraft Kiews geworben. »Ich bin überzeugt, dass der Kongress die Entscheidung treffen wird, die Ukraine mit der notwendigen Hilfe zu unterstützen. Das wird unsere Verteidigung stärken«, sagte Selenskyj in Kiew.

Er veröffentlichte dazu unter anderem im sozialen Netzwerk X (vormals Twitter) ein Video von dem Gespräch mit Vertretern des US-Repräsentantenhauses. In den USA wird über die Freigabe weiterer Milliarden für den Kampf der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg gestritten.

»Wir dürfen nicht zurückstecken in unserem Kampf gegen den Aggressor«, sagte Selenskyj. Die Ukraine sei angewiesen auf Verbündete wie die USA. Nötig seien ein Ausbau der Flugabwehr mit US-Systemen vom Typ Patriot und eine Zusammenarbeit bei der Produktion moderner Drohnen und Ausrüstung zur elektronischen Kriegsführung. In seiner abendlichen Videobotschaft sprach Selenskyj auch von der Notwendigkeit weitreichender Waffen - »besonders ATACMS mit 300 Kilometern Reichweite, zu denen es leider immer noch keine Entscheidung gibt«.

Selenskyj dankte den USA einmal mehr für die bisher geleistete Hilfe. Die Herausforderungen seien weiter groß. In Europa gebe es immer mehr Stimmen, die vor einer Ausweitung der russischen Aggression warnten, sagte er. »Wir können die Ausbreitung des Krieges und des russischen Bösen nicht erlauben. Putin wird erst ernüchtert sein, wenn ihm Stärke entgegengestellt wird.« Kremlchef Wladimir Putin hatte seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine am 24. Februar 2022 begonnen.

Drohnenangriffe auf Charkiw: Drei Kinder getötet

Bei russischen Drohnenangriffen auf die Region Charkiw im Nordosten der Ukraine sind offiziellen Angaben zufolge mindestens sieben Menschen ums Leben gekommen. »Darunter sind auch drei Kinder: sieben und vier Jahre alt sowie ein etwa sechs Monate altes Baby«, teilte der Militärgouverneur von Charkiw, Oleh Synjehubow, auf seinem Telegram-Kanal mit. Zudem gebe es drei Verletzte.

Charkiw
Feuerwehrleute löschen ein Feuer nach einem russischen Angriff auf ein Wohnviertel in Charkiw. Foto: Andrii Marienko/DPA
Feuerwehrleute löschen ein Feuer nach einem russischen Angriff auf ein Wohnviertel in Charkiw.
Foto: Andrii Marienko/DPA

Allerdings meldeten beide Regionen auch Einschläge. Während es in Odessa nach Angaben von Militärgouverneur Oleh Kiper nur Sachschaden zu beklagen gab, traf es die Region Charkiw schwer. Allein durch die tödliche Drohnenattacke auf die Gebietshauptstadt selbst wurden demnach 15 Wohnhäuser teils schwer beschädigt. Mehrere Großbrände seien ausgebrochen, teilte Synjehubow mit.

Selenskyj verurteilt Drohnenangriffe

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den tödlichen Drohnenangriff auf die Region Charkiw scharf verurteilt. »Tatsachen sagen immer mehr als Worte«, schrieb Selenskyj auf seinem Telegram-Kanal und verwies darauf, dass die russische Attacke aus der Nacht eine Familie mit drei kleinen Kindern getötet habe. »Der Terror kann nicht ohne Antwort bleiben.« Dazu veröffentlichte er zahlreiche Bilder von zerstörten Häusern und dem Kampf der Feuerwehrleute gegen die Flammen.

Scholz und Biden setzen auf Ja des US-Kongresses

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte sich nach seinem Gespräch mit US-Präsident Joe Biden in Washington zuversichtlich, dass die US-Militärhilfe für die Ukraine aufrechterhalten werden kann. Wenn es nicht gelinge, eine entsprechende Entscheidung im US-Kongress zustande zu bringen, sei die Fähigkeit der ukrainischen Streitkräfte bedroht, das eigene Land zu verteidigen, warnte Scholz nach dem Gespräch im Oval Office des Weißen Hauses.

»Deshalb sind wir beide ganz fest davon überzeugt, dass das jetzt geschehen muss, aber auch zuversichtlich, dass der amerikanische Kongress am Ende eine solche Entscheidung treffen wird.« Das wäre dann auch die richtige Botschaft an Putin, dass seine Hoffnung auf ein Nachlassen der westlichen Militärhilfe für die Ukraine vergeblich sei.

Am Vortag hatte ein neues Gesetzespaket, das unter anderem 60 Milliarden Dollar (56 Milliarden Euro) für die Ukraine vorsieht, eine erste formale Hürde im Senat genommen. Noch laufen Verhandlungen dazu, und eine finale Abstimmung im Senat steht aus. Ob das Paket dort durchkommt und vor allem in der anderen Parlamentskammer, dem Repräsentantenhaus, Chancen hat, ist aber noch völlig offen. Angesichts der monatelangen Blockade werden aber schon minimale Bewegungen als Fortschritt gewertet.

Die USA und Deutschland sind die mit Abstand wichtigsten Waffenlieferanten der Ukraine. Scholz beziffert den Wert der von Deutschland gelieferten und zugesagten Rüstungsgüter auf mehr als 30 Milliarden Euro. Die USA geben den Umfang ihrer Militärhilfe mit 44 Milliarden US-Dollar (rund 41 Milliarden Euro) an.

Bundeswehr-Generalinspekteur trifft neuen Oberkommandierenden

In Kiew traf indes der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, den frisch ernannten Oberkommandierenden der ukrainischen Streitkräfte, Olexander Syrskyj, zu Gesprächen über weitere deutsche Waffenhilfen. Syrskyj habe seinen deutschen Kollegen über die Lage an der Front informiert und für Deutschlands Hilfe bei der Stärkung der ukrainischen Armee gedankt, teilte der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umjerow mit. »Die Bedürfnisse der ukrainischen Verteidigungskräfte bei Bewaffnung, Munitionierung und Flugabwehrsystemen wurden diskutiert«, schrieb Umjerow.

Syrskyj hatte zuvor von dem bisherigen höchsten Militär Walerij Saluschnyj den Posten übernommen. Die Erwartungen an den neuen Oberkommandierenden sind hoch.

Der Berater im Präsidentenbüro, Mychajlo Podoljak, sagte im ukrainischen Einheitsfernsehen, dass Syrskyj etwa eine Bestandsaufnahme machen müsse, weil von einer Million für den Krieg mobilisierten Soldaten nur etwa bis zu 300.000 im Einsatz gewesen seien. Es müsse geklärt werden, wer wo eingesetzt sei. Erst danach könne gesagt werden, wie viele Rekruten noch nötig seien, sagte Podoljak. Viele Soldaten sind demnach weit vom Krieg entfernt. Geklärt werden müsse auch, wie jene, die bereits seit fast 24 Monaten im Kampfeinsatz seien, durch Rotation ersetzt werden.

Selenskyj erwarte von seinem neuen obersten Militär Erfolge im Kampf gegen die russische Invasion, nachdem die Großoffensive unter Saluschnyj im vergangenen Jahr deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben war. »Wir können uns nicht im Zustand einer Stagnation 2024 befinden«, sagte Podoljak.

Generalinspekteur Breuer: In fünf Jahren kriegstüchtig sein

Die Bundeswehr muss aus Sicht ihres Generalinspekteurs in fünf Jahren kriegstüchtig werden. »Kriegstüchtigkeit ist ein Prozess, den wir durchlaufen werden. Aber wir haben nicht endlos Zeit dafür«, sagte Breuer der »Welt am Sonntag«. Erstmals seit Ende des Kalten Krieges werde ein möglicher Krieg von außen vorgegeben. »Wenn ich den Analysten folge und sehe, welches militärisches Bedrohungspotenzial von Russland ausgeht, dann heißt das für uns fünf bis acht Jahre Vorbereitungszeit.« Das heiße nicht, dass es dann Krieg geben werde - aber er sei möglich. »Und weil ich Militär bin, sage ich: In fünf Jahren müssen wir kriegstüchtig sein.«

Heusgen: Angriff auf Nato-Gebiet nicht ausgeschlossen

Der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, hält unterdessen auch einen russischen Angriff auf Nato-Gebiet für nicht ausgeschlossen, sollte die Ukraine den Krieg verlieren. Auf die Frage, ob er Putin einen Angriff auf ein Nato-Land zutraue, sagte Heusgen der »Rheinischen Post« und dem Bonner »General-Anzeiger«: »Natürlich. Putin hat ja mehrfach gesagt, dass die größte Katastrophe des 20. Jahrhunderts der Zerfall der Sowjetunion war, weil damit viele Russen außerhalb der Grenzen Russlands gestrandet sind.«

Putin wolle ein Groß-Russland in den Grenzen der ehemaligen Sowjetunion wiederherstellen, sagte Heusgen. »Sollte Putin den Krieg in der Ukraine nicht verlieren, müssen wir damit rechnen, dass er auch nach der Republik Moldau oder den baltischen Staaten greift.«

Putin hatte in einem Interview des rechtsgerichteten US-Moderators Tucker Carlson gesagt, dass Russland keine territorialen Ansprüche gegen Polen oder den Baltenstaat Lettland hege. Ein russischer Einmarsch in diese Nato-Staaten sei »absolut ausgeschlossen« - mit einer möglichen Ausnahme: »Wenn Polen Russland angreift«. Der polnische Parlamentspräsident Szymon Holownia mahnte in Warschau, solchen beschwichtigenden Äußerungen Putins keinen Glauben zu schenken.

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