Kremlchef Wladimir Putin hat Kiews Gegenoffensive einmal mehr für »komplett gescheitert« erklärt und von einer Verbesserung der russischen Positionen in der Ukraine gesprochen. Auf dem gesamten Gebiet der »militärischen Spezialoperation«, wie Putin seinen Krieg offiziell nennt, verbesserten die russischen Streitkräfte ihre Lage, behauptete der Präsident.
Die russischen Streitkräfte seien in einer Phase der »aktiven Verteidigung«, sagte Putin in einem am Sonntag veröffentlichen Videoclip des Staatsfernsehens. Die Gefechte im Kriegsgebiet dauern an. In Kiew zeigte sich auch Präsident Wolodymyr Selenskyj erneut siegessicher.
Die Ukraine bereite an einzelnen Abschnitten der Front neue Kampfhandlungen und Offensivoperationen vor, sagte Putin. »Und wir werden darauf in entsprechender Weise reagieren«, betonte er. Russland überzieht die Ukraine seit mehr als anderthalb Jahren mit einem beispiellosen Krieg.
Am Sonntag starben nach ukrainischen Angaben zwei Menschen durch russischen Beschuss eines Dorfes im Gebiet Charkiw in der Ostukraine. Der Generalstab in Kiew informierte über Dutzende Gefechte im Kriegsgebiet. Dagegen meldete das Verteidigungsministerium in Moskau den Abschuss von 27 ukrainischen Drohnen, die meisten davon in der russischen Grenzregion Kursk. Nach Angaben des Ministeriums in Moskau stieg ein Kampfjet der Flugabwehr über dem Schwarzen Meer auf, um eine US-Drohne daran zu hindern, sich der russischen Grenze zu nähern. Ähnliche Vorfälle soll es bereits in der Vergangenheit gegeben haben. Die Angaben sind von unabhängiger Seite nicht überprüfbar.
Die Ukraine, die seit Beginn des russischen Einmarsches am 24. Februar 2022 um ihr Überleben und ihre Unabhängigkeit kämpft, verteidigt sich mit westlicher militärischer Unterstützung. Bei der laufenden Gegenoffensive will sie ihre von Russland besetzten Gebiete zurückerobern und hat dabei auch vereinzelt Erfolge erzielt. Russland hat sich unter Bruch des Völkerrechts die Regionen Saporischschja, Cherson, Luhansk und Donezk einverleibt, kontrolliert aber keines der Gebiete vollständig.
London: Russland baut neue Bahnstrecke zur Versorgung in Südukraine
Zur Versorgung seiner Truppen im Krieg gegen die Ukraine setzt Russland nach britischer Einschätzung massiv auf die Schiene. »Russland unterhält und verbessert mit ziemlicher Sicherheit weiterhin seine Eisenbahnverbindungen in der Ukraine und baut eine neue Eisenbahnlinie nach Mariupol, was die Transportzeiten für Lieferungen an die Saporischschja-Front verkürzen wird«, teilte das britische Verteidigungsministerium mit. Russland nutze dafür zivile Auftragnehmer und Ausrüstung. Dies werde den Ukrainern wahrscheinlich die Zielerfassung erschweren und zudem russische Kapazitäten an anderer Stelle erhalten.
»Russland nutzt seine Schienennetze, um Munition, Rüstung, Treibstoff und Personal in die Ukraine zu transportieren«, hieß es in London weiter. »Das Schienennetz in der besetzten Ukraine bleibt weitgehend funktionsfähig, ist jedoch anfällig für sporadische Unterbrechungen durch ukrainische Artillerie, Raketen und Sabotage.« Die neue Strecke liege in Reichweite ukrainischer Angriffssysteme. Allerdings seien für die Zerstörung des Schienenverkehrs gezielte und andauernde Angriffe von Luft- und/oder Bodentruppen nötig.
Umfrage: Mehrheit steht hinter Nein des Kanzlers zu Taurus-Raketen
Zwar dankte in Kiew Präsident Selenskyj einmal mehr für die westliche Militärhilfe im Kampf gegen die russische Invasion. Trotzdem wächst in der Ukraine die Sorge, dass die Hilfe des Westens nachlassen könnte. Selenskyj betonte, dass der Mut und der Widerstandsgeist der Ukrainer das Land am Ende zum Sieg führen werde.
Eine Mehrheit der Deutschen unterstützt die Entscheidung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), keine Marschflugkörper vom Typ Taurus in die Ukraine zu liefern. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur stellen sich 55 Prozent hinter das Nein des Kanzlers, nur 26 Prozent halten die Entscheidung für falsch.
Scholz hatte Anfang Oktober nach monatelanger Prüfung entschieden, vorerst keine der Präzisionswaffen mit einer Reichweite von 500 Kilometern in die Ukraine zu liefern. Er begründete dies damit, dass Deutschland in den Krieg hineingezogen werden könnte. Dahinter steckt die Befürchtung, dass auch russisches Territorium von den Taurus-Raketen getroffen werden könnte. Die Ukraine hatte bereits im Mai um die Waffen gebeten, um russische Stellungen weit hinter der Frontlinie angreifen zu können. Die Union, aber auch einzelne Politiker der Koalitionsparteien Grüne und FDP hatten die Entscheidung kritisiert.
Deutschland gilt als zweitwichtigster Waffenlieferant der Ukraine nach den USA und hat unter anderem bereits Kampfpanzer, schwere Artillerie und Flugabwehrsysteme für den Kampf gegen die russischen Angreifer zur Verfügung gestellt. In der Bevölkerung stößt das auf ein geteiltes Echo: 39 Prozent der von YouGov Befragten geht die militärische Unterstützung zu weit. 29 Prozent meinen, es würden genau im richtigen Ausmaß Waffen geliefert. 18 Prozent sind der Auffassung, die Bundesregierung sollte noch mehr Waffen bereitstellen.
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