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Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Die Ukraine braucht Waffen, Frankreich will weitere liefern, aber Kiew wartet vor allem auf eine Zusage aus Washington. Die Kriegsparteien melden neue gegenseitige Luftangriffe. Der Überblick.

Odessa
In einem Wohnviertel in Odessa haben Trümmer einer abgeschossenen Drohnen den Boden aufgerissen. Foto: ukrin/DPA
In einem Wohnviertel in Odessa haben Trümmer einer abgeschossenen Drohnen den Boden aufgerissen.
Foto: ukrin/DPA

Frankreich will die Ukraine zur Abwehr des russischen Angriffskriegs in diesem Jahr mit 78 weiteren Haubitzen vom Typ Caesar beliefern. Außerdem soll die Ukraine von Frankreich rund 40 weitere Marschflugkörper vom Typ Scalp sowie Hunderte Luft-Boden-Raketen des Typs A2SM erhalten, kündigte Frankreichs Verteidigungsminister Sébastian Lecornu in Paris an.

Die Geschosse böten der Ukraine die Möglichkeit gezielter Angriffe auch weit hinter den russischen Linien an der Front. Kurzfristig solle die Ukraine in die Lage versetzt werden, ihr Staatsgebiet zu verteidigen und langfristig gehe es um den Aufbau der künftigen ukrainischen Artillerie mit Industriepartnerschaften, sagte er.

Für den Großteil der vom französischen Hersteller Nexter gefertigten Caesar-Haubitzen warb Lecornu noch um eine Finanzierung. Sechs von der Ukraine angeforderte Geschütze würden in den nächsten Wochen geliefert, für weitere 12 Haubitzen übernehme Frankreich die Finanzierung im Umfang von 50 Millionen Euro. »Es müssen noch 60 Caesar-Kanonen finanziert werden. Das ist der Appell, den ich an alle Verbündeten richte«, sagte Lecornu.

Der Minister erklärte, man habe die Luft-Boden-Raketen angepasst, damit sie von Flugzeugen sowjetischer Bauart abgefeuert werden könnten wie sie die ukrainische Luftwaffe aktuell nutze. Der per Video in Paris zugeschaltete ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umjerow sagte, dass eine Stärkung der Artillerie ein Kernpunkt sei, um den Krieg zugunsten der Ukraine zu entscheiden. Insbesondere fehle auch Munition. Russland feuere 20 mal so viele Geschosse ab, wie die Ukraine, sagte er.

US-Sonderbeauftragte optimistisch über Ukraine-Hilfen

Die US-Sonderbeauftragte für den Wiederaufbau der Ukraine, Penny Pritzker, zeigt sich im Streit um Milliardenhilfen für das von Russland angegriffene Land optimistisch. »Die Vereinigten Staaten müssen ihren Verpflichtungen gegenüber der Ukraine nachkommen, und ich glaube, das werden sie auch«, sagte Pritzker am Rande des Weltwirtschaftsforums im Schweizer Davos. Der politische Prozess in den USA sei in einem Wahljahr kompliziert »und manchmal hässlich und chaotisch.«

Die USA gelten als wichtigster Verbündeter der Ukraine im Abwehrkampf gegen die russische Invasion. Präsident Joe Biden beantragte bereits Ende Oktober beim US-Kongress mehr als 61 Milliarden US-Dollar zur weiteren Unterstützung. Die Republikaner haben die Freigabe der Mittel jedoch an eine Verschärfung der Asylpolitik in den USA geknüpft.

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba warb auf der Veranstaltung der Victor-Pinchuk-Stiftung in Davos für Hilfe bei der Luftverteidigung. Nötig seien Flugzeuge, Raketen, Abfangjäger. »Wer den Himmel kontrolliert, bestimmt das Ende des Kriegs«, sagte Kuleba. Er kritisierte Verzögerungen und langwierige Debatten über Hilfen. »Jeden Tag, den ihr hier diskutiert, stirbt jemand in der Ukraine.« Unter anderem forderte Kuleba, eingefrorene russische Gelder zugunsten seines Landes zu nutzen. Allein mit dem russischen Geld in Großbritannien, Luxemburg und der Schweiz könne die beschädigte Infrastruktur in der Ukraine repariert werden.

Ukraine und Russland melden neue gegenseitige Luftangriffe

Indessen melden die Ukraine und Russland erneut zahlreiche gegenseitige Luftangriffe. Die ukrainische Flugabwehr habe in der Nacht zum Donnerstag 22 von 33 Drohnen abgeschossen, teilten in Kiew die Luftstreitkräfte mit. Einige Drohnen hätten ihre Ziele nicht erreicht, hieß es. Russland habe vor allem die östlichen und südlichen Regionen des Landes attackiert. In der südukrainischen Hafenstadt Odessa sind den Behörden zufolge infolge der nächtlichen Angriffe elf Wohnhäuser und 134 Wohnungen beschädigt worden.

Gemeldet wurde zudem ein Raketenangriff auf die ostukrainische Region Charkiw - vom russischen Gebiet Belgorod aus. Die russischen Behörden wiederum berichteten über Beschuss mit Drohnen und Raketen von ukrainischer Seite.

Der Gouverneur von Belgorod, Wjatscheslaw Gladkow, teilte am Donnerstagmorgen mit, dass die russische Flugabwehr zehn ukrainische Raketen abgeschossen habe. Eine Frau sei verletzt worden. In einem Haus seien Scheiben zu Bruch gegangen.

Nach Darstellung Gladkows wurde das Gebiet Belgorod auch mit Drohnen und Artillerie angegriffen. Es seien mehrere Gebäude beschädigt worden. Belgorod beklagt seit längerem Beschuss von ukrainischer Seite. Gladkow zufolge werden nach den Angriffen von Ende Dezember weiter zahlreiche Menschen in Krankenhäusern behandelt.

Zuvor hatte auch der Moskauer Bürgermeister Sergej Sobjanin von einem neuen vereitelten Drohnenangriff auf die russische Hauptstadt berichtet. Das Flugobjekt sei im Moskauer Gebiet abgeschossen worden. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau wurde zudem eine Drohne im Leningrader Gebiet abgeschossen. Es habe sich jeweils um Versuche gehandelt, »Terroranschläge« gegen russische Regionen zu verüben, hieß es.

Minister: Drohne aus Ukraine flog bis St. Petersburg

Die Ukraine setzte eigenen Angaben nach erfolgreich eine Drohne bei der nordrussischen Großstadt St. Petersburg ein. »Ja, diese Nacht haben wir ein Ziel getroffen, und dieses Stück flog genau 1250 Kilometer«, sagte der für Rüstung zuständige Industrieminister Olexander Kamyschin bei einer öffentlichen Diskussion beim Weltwirtschaftsforum in Davos in der Schweiz. Die verwendete Drohne sei in der Ukraine produziert worden und habe umgerechnet etwas mehr als 320 Euro gekostet, sagte er der Agentur Interfax-Ukraine zufolge.

Zuvor hatten ukrainische Medien unter Berufung auf Quellen beim Militärgeheimdienst von einem Angriff auf ein Treibstofflager im Hafen der nordrussischen Millionenstadt berichtet. Russischen Angaben zufolge wurden drei Drohnen rechtzeitig abgefangen. Schäden habe es nicht gegeben.

Ukrainischer Außenminister erwartet 2024 erste F-16-Einsätze

Die Vorbereitungen der Ukraine auf den Einsatz der Kampfjets F-16 im Jahr 2024 laufen nach Angaben von Außenminister Dmytro Kuleba nach Plan. »Die Piloten bereiten sich vor. Die Ingenieure bereiten sich vor. Die Infrastruktur wird vorbereitet«, sagte Kuleba in der Dauernachrichtensendung des ukrainischen Fernsehens. Alle Länder, die der Ukraine Jets zur Verfügung stellen wollten, kämen ihren Verpflichtungen nach.

»Ich denke, dass wir in diesem Jahr die ersten F-16-Luftsiege in der Ukraine erringen werden«, sagte der Minister. Für sein Land habe es Priorität in diesem Jahr, die Luftüberlegenheit über Russland zu erlangen. Der Sieg im Krieg werde davon abhängen, wer den Himmel kontrolliere, sagte Kuleba.

Russland will Dorf in Donezker Gebiet besetzt haben

Russlands Militär will eigenen Angaben zufolge ein kleines Dorf im ostukrainischen Gebiet Donezk besetzt haben. Der Ort Wesjoloje sei nun »unter Kontrolle«, teilte das russische Verteidigungsministerium am Donnerstag mit. Unabhängig überprüft werden können die Angaben aus Moskau bisher nicht. Von ukrainischer Seite gab es noch keine Reaktion.

Da es im Gebiet Donezk mehrere Dörfer namens Wesjoloje gibt, ist nicht ganz klar, um welches es ging. Russische Medien vermuten, es gehe um einen kleinen Ort nördlich der Stadt Soledar, in dem mehrere Jahre vor dem Krieg rund 100 Menschen lebten.

Knapp 1000 Russen droht Ausweisung aus Lettland

In Lettland erhielten fast 1000 russische Staatsbürger einen Brief von der Migrationsbehörde mit der Aufforderung, binnen zwei Wochen freiwillig auszureisen oder ihren rechtlichen Status in dem baltischen EU- und Nato-Land zu regeln. Ansonsten könnte es auch zu Zwangsausweisungen kommen, sagte Behördenleiterin Maira Roze im lettischen Fernsehen. Hintergrund sind Änderungen an Lettlands Ausländerrecht, die im Herbst 2022 in Reaktion auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine beschlossen wurden.

Um weiterhin legal in Lettland leben zu können, müssen russische Staatsbürger einen dauerhaften Aufenthaltsstatus beantragen und dafür alltagstaugliche Lettisch-Kenntnisse nachweisen. Personen, die nicht fristgerecht den Sprachnachweis erbracht und die rechtlichen Vorgaben nicht erfüllt haben, müssen das Land verlassen. Betroffen davon sind nach Behördenangaben gegenwärtig 985 Menschen. Weitere 2500 Personen könnten im April dazukommen.

© dpa-infocom, dpa:240118-99-655001/7