Logo
Aktuell Ausland

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Der Bundeskanzler betont die Bedeutung der Konvention zur Ächtung von Streumunition. Indes sind nach dem Aufstand gegen Moskau die Wagner-Söldner nun in Belarus. Die aktuellen Entwicklungen.

Ukraine-Krieg
Ein Mann geht an einem Schild vorbei, auf dem »Be brave like Ukraine« steht. Foto: Jae C. Hong/DPA
Ein Mann geht an einem Schild vorbei, auf dem »Be brave like Ukraine« steht.
Foto: Jae C. Hong/DPA

Söldner der russischen Privatarmee Wagner sind nach wochenlangen Spekulationen um ihren Verbleib nach Angaben aus Minsk nun in Belarus angekommen. Die Männer hätten als Ausbilder für eine Reihe militärischer Disziplinen nun die Arbeit aufgenommen, teilte das belarussische Verteidigungsministerium mit.

Russland Präsident Wladimir Putin wollte nach eigenen Angaben die Söldner-Gruppe Wagner trotz ihres Aufstands Ende vergangenen Monats zunächst weiter in der Ukraine kämpfen lassen. Das habe Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin bei einem Treffen im Kreml jedoch abgelehnt, zitierte ihn die russische Tageszeitung »Kommersant«.

Nach dem Eintreffen von Streumunition aus den USA in der Ukraine wertete Bundeskanzler Olaf Scholz Washingtons Lieferung erneut als deren souveräne Entscheidung. Er betonte aber auch die Bedeutung des Vertrags zur Ächtung dieser Art von Munition. Anders als die USA und die Ukraine hatte Deutschland diesen Vertrag unterzeichnet. Dass US-Streumunition inzwischen in der Ukraine eingetroffen ist, hatte der ukrainische Brigadegeneral Olexander Tarnawskyj zuvor dem US-Sender CNN bestätigt.

Sowohl die Ukraine als auch Russland berichteten am Freitag über Drohnenangriffe auf ihrem Staatsgebiet. Dabei soll laut Angaben des Kremls auf russischer Seite eine Frau ums Leben gekommen sein.

Minsk: Wagner-Kämpfer bilden Truppen in Belarus aus

Das Lager der Wagner-Söldner in Belarus befindet sich laut dem Verteidigungsministerium in Minsk in Ossipowitschi rund 100 Kilometer südöstlich der Hauptstadt. Auf einem Video waren die maskierten Uniformierten nicht zu erkennen. Zu sehen waren aber Übungen an der Waffe auf einem Truppenübungsplatz.

Eine Moderatorin in einem Video des Ministeriums sagte, dass die Wagner-Söldner den belarussischen Streitkräften ihre Kampferfahrung vermittelten. Soldaten in dem Land, das unter Machthaber Alexander Lukaschenko ein enger Verbündeter Russlands ist und seine Gebiete auch für Angriffe auf die Ukraine hergibt, äußerten sich in dem Clip dankbar für die Unterweisungen.

Lukaschenko hatte angekündigt, dass Wagner-Truppen sich in Belarus niederlassen würden. Ausgebildet würden Soldaten der Territorialverteidigung, sagte der Offizier Maxim Pajewski vom belarussischen Generalstab.

Wagner-Chef Prigoschin und Dutzende seiner Kommandeure hatten sich wenige Tage nach einem am 24. Juni rasch wieder beendeten Aufstand gegen die russische Militärführung mit Präsident Wladimir Putin im Kreml getroffen. Zu Ergebnissen der dreistündigen Aussprache machte der Kreml keine Angaben. Putin und Lukaschenko hatten aber darüber informiert, dass Wagner in Belarus eine neue Basis finden könne.

Die Wagner-Armee, die bei der Revolte im Juni unter anderem die südrussische Rostow am Don besetzt hatte, hat inzwischen einen großen Teil der Waffen, Munition und Militärtechnik an das Moskauer Verteidigungsministerium übergeben.

Putin hatte den Aufständischen Straffreiheit zugesichert und ihnen Verträge mit dem Ministerium angeboten. Die Mehrheit steht aber dem Vernehmen nach hinter Prigoschin, der abgetaucht ist. Offiziell hat die Wagner-Armee nach Angaben von Prigoschin eine Auszeit bis Anfang August.

Putin wollte Wagner-Söldner weiter in Ukraine kämpfen lassen

Putin hatte eigenen Angaben zufolge den Wagner-Söldnern nach ihrer Revolte gegen die Militärführung angeboten, in der Ukraine weiter unter eigenem Kommando zu kämpfen. »Viele haben genickt, als ich das sagte«, beschrieb Putin in der Tageszeitung »Kommersant« (Freitag) ein Treffen im Kreml mit der Privatarmee. Prigoschin sei es aber auch gewesen, der das Angebot abgelehnt habe.

Die Söldnertruppe Wagner kämpfte monatelang an der Seite regulärer Moskauer Truppen in Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. Bekanntheit erlangte sie durch die Kämpfe um die Stadt Bachmut.

Scholz verweist auf »souveräne« Entscheidung der USA zu Streumunition

Deutschland habe die souveräne Entscheidung anderer Staaten nicht zu kommentieren, sagte Kanzler Scholz am Freitag in seiner Sommer-Pressekonferenz in Berlin mit Blick auf die Lieferung von US-Streumunition an die Ukraine. Die US-Regierung habe »eine Entscheidung getroffen, die nicht unsere ist, aber die sie souverän getroffen hat« - mit dem Hinweis, dass sie sonst nicht ausreichend Munition zur Verfügung stellen könne.

Zugleich unterstrich der SPD-Politiker auch den Vertrag zur Ächtung von Streumunition. Es gehe darum, »dass nicht nach dem Krieg und außerhalb der Kriegsparteien von zufällig herumliegender Munition andere bedroht werden«.

Als Streumunition werden Raketen und Bomben bezeichnet, die in der Luft über dem Ziel bersten und viele kleine Sprengkörper verstreuen. Umstritten ist sie vor allem, weil ein erheblicher Teil davon nicht detoniert, sondern als Blindgänger vor Ort verbleibt und so die Bevölkerung gefährdet.

Ukraine und Russland berichten über neue Drohnenangriffe

Sowohl die Ukraine als auch Russland meldeten unterdessen neue Drohnenattacken. In der Stadt Krywyj Rih, dem Geburtsort des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, habe eine Drohne ein Verwaltungsgebäude zerstört und weitere Gebäude eines kommunalen Unternehmens beschädigt, teilte der Militärgouverneur des Gebiets Dnipropetrowsk, Serhij Lyssak, mit. Er veröffentlichte in seinem Telegram-Kanal auch Bilder der Schäden. Ein Mann sei verletzt worden. Es seien auch zwei Wohnhäuser beschädigt worden.

Im russischen Gebiet Brjansk starb eine Frau in einem Dorf nach Behördenangaben durch Artilleriefeuer von ukrainischer Seite; auf Fotos waren schwere Zerstörungen und ein großes Feuer zu sehen. Russland berichtete zudem vom Einsatz seiner Flugabwehr im Gebiet Woronesch, wo drei Drohnen abgeschossen worden seien. Die Angaben der beiden Kriegsparteien ließen sich zunächst nicht unabhängig prüfen.

Selenskyj dämpft Erwartungen zu Rückeroberungen von Gebieten

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj dämpft die Erwartungen an die laufende Kiewer Offensive. »Wir müssen ganz klar - so klar wie möglich - begreifen, dass die russischen Streitkräfte in unseren südlichen und östlichen Gebieten alles ihnen Mögliche tun werden, um unsere Soldaten aufzuhalten«, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache.

Daher müsse man für jeden Kilometer, den die eigenen Truppen vorwärts kämen und für jeden Erfolg im Kampf dankbar sein, mahnte er. Die Aussage ist ein Indiz für die Schwierigkeiten, mit denen das ukrainische Militär bei seiner Offensive konfrontiert ist.

US-Institut sieht fragile Kommandostrukturen in Moskaus Ukraine-Krieg

Nach der Kritik des inzwischen abgesetzten russischen Generals Iwan Popow an der Kriegsführung in der Ukraine sehen westliche Experten schwere Probleme in Moskaus Kommandostrukturen. Popows Absetzung im Zuge seiner Kritik an Missständen und dem hohen Verlust russischer Soldaten bestätige, dass Moskaus Verteidigungsstellungen in der Ukraine »wahrscheinlich brüchig« seien, hieß es in einer Analyse des US-Instituts für Kriegsstudien (ISW). Die Experten verwiesen auf ihre früheren Einschätzungen, nach denen die russischen Streitkräfte keine Reserven etwa für Rotationen hätten.

Im Falle eines Durchbruchs ukrainischer Kräfte bei deren Gegenoffensive blieben die russischen Stellungen ohne Unterstützung, meinten die ISW-Experten. Sie erwarten zwar, dass Popows Abgang unmittelbar allenfalls »marginale« Auswirkungen habe. Sie betonen aber: »Die immer fragilere russische Befehlskette könnte in Zukunft zu einer kritischen Kommando- und Kontrollkrise führen, in der die Unterstützung der Feldkommandeure für das russische Militärkommando immer schwächer werden könnte.«

Serbien lässt russischen Anti-Kriegs-Aktivisten einreisen

Zwei Tage nach einem Einreiseverbot lässt Serbien den russischen Anti-Kriegs-Aktivisten Pjotr Nikitin nun doch einreisen. Das teilte Nikitin auf seinem Facebook-Profil mit. Weder für das Verbot der Einreise noch über dessen Aufhebung wurde eine offizielle Begründung bekannt.

Man habe ihn aufgefordert, das Land per Flugzeug zu verlassen, doch er habe sich geweigert und sei in einer Hafteinrichtung des Airports geblieben, erklärte der 42-jährige Russe. Er lebt seit sieben Jahren mit einer Aufenthaltsgenehmigung in Serbien und hat dort zwei Kinder. »Es gibt keine andere Erklärung (für das Verhalten der Grenzpolizei) als meine Anti-Kriegs-Aktivitäten im Rahmen der Russischen Demokratischen Gesellschaft«, schrieb Nikitin.

Abt des Kiewer Höhlenklosters Pawlo in Untersuchungshaft

Der bisher unter Hausarrest stehende Abt des weltberühmten Kiewer Höhlenklosters Pawlo wurde von einem Gericht der ukrainischen Hauptstadt nun in Untersuchungshaft genommen. Dem Metropoliten der ukrainisch-orthodoxen Kirche werde die Rechtfertigung des russischen Angriffskriegs und nationale Hetze vorgeworfen, berichtete der nationale Rundfunk Suspilne Media. Die U-Haft gilt bis zum 14. September.

Seit Monaten schon gehen die ukrainischen Behörden gegen die Mönche der ukrainisch-orthodoxen Kirche vor. Präsident Wolodymyr Selenskyj sieht die Kirche von moskautreuen Spionen durchsetzt. Tatsächlich war die ukrainisch-orthodoxe Kirche bis zum Kriegsbeginn eng mit dem Moskauer Patriarchat verbandelt. Erst danach hat sie sich von Moskau losgesagt. Trotzdem gilt sie in Kiew als politisch unzuverlässig.

© dpa-infocom, dpa:230714-99-397940/11