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Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Ein Frieden mit Putin? Undenkbar für Selenskyj. Der ukrainische Präsident verbindet eine Warnung mit neuen Aufrufen für mehr Hilfe für sein Land. Moskau will indessen noch schärfer gegen Kriegsgegner vorgehen. Der Überblick.

Wolodymyr Selenskyj
»Der Welt wird immer klarer, dass noch mehr Kriege am Horizont sein könnten«, sagt Wolodymyr Selenskyj. Foto: Efrem Lukatsky/DPA
»Der Welt wird immer klarer, dass noch mehr Kriege am Horizont sein könnten«, sagt Wolodymyr Selenskyj.
Foto: Efrem Lukatsky/DPA

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bekräftigt, dass er mit Russland unter Kremlchef Wladimir Putin keine Chance für einen Frieden sieht. »Er will keinen Frieden mit der Ukraine«, sagte Selenskyj im Interview des britischen Fernsehsenders Channel 4. Putin wolle vielmehr mit seinem Krieg weiter das gesamte Land einnehmen, meinte Selenskyj. Zugleich betonte er einmal mehr, dass die Unterstützung des Westens für die Ukraine überlebenswichtig sei.

»Sie können uns mehr helfen, um zu gewinnen«, sagte Selenskyj mit Blick auf die westlichen Verbündeten, die Milliardenzahlungen an die Ukraine leisten und Waffen und Munition liefern. Er dankte auch für die bisherige Unterstützung. »Wir hätten nicht ohne US-Hilfe überleben können«, sagte er angesichts der Debatten in Washington um die weitere Militärhilfe zur Unterstützung des ukrainischen Abwehrkampfes gegen die russische Invasion.

In dem Interview folgte Selenskyj auch der Bitte des Journalisten, Ex-US-Präsident Donald Trump einzuladen, damit der bei der Wahl im November erneut ins Amt strebende Politiker seine Pläne für eine Beendigung des Krieges vorstelle. »Ich lade Sie ein in die Ukraine, nach Kiew«, sagte Selenskyj, der Trump bereits zuvor eine solche Einladung ausgesprochen hatte. Er wolle hören, wie Trump seine Ankündigung, den Krieg binnen 24 Stunden zu beenden, umsetzen wolle. Dabei lehnte Selenskyj erneut Gebietsabtretungen an Russland ab, um einen Frieden zu erreichen.

Selenskyj erwartet neue Verteidigungspakete

Selenskyj erwartet nach eigenen Angaben neue bilaterale Sicherheitsabkommen mit verbündeten Staaten und weitere Waffenlieferungen. »Es wird neue Verteidigungspakete geben«, sagte Selenskyj in seiner in Kiew verbreiteten abendlichen Videobotschaft. Zudem solle es noch im Januar und im Februar weitere Abkommen über Sicherheitsgarantien für die Ukraine geben. Details nannte Selenskyj nicht. Zuletzt hatte die Ukraine laut Selenskyj mit Großbritannien als erstem Staat ein solches Abkommen geschlossen.

»Diese Architektur der Sicherheitsgarantien ist eine neue Architektur«, sagte der Staatschef. Damit werde faktisch das internationale Recht wiederhergestellt. Er sei den Freunden der Ukraine dankbar, die verstünden, dass Entscheidungen auf dem Schlachtfeld jetzt getroffen werden müssen und nicht aufzuschieben seien, weil das ansonsten Leben koste.

Kiews Präsidentenberater: »Anzahl der Waffen sollte groß sein«

Der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak geht davon aus, dass der Krieg nach den Vorstellungen des russischen Präsidenten Putin weitergehen werde, »bis er das gesamte Territorium der Ukraine erobert, bis er die Vorherrschaft in Europa erlangt, bis er andere postsowjetische Territorien erobert hat«.

Denn: »Ein Mensch zieht nicht in einen großen Krieg, nachdem er seinen Ruf und seine Beziehungen zerstört hat, wenn er sich mit wenig zufriedengeben will. Das ist Unfug«, sagte er der »Bild«. Es gebe nur ein Szenario: die maximale Stärkung der Ukraine mit Hightech-Waffen. »Alle sollten nicht reden, sondern viel in die militärische Produktion, in Verbrauchsgüter investieren: Langstreckenraketen, Drohnen, Granaten, Artilleriegeschütze. Die Anzahl der Waffen sollte groß sein.«

London: Russland kommt bei Angriffen am Dnipro nicht weiter

Russische Streitkräfte kommen nach britischer Einschätzung weiterhin nicht bei ihren Angriffen auf eine ukrainische Stellung am Fluss Dnipro voran. Sie seien mit allen Versuchen, die Ukrainer dort zu vertreiben, gescheitert, teilte das britische Verteidigungsministerium in London mit. Dabei seien die Russen dort höchstwahrscheinlich im Kräftevergleich überlegen.

»Es ist sehr wahrscheinlich, dass die schlechte Ausbildung und Koordination der russischen Streitkräfte in diesem Gebiet ihre Offensivfähigkeiten einschränkt«, schrieben die Briten bei X (früher Twitter). Es sei ein wichtiges Ziel der Russen, die Ukraine am Südufer des Flusses zum Rückzug zu zwingen.

Die Briten gehen davon aus, dass Russland seine Angriffe rund um den Ort Krynky im Süden der Ukraine deswegen in den kommenden Wochen »trotz zunehmender personeller Verluste« fortsetzen wird. Die Ukrainer halten am Fluss einen sogenannten Brückenkopf. Sie hätten die Angriffe bisher abgewehrt, aber Probleme mit Nachschublieferungen, teilte das Ministerium in London mit.

Slowakei will keinen Nato-Beitritt der Ukraine

Die Slowakei lehnt einen Nato-Beitritt der Ukraine ab und will notfalls ein Veto dagegen einlegen. Das sagte Ministerpräsident Robert Fico im öffentlich-rechtlichen Radio RTVS in Bratislava. Er werde am Mittwochmorgen in die Ukraine reisen und im Grenzort Uschhorod seinen Amtskollegen Denys Schmyhal treffen, kündigte der linksnationale Regierungschef an. Dabei wolle er Schmyhal ein neues humanitäres Hilfspaket vorlegen, zugleich aber auch unverblümt jene slowakischen Positionen erklären, die sich von den ukrainischen Wünschen unterscheiden.

»Ich sage ihm, dass wir einen ukrainischen Nato-Beitritt blockieren und ein Veto dagegen einlegen werden, denn er wäre nichts anderes als die Grundlage für einen Dritten Weltkrieg«, sagte Fico. Einen EU-Beitritt der Ukraine befürworte die Slowakei hingegen, wenn das Land die gleichen Bedingungen wie andere Beitrittskandidaten erfülle. Neuerlich betonte der von seinen Gegnern als »prorussisch« kritisierte Regierungschef, dass die Slowakei dem von Russland angegriffenen Nachbarland keine Waffen mehr aus Armeebeständen liefern, aber weiterhin Waffenverkäufe slowakischer Rüstungsfirmen zulassen werde.

Russischer Parlamentschef will Staatsfeinde enteignen

Russlands Parlamentschef Wjatscheslaw Wolodin will indessen Kriegsgegner und Staatsfeinde enteignen lassen. Ein Gesetzentwurf dazu werde an diesem Montag in der Staatsduma eingebracht, teilte Wolodin, der ein treuer Gefolgsmann von Kremlchef Putin ist, in Moskau mit. Es sei nötig, alle »Lumpen zu bestrafen, die mit Schmutz werfen auf unser Land, die Soldaten und Offiziere, die an der militärischen Spezialoperation teilnehmen«, schrieb der Duma-Chef. Militärische Spezialoperation ist die offizielle russische Bezeichnung für Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Das Gesetz ermögliche es, »Geld, Wertgegenstände und anderes Eigentum zu beschlagnahmen, die verwendet wurden oder bestimmt sind für die Finanzierung von krimineller Tätigkeit gegen die Sicherheit der Russischen Föderation«. Wolodin listet acht Vergehen auf, die zu einer Enteignung der Betroffenen führen können, darunter etwa auch die Forderung und Unterstützung von Sanktionen gegen Russland.

Russland hatte im Zuge seines Überfalls auf die Ukraine mehrere Gesetze erlassen, um Kriegsgegner zu bestrafen, etwa wegen Diskreditierung der Armee. Nun droht zusätzlich die Beschlagnahmung von Vermögen. Auch wer etwa internationale Organisationen, in denen Russland kein Mitglied ist, oder ausländische Behörden unterstützt, muss demnach künftig mit Enteignung rechnen. »Jeder, der versucht, Russland zu zerstören, Verrat begeht, soll seine verdiente Strafe erhalten und den dem Land zugefügten Schaden ersetzen mit seinem eigenen Vermögen«, sagte Wolodin.

© dpa-infocom, dpa:240120-99-682469/6