Logo
Aktuell Ausland

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Ein schnelles Zurückdrängen russischer Truppen aus der Ukraine wird es Präsident Selenskyj zufolge nicht geben. Eine Konferenz legt die Basis für einen Wiederaufbau der Ukraine. Die News im Überblick.

Ukraine-Krieg - Awdijiwka
Ein ukrainischer Soldat feuert auf russische Stellungen an der Frontlinie in der Region Donezk. Foto: Evgeniy Maloletka/DPA
Ein ukrainischer Soldat feuert auf russische Stellungen an der Frontlinie in der Region Donezk.
Foto: Evgeniy Maloletka/DPA

Die Gegenoffensive der ukrainischen Armee wird nach Einschätzung vom Präsident Wolodymyr Selenskyj nicht schnell zu einer Befreiung aller von Russland besetzten Gebiete führen. »Manche Menschen glauben, das ist ein Hollywood-Film, und erwarten jetzt Ergebnisse. Aber so ist es nicht«, sagte er dem britischen Sender BBC. »Was auf dem Spiel steht, sind Menschenleben.« Selenskyj dämpfte damit einmal mehr die Erwartungen an ein zeitnahes Zurückdrängen der russischen Truppen.

Die EU-Staaten verständigten sich unterdessen auf ein neues Paket mit Sanktionen gegen Russland. Es umfasst Strafmaßnahmen gegen weitere Personen und Organisationen, die den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine unterstützen, aber auch ein Instrument gegen die Umgehung von bereits erlassenen Sanktionen, wie die schwedische Ratspräsidentschaft in Brüssel mitteilte.

Bei einer Konferenz in London wurden am Mittwoch, dem 483. Tag des russischen Angriffskrieges, Fundamente für einen Wiederaufbau der Ukraine gelegt. An den Beratungen nahmen unter anderem Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen teil.

Von der Leyen: Kein Zweifel an künftigem EU-Beitritt der Ukraine

Die EU-Kommissionspräsidentin hat eigenen Angaben zufolge »keinen Zweifel« daran, dass die Ukraine eines Tages der EU beitreten wird. Kiew habe seine Reform-Agenda mit »beeindruckender Geschwindigkeit und Entschlossenheit beschleunigt«, sagte sie in London. Der Kommissionschefin zufolge will die EU eingefrorenes russisches Vermögen für die Unterstützung der Ukraine einsetzen. Dafür werde die EU-Kommission vor der Sommerpause einen Plan vorlegen. Von der Leyen fügte hinzu: »Der Täter muss zur Verantwortung gezogen werden«.

Baerbock sagt 381 Millionen Euro für Ukraine zu

Deutschland will der Ukraine im laufenden Jahr zusätzliche humanitäre Unterstützung von 381 Millionen Euro zukommen lassen. Das Geld sei etwa für Generatoren, Lebensmittel und Zelte bestimmt, sagte Außenministerin Baerbock bei der Konferenz. Seit Kriegsbeginn belaufe sich die deutsche Hilfe für Kiew damit auf 16,8 Milliarden Euro. Langfristig sei Geld nicht genug, sagte Baerbock. »Wir helfen der Ukraine, in erneuerbare Energien und Energieeffizienz zu investieren.« Damit könne der Wiederaufbau der Ukraine auf eine dauerhafte und nachhaltige Weise gestaltet werden.

Blinken kündigt zusätzliche Mittel an

US-Außenminister Antony Blinken kündigte in London 1,3 Milliarden US-Dollar (1,19 Mrd Euro) an zusätzlichen Mitteln für die Ukraine an. Allein 520 Millionen Dollar seien für die Reparatur des ukrainischen Energienetzes vorgesehen, um es sauberer und widerstandsfähiger zu machen. Zusammen mit Reformen des Energiemarkts könne die Ukraine damit ein bedeutender Energieexporteur werden.

Blinken + Schmyhal
US-Außenminister Antony Blinken (l) und der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal bei der Internationalen Konferenz zum Wiederaufbau der Ukraine in London. Foto: Leah Millis/DPA
US-Außenminister Antony Blinken (l) und der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal bei der Internationalen Konferenz zum Wiederaufbau der Ukraine in London.
Foto: Leah Millis/DPA

Selenskyj bremst Erwartungen

Der ukrainische Präsident Selenskyj sagte der BBC, insgesamt laufe der ukrainische Vormarsch »langsamer als gewünscht«. »Was auch immer einige wollen, einschließlich der Versuche, uns unter Druck zu setzen - bei allem Respekt: Wir werden auf dem Schlachtfeld so vorgehen, wie wir es für richtig halten.« Der ukrainische Generalstabssprecher Andrij Kowaljow sprach ohne Details von Teilerfolgen an einigen Abschnitten. In der Ostukraine seien die ukrainischen Truppen hingegen weitgehend in der Defensive. Schwere Kämpfe gebe es zwischen Jampoliwka und Schypyliwka an der Grenze zwischen Luhansker und Donezker Gebiet.

Wiederaufbau bedeutet für Kiew ideologischen Sieg

Selenskyj betrachtet eine Wiederherstellung normaler Verhältnisse in der Ukraine als »ideologischen Sieg« über Russland. Das sagte er bei der Konferenz in London, zu der er per Video zugeschaltet war. Die Augen der Welt seien darauf gerichtet, ob Kiew dies mithilfe der Verbündeten gelingen werde. Die Freiheit müsse siegen.

Nach dem Krieg soll die Ukraine, so Selenskyjs Hoffnung, Russland als Energielieferant für Europa ersetzen. »Die Ukraine kann und wird einer der Schlüssellieferanten für umweltfreundliche Elektroenergie und grünen Wasserstoff für Europa werden«. Das Potenzial schätzte er auf über 360 Milliarden Euro.

Wolodymyr Selenskyj
Wolodymyr Selenskyj ist der Ukraine Recovery Conference in London per Video zugeschaltet. Foto: Henry Nicholls/DPA
Wolodymyr Selenskyj ist der Ukraine Recovery Conference in London per Video zugeschaltet.
Foto: Henry Nicholls/DPA

Russland meldet Angriff mit drei Drohnen auf Moskau

Unweit der russischen Hauptstadt Moskau ist nach Angaben des Verteidigungsministeriums am Mittwoch ein neuer Drohnenangriff abgewehrt worden. Drei unbemannte Flugkörper seien am frühen Morgen auf Objekte im Umland zugeflogen, dann aber vom Kurs abgelenkt und zum Absturz gebracht worden, teilte das Ministerium mit. Zwei Drohnen stürzten nahe einer Militäreinrichtung auf den Boden. Verletzt wurde nach diesen Angaben niemand. Moskau machte ohne Belege die Ukraine verantwortlich. Die Regierung in Kiew äußerte sich nicht.

UN-Organisation fordert Marshall-Plan zur Minenräumung

In der Ukraine sind Industrie und Landwirtschaft nach Einschätzung einer UN-Organisation durch Unmengen von Landminen auf Jahre hinaus schwer beeinträchtigt. Das UN-Entwicklungsprogramm UNDP forderte für das Land eine Art Marshall-Plan. Der Leiter des Programms für Landminenräumung, Paul Heslop, verglich die Situation mit der Lage in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg. Pro Jahr seien bis zu 275 Millionen Euro erforderlich, über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren. Der Marshall-Plan war ein Programm, das die USA nach dem Zweiten Weltkrieg zum Wiederaufbau Europas ins Leben riefen.

© dpa-infocom, dpa:230621-99-128726/15