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Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Die Unterstützung aus Frankreich steht: »Wir können Russland nicht glauben lassen, es könnte den Krieg gewinnen«, erklärte Emmanuel Macron - und gab unter anderem Zusagen für Artillerie. Der Überblick.

Emmanuel Macron
Frankreich steht weiter an der Seite der Ukraine, wie Präsident Emmanuel Macron in einer Ansprache Cherbourg betonte. Foto: Christophe Petit-Tesson/DPA
Frankreich steht weiter an der Seite der Ukraine, wie Präsident Emmanuel Macron in einer Ansprache Cherbourg betonte.
Foto: Christophe Petit-Tesson/DPA

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat der russischen Führung »Wahnsinn« vorgeworfen und vor möglichen neuen Kriegen in der Welt gewarnt. »Wegen des Wahnsinns der russischen Führung sind alle Nationen der Welt nun mit einer Periode der Unbestimmtheit und Unsicherheit konfrontiert«, sagte Selenskyj in seiner in Kiew verbreiteten abendlichen Videobotschaft.

»Der Welt wird immer klarer, dass noch mehr Kriege am Horizont sein könnten«, schrieb der Präsident auch im sozialen Netzwerk X (vormals Twitter). Einmal mehr rief Selenskyj die internationale Gemeinschaft dazu auf, Russland mit vereinten Kräften zu schlagen.

»Wir haben die Stärke, das normale Leben zu erhalten«, sagte er. Die Welt könne das schaffen. »Die Stärke muss gerade jetzt eingesetzt werden, um Russland zu stoppen.« Das Land ist auf Waffen- und Munitionslieferungen des Westens für seine Verteidigung angewiesen. Selenskyj dankte einmal mehr den internationalen Verbündeten für die Hilfen. Wichtigstes Ziel sei es, das Land mit allem auszustatten, was es für die Vertreibung der russischen Besatzer brauche.

IAEA: Minenfund beim AKW Saporischschja

Unterdessen geht aus dem jüngsten Lagebericht der Internationalen Atomenergiebehörde in Wien hervor, dass die russischen Besatzer des ukrainischen Atomkraftwerks Saporischschja erneut Minen um die Anlage gelegt haben. Die Sprengkörper befinden sich demnach zwischen der inneren und äußeren Zaunanlage um das frontnahe AKW. Im vergangenen November waren dort Minen entfernt worden. Die neuerliche Verminung sei »unvereinbar« mit Sicherheitsstandards, kritisierte IAEA-Chef Rafael Grossi.

Er warnte außerdem, dass die russische Führung des Atomkraftwerks die Anlage in diesem Jahr voraussichtlich nicht umfassend warten werde. Den ständigen IAEA-Beobachtern vor Ort wurde in der vergangenen Woche ein Arbeitsplan vorgelegt, der jedoch aus Sicht der Atomenergiebehörde Mängel aufweist. »Diese Wartung muss durchgeführt werden, um die nukleare Sicherheit zu gewährleisten«, forderte Grossi.

Am Donnerstag fiel laut IAEA acht Stunden lang ein Teil des Notstromsystems aus. Obwohl die eigentliche Stromversorgung für die Kühlung des strahlenden Materials während dieser Zeit nicht unterbrochen war, äußerte sich Grossi erneut besorgt über die mangelnde Zuverlässigkeit der Sicherheitssysteme, die einen Atomunfall verhindern sollen.

Die Ukraine wehrt seit fast 23 Monaten eine großangelegte russische Invasion ab. Unterstützt wird das angegriffene Land bei der Verteidigung gegen die russischen Angreifer vom Westen.

Intensive Bodenkämpfe in der Ukraine

Die Gefechte am Boden nahmen an Intensität wieder zu, wie der Bericht des ukrainischen Generalstabs belegt. Am heftigsten rannten die russischen Truppen demnach wieder gegen die Frontstadt Awdijiwka an. In und um die Stadt dicht beim russisch beherrschten Donezk wurden 36 Gefechte verzeichnet. Die russische Armee versucht seit Oktober, die ukrainischen Verteidiger einzukesseln. Sie erlitt dabei hohe Verluste an Soldaten und Material.

Weiter nördlich besetzte das russische Militär eigenen Angaben zufolge das Dorf Wesjoloje im Gebiet Donezk. Der Ort sei unter Kontrolle, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Der Bericht des ukrainischen Generalstabs machte keine Angaben dazu. Schwere Gefechte wurden auch von den Frontabschnitten Kupjansk, Lyman, Marjinka und vom ukrainischen Brückenkopf am Südufer des Dnipro gemeldet. Außerdem lagen viele Dörfer und Städte in Frontnähe unter russischem Artilleriebeschuss, wie der Generalstab mitteilte.

Artillerie und Marschflugkörper aus Frankreich

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat der Ukraine weitere Unterstützung zur Abwehr des russischen Angriffskriegs zugesichert. »Wir sind nicht im Krieg gegen Russland, aber unsere Pflicht ist es, seinen Sieg unmöglich zu machen«, sagte Macron bei seiner Neujahrsansprache bei den Streitkräften auf dem Marinestützpunkt Cherbourg. »Wir können Russland nicht glauben lassen, es könnte den Krieg gewinnen.« Ein russischer Sieg wäre das Ende der europäischen Sicherheit. »Deshalb unterstützen wir die Ukrainer weiter.« Dies geschehe über die Ausbildung ukrainischer Soldaten sowie die Lieferung von Militärgütern im Bereich Artillerie, Boden-Luftverteidigung und für Fernschläge.

»Wir werden auch innovativ sein, um der Herausforderung durch den massiven Einsatz von Drohnen zu begegnen, dafür setzt Frankreich auf seine Verteidigungsindustrie«, sagte Macron. Die Verteidigungsindustrie befinde sich im Kriegsmodus und sei in der Lage, schneller und mehr zuliefern als zuvor, sagte der Präsident.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj dankte nach eigenen Angaben Macron in einem Telefonat für die zugesagte Rüstungshilfe. Neben den Haubitzen Caesar soll die Ukraine von Frankreich rund 40 weitere Marschflugkörper vom Typ Scalp sowie Hunderte Luft-Boden-Raketen des Typs A2SM erhalten, wie Verteidigungsminister Sébastian Lecornu in Paris ankündigte. Der zugeschaltete ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umjerow sagte, dass eine Stärkung der Artillerie ein Kernpunkt sei, um den Krieg für die Ukraine zu entscheiden. Es fehle an Munition.

Ukrainische Drohne fliegt bis St. Petersburg

Die Ukraine setzte eigenen Angaben nach erfolgreich eine Drohne bei der nordrussischen Großstadt St. Petersburg ein. »Ja, diese Nacht haben wir ein Ziel getroffen, und diese Drohne flog genau 1250 Kilometer«, sagte Industrieminister Olexander Kamyschin beim Weltwirtschaftsforum in Davos in der Schweiz. Die verwendete Drohne sei in der Ukraine produziert worden und habe umgerechnet etwas mehr als 320 Euro gekostet. Ukrainische Medien berichteten unter Berufung auf den Militärgeheimdienst von einem Angriff auf ein Treibstofflager im Hafen der Millionenstadt. Russischen Angaben zufolge wurden drei Drohnen abgefangen. Schäden habe es nicht gegeben.

Außenminister erwartet bald F-16 in der Ukraine

Die Vorbereitungen der Ukraine auf den Einsatz der Kampfjets des US-Typs F-16 laufen nach Angaben von Außenminister Dmytro Kuleba nach Plan. »Die Piloten bereiten sich vor. Die Ingenieure bereiten sich vor. Die Infrastruktur wird vorbereitet«, sagte Kuleba im Fernsehen. Alle Länder, die der Ukraine Jets zur Verfügung stellen wollten, kämen ihren Verpflichtungen nach. »Ich denke, dass wir in diesem Jahr die ersten F-16-Luftsiege in der Ukraine erringen werden«, sagte der Minister. Für sein Land habe es Priorität in diesem Jahr, die Luftüberlegenheit über Russland zu erlangen. Bislang fehlt es der Ukraine an Flugzeugen, um russische Jets zu bekämpfen. Die Niederlande und Dänemark wollen Dutzende F-16-Kampfjets abgeben.

Ukrainische Wirtschaft gewachsen

Die Wirtschaft der Ukraine wuchs nach Selenskyjs Angaben im vergangenen Jahr trotz der russischen Invasion um fünf Prozent im Vergleich zu 2022. Im selben Maße seien auch die Steuereinnahmen gestiegen, sagte der Staatschef in seiner Videoansprache. Ein ukrainisches Wirtschaftswachstum um die fünf Prozent war auch von der Europäischen Union erwartet worden. Es ist ein Erholungseffekt, nachdem die ukrainische Wirtschaft 2022 im ersten Jahr des Krieges um fast 30 Prozent geschrumpft war.

Pistorius schließt russischen Angriff auf Nato nicht aus

Verteidigungsminister Pistorius warnte vor einer Ausweitung des Ukraine-Krieges. »Wir hören fast jeden Tag Drohungen aus dem Kreml - zuletzt wieder gegen unsere Freunde im Baltikum«, sagte der SPD-Politiker dem »Tagesspiegel«. »Wir müssen also einkalkulieren, dass Wladimir Putin eines Tages sogar ein Nato-Land angreift.« Aktuell halte er einen russischen Angriff nicht für wahrscheinlich. »Unsere Experten rechnen mit einem Zeitraum von fünf bis acht Jahren, in denen das möglich sein könnte.« Er wolle mit seiner Warnung oder seiner Forderung, dass die Bundeswehr »kriegstüchtig« werden müsse, »unsere Gesellschaft damit auch wachrütteln«. Dafür müssten jetzt Vorkehrungen getroffen werden. Pistorius hatte bereits eine modifizierte Wehrpflicht ins Gespräch gebracht, für die er aus seinem Ministerium Vorschläge bis April erwartet.

US-General Christopher Cavoli hatte ein Großmanöver mit rund 90.000 Soldaten zur Abschreckung Russlands ab Februar angekündigt. Die rund vier Monate dauernde Übung soll die größte des Verteidigungsbündnisses seit Jahrzehnten sein.

Baltische Staaten wollen Grenze zu Russland mit Bunkern sichern

Die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen wollen ihre Grenzen zu Russland und Belarus mit Hunderten Bunkern gegen mögliche Angriffe sichern. Das teilten die Verteidigungsminister der drei EU- und Nato-Länder mit.

»Russlands Krieg in der Ukraine hat gezeigt, dass neben Ausrüstung, Munition und Personal auch Verteidigungsanlagen nötig sind, um Estland vom ersten Meter an zu verteidigen«, erklärte der estnische Verteidigungsminister Hanno Pevkur. Die drei Länder sehen sich besonders gefährdet gegenüber möglichen Angriffen. Sie wären aufgrund ihrer Lage im Osten der Ostsee für die Nato schwierig zu verteidigen.

»Das Ziel der baltischen Verteidigungslinie ist es, abzuschrecken und das Land vom ersten Zentimeter des Territoriums an zu verteidigen, das natürlich auch Nato-Territorium ist«, sagte der gastgebende lettische Verteidigungsminister Andris Spruds nach dem Treffen mit seinen baltischen Amtskollegen in Riga. »Wir stehen alle demselben herausfordernden, aggressiven Land gegenüber und grenzen daran.«

Der Bau der Anlagen soll Medienberichten zufolge 2025 beginnen. Zunächst seien etwa 55 Millionen Euro dafür eingeplant. Der Mitteilung zufolge soll ein System aus Bunkern und Versorgungslinien angelegt werden. In Friedenszeiten sollten weder Stacheldraht noch Minen oder Betonklötze zum Stoppen von Panzern an der Grenze gelegt werden. Sie würden aber in der Nähe in Bereitschaft gehalten, hieß es.

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