Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Ankunft von zwei weiteren modernen Flugabwehrsystemen bekannt gegeben. »Es sind Systeme, die alles abschießen«, sagte Selenskyj am Freitag in seiner täglichen Videobotschaft. Auf die Lieferung dieser Systeme habe Kiew monatelang hingearbeitet. Den genauen Typ nannte er nicht.
Im russischen Angriffskrieg verteidigt die Ukraine ihren Luftraum unter anderem mit US-Flugabwehrkomplexen vom Typ Patriot und dem aus Deutschland stammenden System Iris-T. Der Krieg geht Ende Februar ins dritte Jahr.
Selenskyjs Angaben zufolge sollen die beiden neuen Flugabwehrwaffen zum Schutz der Regionen eingesetzt werden. Diese seien bislang noch unzureichend geschützt, räumte er ein und versprach zugleich an einer weiteren Stärkung zu arbeiten. Die Flugabwehr gilt als wichtig, da Russland besonders im vergangenen Winter mit dem Beschuss durch Drohnen, Raketen und Marschflugkörper systematisch die Infrastruktur der Ukraine - insbesondere für die Energieversorgung - zerstört hat. In diesem Winter sind die Schäden auch dank der stärkeren Flugabwehr deutlich geringer.
In der Nacht allerdings wurde die Ukraine Angaben aus Kiew zufolge erneut mit 14 Drohnen und 2 Raketen des Typs »Owod« (Nato-Codename Kingbolt) attackiert. Wie in der Nacht zuvor hätten sich die Angriffe vor allem gegen Objekte der Energieversorgung in der Industrieregion Dnipropetrowsk gerichtet, teilte die ukrainische Luftwaffe am Samstagmorgen mit.
Ersten Informationen zufolge hatten die russischen Angriffe Erfolg. Zwar wurden laut Militär immerhin neun Drohnen abgefangen, doch zugleich berichtete Militärgouverneur Serhij Lyssak über zwei Brände. »Fast 15.000 Menschen sind ohne Strom in dem Kreis. Und außerdem zwei Heizkraftwerke in Krywyj Rih, die 43.000 Menschen versorgt haben«, schrieb er auf Telegram. Die Straßenbahn in der Großstadt sei teilweise ausgefallen, mehrere Haushalte seien zudem von der Wasserversorgung abgeschnitten.
Auf der Gegenseite traf die Ukraine offenbar eine Raffinerie in Russland. »Durch den Absturz einer abgeschossenen Drohne ist ein Feuer in der Wolgograder Ölraffinerie ausgebrochen«, teilte der Gouverneur der Region Andrej Botscharow auf Telegram mit. Die Flammen seien schnell eingedämmt worden. Tote und Verletzte habe es nicht gegeben, versicherte er. Das russische Verteidigungsministerium meldete den Abschuss von insgesamt sieben Drohnen.
Selenskyj beschwört Einheit für den Sieg über Russland
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat an den Westen appelliert, die Ukraine weiter in ihrem Abwehrkampf gegen die russische Invasion zu unterstützen. »Es ist absolut wichtig, die maximale Konsolidierung der freien Welt zu bewahren und alles Mögliche und Unmögliche zu tun, damit die Ukraine Russland Niederlagen zufügen kann«, sagte Selenskyj am Samstag in seiner täglichen Videoansprache. Russland komme nur durch Niederlagen zur Einsicht, seinen Krieg zu beenden.
Ziel des von Russland begonnenen Angriffskrieg sei nicht nur die Ukraine und deren Unabhängigkeit, sagte Selenskyj. Auch darum sei die weitere internationale Kooperation bei Sanktionen und Waffenhilfen ausländischer Partner wichtig.
Tote und Vermisste nach Beschuss russisch besetzter Stadt
Beim Beschuss der von russischen Truppen besetzten ostukrainischen Stadt Lyssytschansk sind nach Angaben der örtlichen Behörden mindestens 15 Menschen getötet worden. Weitere zehn wurden verletzt. »Die ukrainischen Streitkräfte haben eine Bäckerei in Lyssytschansk beschossen, unter den Trümmern befinden sich Zivilisten«, schrieb der Chef der von Russland annektierten Region Luhansk, Leonid Passetschnik, auf seinem Telegram-Kanal.
Die Angaben zur möglichen Zahl der Verschütteten schwankt. Passetschnik sprach von bis zu 40 Menschen, die unter dem eingestürzten zweistöckigen Gebäude liegen könnten. Der örtliche Zivilschutz teilte am Abend lediglich mit, dass bisher etwa zehn Personen unter den Trümmern entdeckt worden seien - darunter auch Tote. Die Ukraine hat den Angriff bislang nicht kommentiert. Die russischen Angaben waren unabhängig nicht zu überprüfen.
Litauen liefert weitere Munition an die Ukraine
Gute Nachrichten gibt es für Kiew aus dem Baltikum: Litauen hat der Ukraine weitere Militärhilfe für den Kampf gegen Russland geleistet. Die Armee des baltischen EU- und Nato-Landes habe Kiew Munition für Granatwerfer vom Typ »Carl Gustaf« und Fernzündsysteme übergeben, teilte das Verteidigungsministerium in Vilnius mit. »Wir unterstützen die Ukraine aktiv und konsequent, denn unsere Unterstützung für die Ukraine ist auch eine Investition in unsere eigene Sicherheit«, sagte Minister Arvydas Anusauskas.
Kreml: USA provozieren Ukraine zur Fortsetzung des Kriegs
Der Kreml hat Washington nach dem Ukraine-Besuch der amtierenden stellvertretenden US-Außenministerin Victoria Nuland vorgeworfen, Kiew zu einer Fortsetzung des Kriegs zu provozieren. »Die Amerikaner fügen den Ukrainern (dadurch) mehr Schmerzen zu und die Amerikaner sorgen dafür, dass mehr Ukrainer sterben«, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow dem Korrespondenten des russischen Staatsfernsehens Pawel Sarubin, der die Aufnahmen am Samstag auf Telegram veröffentlichte.
Die USA seien direkte Beteiligte des Konflikts und würden sich immer mehr darin verstricken, sagte Peskow. Dies werde aber am Ausgang des Kriegs nichts ändern, zeigte er sich zuversichtlich.
Moskau erklärt Bürgerrechtler Orlow zum Auslandsagenten
Russlands Obrigkeit zieht derweil die Daumenschrauben gegen Kriegsgegner und Andersdenkende weiter an: Das russische Justizministerium erklärte den bekannten Bürgerrechtler Oleg Orlow zum »Auslandsagenten«. Der 70-Jährige ist nach Angaben der Nachrichtenagentur Interfax neben fünf anderen Personen wegen seiner Kritik an Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine und der Verbreitung angeblicher Falschinformationen über die politische Führung in Moskau auf die Schwarze Liste gesetzt worden. Orlow leitete jahrelang die Menschenrechtsabteilung der Bürgerrechtsorganisation Memorial, die 2022 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde.
Mit der Bezeichnung Auslandsagent lässt die russische Führung Oppositionelle und Kritiker brandmarken. Wer in Russland als »ausländischer Agent« gelistet ist, muss mit zahlreichen Nachteilen rechnen. Die Organisationen, Medien und Personen in dem Register unterliegen einer verstärkten Aufsicht über ihre Finanzen. Die Einstufung soll Misstrauen gegen sie schüren und ihre Arbeit in Russland erschweren. Nichtregierungsorganisationen beklagen, dass sich Russen abwenden - aus Angst, der Zusammenarbeit mit »ausländischen Agenten« bezichtigt zu werden.
Polnischer Präsident äußert Zweifel an Rückeroberung der Krim
Der polnische Präsident Andrzej Duda hat Zweifel an einer Rückeroberung der Krim durch die Ukraine geäußert und damit für Kritik gesorgt. In einem Interview mit dem Youtube-Projekt »Kanal Zero« sagte der nationalkonservative Politiker auf die Frage, ob die Ukraine die Schwarzmeerhalbinsel zurückerlangen werde, er wisse es nicht. Anders als bei den Regionen Luhansk und Donezk handele sich um ein besonderes Gebiet. »Denn historisch betrachtet war es für mehr Zeit in der Hand Russlands«, sagte der 51-Jährige.
Der ukrainische Botschafter in Polen, Wasyl Zwarycz, übte auf der Plattform X (vormals Twitter) umgehend Kritik und betonte: »Die Krim ist (Teil der) Ukraine: sie ist es und bleibt es.« Die Befreiung der Krim von der russischen Okkupation sei die gemeinsame Aufgabe und Pflicht der freien Welt. Duda selbst stellte später auch die polnische Position klar: »Der russische Angriff auf die Ukraine und die Besetzung international anerkannter Gebiete der Ukraine, einschließlich der Krim, ist ein Verbrechen.«
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