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Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Der ukrainische Staatschef gibt sich in einem ARD-Interview jovial und freundlich. Dass er in seinen Bitten und Hoffnungen an Deutschland hart bleibt, ist aber klar erkennbar. Der Überblick.

Ukraine-Krieg - Region Luhansk
Ein ukrainischer Soldat bereitet sich darauf vor, ein 155-mm-Geschütz M109 Paladin auf russische Stellungen an der Frontlinie abzufeuern. Vor 705 Tagen griff Russland die Ukraine an. Foto: Efrem Lukatsky/DPA
Ein ukrainischer Soldat bereitet sich darauf vor, ein 155-mm-Geschütz M109 Paladin auf russische Stellungen an der Frontlinie abzufeuern. Vor 705 Tagen griff Russland die Ukraine an.
Foto: Efrem Lukatsky/DPA

Auch wenn er sie gerne zu Hause sehen würde, will der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die ins Ausland geflüchteten Wehrdienstverweigerer nicht mit Druck zurückholen. Er fordere daher auch Bundeskanzler Olaf Scholz nicht dazu auf, diese Menschen in die Ukraine zurückzuschicken, sagte er in der ARD-Sendung »Caren Miosga«. »Ich rufe definitiv nicht Olaf Scholz zu: Bringe sie schnell zurück«, sagte er. »Wir leben in einer demokratischen Welt.«

Was die Ukraine mit Blick auf Wehrdienstverweigerer brauche, sei ein »funktionierendes Gesetz«. Dies sei gegenwärtig in Vorbereitung. Er persönlich wünsche sich, dass diese Menschen zurückkehrten, schon aus Gründen der Gerechtigkeit. Nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine vor knapp zwei Jahren waren Hunderttausende Ukrainer ins Ausland geflohen, viele von ihnen nach Deutschland. Unter ihnen befinden sich auch Männer im wehrfähigen Alter.

Scholz hat Putins Absichten begriffen

Scholz hat nach Meinung Selenskyjs die Absichten und Ziele von Kremlchef Wladimir Putin inzwischen klar erkannt. »Er hat verstanden, dass Putin nicht nur ein Name ist, sondern eine Bedrohung, und nicht nur eine Bedrohung für die Ukraine«, sagte Selenskyj in der ARD-Talkshow mit einem Blick zurück auf seinen Berlin-Besuch im Mai des Vorjahres. »Ich glaube, er spürt, dass Russland näher an Deutschland heranrückt, wenn wir nicht durchhalten.«

Ob und wann dies geschehe, welchen Nato-Staat es als ersten treffen werde, könne er nicht sagen, meinte Selenskyj weiter. »Aber mir scheint, dass der Bundeskanzler dieses Risiko begreift, und das ist definitiv der Dritte Weltkrieg.« Somit habe Scholz die Risiken verstanden. »Olaf hat gespürt, dass er nicht nur Bundeskanzler ist, sondern einer der Leader im heutigen Europa«, wies er dem Kanzler größere Bedeutung zu. Er würde Scholz gerne zum Freund haben.

Selenskyj bedauerte einmal mehr, dass Deutschland nicht bereit ist, Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine zu liefern. Allerdings nahm er dafür nicht Scholz in die Verantwortung, wollte aber weder Details noch Hintergründe nennen. Die Entscheidung des Bundestags, der die Lieferung mehrheitlich abgelehnt hatte, sei ein klares Signal gewesen. Doch er hoffe auf eine neue Entscheidung.

Enttäuscht sei er allerdings, sagte Selenskyj, dass Deutschland bei der Besetzung der Krim 2014 »nicht die Rolle gespielt hat, die es hätte spielen sollen«. »Wir haben uns alle ein Deutschland verdient, das Russland an den Verhandlungstisch zwingt, um ihm klar zu machen, dass man das Völkerrecht nicht verletzen darf, dass man die Werte nicht verletzen darf.«

Selenskyj würde auch mit Trump reden

Zu einem möglichen Personalwechsel im Weißen Haus in Washington nach den Präsidentschaftswahlen im Herbst wollte sich Selenskyj nicht konkret äußern. »Das Leben birgt viele Überraschungen«, sagte er zu der bevorstehenden Entscheidung der Amerikaner zwischen Amtsinhaber Joe Biden und voraussichtlich dem früheren Präsidenten Donald Trump. »Ich werde mit ihm sprechen«, sagte er zu der Aussicht auf einen Wahlerfolg Trumps. Sollte Trump seine Formel umsetzen, er könne einen Frieden innerhalb von 24 Stunden herbeiführen, »werde ich ein sehr glücklicher Präsident sein«.

Außenminister der Ukraine und Ungarns beraten über Streitfragen

Die Nachbarländer Ukraine und Ungarn haben bei einem Außenministertreffen versucht, Probleme in ihrem belasteten Verhältnis auszuräumen. Dabei sei ein »großer Schritt« hin zu einem Treffen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban gemacht worden. Das teilte Selenskyjs Präsidialamtschef Andrij Jermak mit. Er nahm an der Begegnung der Außenminister Dmytro Kuleba (Ukraine) und Peter Szijjarto (Ungarn) in der westukrainischen Stadt Uschhorod teil

»Beide Seiten haben heute deutlich gemacht, dass sie an einem Treffen auf der Ebene des ungarischen Premierministers und des ukrainischen Präsidenten interessiert sind«, sagte Jermak nach Medienberichten.

Neue russische Drohnenangriffe auf Ziele in der Ukraine

Das russische Militär startete nach Angaben der ukrainischen Flugabwehr erneut Kamikaze-Drohnen gegen Ziele in der Ukraine. Medienberichten zufolge erreichten die Kampfdrohnen die zentralen Regionen Saporischschja und Dnipro sowie das südliche Cherson. Informationen zu möglichen Abschüssen, Schäden oder möglichen Opfern gab es zunächst noch nicht.

Russland hatte die Ukraine nach offiziellen Angaben erneut mit Kampfdrohnen und Raketen angegriffen. Von acht Drohnen habe die Luftverteidigung vier abwehren können, teilte die ukrainische Luftwaffe mit. Zudem habe die russische Armee die zentralukrainische Region Poltawa mit zwei Iskander-Raketen und das Gebiet Donezk mit umfunktionierten Flugabwehrraketen angegriffen.

Ukraines Marine-Befehlshaber: Auch auf See »Krieg der Technologien«

Die ukrainischen Seestreitkräfte spielen nach den Worten ihres Befehlshabers im Abwehrkampf gegen Russlands Marine die Rolle des David im Kampf gegen Goliath. Ohne eigene große Schiffe seien die ukrainischen Verbände bemüht, russische Kampfschiffe rund um die Krim zu bekämpfen und diese auch von der Küste der Ukraine fernzuhalten, erläuterte Vizeadmiral Olexij Neischpapa in einem Interview des britischen Senders Sky News.

Russland führt seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine seit fast zwei Jahren. Die Ukraine verteidigt sich mit westlicher Militärhilfe. Zu den bisher größten Erfolgen der ukrainischen Seestreitkräfte gehört die Versenkung des russischen Raketenkreuzers »Moskwa« im April 2022.

Zuletzt hat die Ukraine in geheimen Operationen mehrere Angriffe gegen die russischen Seestreitkräfte geführt. Dabei sollen unter anderem Schnellboote als Seedrohnen, Unterwasserdrohnen und selbst Jet-Skier eingesetzt worden sein. »Unsere Erfolge in den Jahren 2022 und 2023 basieren auf innovativen Lösungen«, sagte Neischpapa. Da sich Russland anpasse, müsse auch die Ukraine ihre Strategie anpassen. »Ein moderner Krieg ist ein Krieg der Technologien, und wer auch immer im technologischen Sinn gewinnt, trägt den Sieg davon.«

Kiew meldet »viele Verstöße« bei Versorgung von Militär

Nach Beschwerden des ukrainischen Militärs über Defizite bei Ausstattung und Versorgung hat Verteidigungsminister Rustem Umjerow Verfehlungen eingeräumt. Bei unangekündigten Kontrollen seien »viele Verstöße« registriert worden, teilte der Minister bei Facebook mit. Es seien auch Lebensmittelvorräte überprüft worden. Es fehlt demnach Proviant im Wert von mehr als 50 Millionen Hrywna (rund 1,2 Millionen Euro), der nicht geliefert worden sei.

»Wir nehmen die Verstöße auf und bearbeiten jeden Fall einzeln«, schrieb Umjerow in der Mitteilung. Für einige Militäreinheiten sei zuletzt schon der Lieferant gewechselt worden wegen der Vorkommnisse. Die unangekündigten Inspektionen, an denen auch die Geheimdienste und andere Sicherheitsorgane beteiligt seien, würden fortgesetzt, hieß es.

Ukraine-Krieg - Kiew
In Kiew werden zerstörte russische Militär-Fahrzeuge gezeigt. Foto: Christophe Gateau/DPA
In Kiew werden zerstörte russische Militär-Fahrzeuge gezeigt.
Foto: Christophe Gateau/DPA

London: Russland hat bisher 2600 Panzer verloren

Russland hat seit Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine nach britischer Schätzung etwa 2600 Kampfpanzer verloren. In den 23 Monaten bis zum 25. Januar 2024 seien zudem 4900 weitere russische gepanzerte Kampffahrzeuge zerstört worden, teilte das britische Verteidigungsministerium unter Berufung auf Geheimdienstinformationen mit.

Das britische Ministerium betonte zugleich, Russland könne wahrscheinlich mindestens 100 Panzer im Monat produzieren und verfüge deshalb über die Fähigkeit, Verluste auf dem Schlachtfeld auszugleichen und die Offensive auf absehbare Zeit fortzusetzen.

Kreml: Putin besucht die Türkei im Februar

Der russische Präsident Wladimir Putin will nach Kremlangaben im Februar seinen immer wieder angekündigten Besuch in der Türkei abhalten. »Ja, es wird ein Besuch vorbereitet«, sagte Putins außenpolitischer Berater Juri Uschakow der russischen Nachrichtenagentur Interfax. Ein Datum nannte er nicht. Es wäre Putins erster Besuch in einem Nato-Mitgliedsstaat seit Beginn seines Krieges gegen die Ukraine vor fast zwei Jahren.

Die Ukraine werde bei den Gesprächen in der Türkei eines der wichtigsten Themen sein, sagte Uschakow. Putin, der vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in der Ukraine per Haftbefehl gesucht wird, reist nicht oft ins Ausland. Der 71-Jährige dürfte mit der Reise vor der russischen Präsidentenwahl im März einmal mehr zeigen wollen, dass er auf der internationalen Bühne nicht isoliert ist.

Wo ist Kara-Mursa? - Sorge um inhaftierten russischen Kriegsgegner

Unterstützer des inhaftierten Kremlgegners Wladimir Kara-Mursa haben sich besorgt gezeigt über den unbekannten Aufenthaltsort des 42-Jährigen. Er habe seinem Freund Kara-Mursa vor wenigen Tagen einen Brief ins Straflager im sibirischen Omsk schicken wollen - daraufhin aber von der Gefängnisleitung die Antwort erhalten, dass der Oppositionspolitiker in eine andere Haftanstalt gebracht worden sei, schrieb der russische Menschenrechtler Alexander Podrabinek auf Facebook. In welchem Lager Kara-Mursa nun einsitzt, habe der Strafvollzug allerdings nicht bekannt gegeben.

Auch die Ehefrau des Kremlgegners, Jewgenija Kara-Mursa, schrieb, dass sie nicht wisse, wo ihr Mann sei. Kara-Mursa, der unter anderem Russlands Krieg gegen die Ukraine kritisierte, war im vergangenen April unter dem Vorwurf des Hochverrats zu 25 Jahren Lagerhaft verurteilt worden. Es ist die höchste Strafe, die bisher gegen einen Oppositionellen in Russland verhängt wurde.

Der Politiker, der Giftanschläge überlebte und deshalb gesundheitlich schwer angeschlagen ist, gilt als einer der schärfsten Kritiker von Kremlchef Wladimir Putin und wird international als politischer Gefangener eingestuft.

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