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Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Die finnische Regierungschefin bringt ihre Solidarität bei einem Besuch in Kiew zum Ausdruck. Moskau versucht, den nächsten ukrainischen Gegenschlag vorherzusehen. Nachrichten im Überblick.

Marin besucht die Ukraine
Finnlands Ministerpräsidentin Sanna Marin ist nach Kiew zu Wolodymyr Selenskyj gereist. Foto: Ukrainian Presidential Press Office via AP
Finnlands Ministerpräsidentin Sanna Marin ist nach Kiew zu Wolodymyr Selenskyj gereist.
Foto: Ukrainian Presidential Press Office via AP

Die finnische Ministerpräsidentin Sanna Marin hat am Freitag die ukrainische Hauptstadt Kiew besucht. Gemeinsam mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nahm sie an einer Gedenkfeier für einen Soldaten teil, der in der noch immer heftig umkämpften ostukrainischen Stadt Bachmut getötet worden war.

Angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hatte Finnland im Mai 2022 ebenso wie das benachbarte Schweden die Mitgliedschaft in der Nato beantragt. Für die beiden nördlichsten Länder der EU war dies nach langer Zeit der militärischen Bündnisfreiheit ein historischer Schritt. Für Finnland kommt hinzu, dass es eine rund 1340 Kilometer lange Grenze zu Russland hat.

Es fehlt jedoch noch die Zustimmung der beiden Nato-Mitgliedsländer Türkei und Ungarn. Während aus Budapest mit einem baldigen Ja gerechnet wird, gibt sich Ankara bisher stur. Nach wochenlanger Pause trafen sich Unterhändler der drei Länder am Donnerstag zumindest erstmals wieder zu Gesprächen in Brüssel.

Marin und Selenskyj bei Gedenkfeier

In der Kiewer Michaels-Kathedrale legten Marin und Selenskyj Blumen am offenen Sarg des 27-jährigen Soldaten nieder, der die höchste Auszeichnung des Landes »Held der Ukraine« getragen hatte. »Es ist schmerzhaft, unsere Helden zu verlieren - mutige, tapfere, starke. Die sich selbst und dem Staat treu bleiben«, schrieb Selenskyj in sozialen Netzwerken.

Selenskyj verurteilt Raketenangriffe

Nach erneuten Raketenangriffen auf die Energieinfrastruktur des Landes hatte Selenskyj am Donnerstag weitere Sanktionen gegen Moskau gefordert. Es müsse mehr Druck auf Russland geben, sagte der ukrainische Präsident in seiner abendlichen Videobotschaft. Dabei kritisierte er auch, dass durch einen Raketenschlag das von Russland besetzte Atomkraftwerk Saporischschja erneut zeitweilig vom Stromnetz abgekappt war.

Russland könne deshalb in der atomaren Sphäre kein verlässlicher Partner mehr sein. »Das bedeutet, je schneller Russlands Nuklearindustrie Ziel von Sanktionen ist, desto sicherer wird die Welt sein. Einem Terrorstaat kann nicht erlaubt werden, Atomanlagen irgendwo in der Welt für Terror zu benutzen«, sagte Selenskyj mit Blick auf Saporischschja.

Russland ist einer der größten Exporteure von Atomtechnologien weltweit. Mit russischer Technologie wurden so Meiler in China und dem Iran gebaut. Aber auch in Indien, Bangladesch, der Türkei und Ägypten gibt es Kraftwerksprojekte unter russischer Beteiligung. Selbst in der EU gibt es Kunden für den staatlichen Moskauer Betreiber Rosatom. Finnland hat zwar sein AKW-Projekt auf Eis gelegt, doch in Ungarn baut Russland gleich an zwei neuen Reaktoren mit.

Nach Einschätzung britischer Geheimdienstexperten dürfte die Frequenz russischer Raketenangriffe jedoch aus Mangel an geeigneten Raketen abnehmen. Das ging aus dem täglichen Geheimdienst-Update zum Ukraine-Krieg des Verteidigungsministeriums in London hervor.

Wagner-Chef beklagt Munitionsmangel

Der Chef der russischen Privatarmee Wagner, Jewgeni Prigoschin, beklagt einmal mehr einen vom Militär bestrittenen Munitionsmangel bei Moskaus Krieg gegen die Ukraine. »Ich mache mir nicht nur Sorgen um die Munition und den Hunger nach Patronen für die private Militärfirma Wagner, sondern für alle Abteilungen der russischen Armee«, sagte Prigoschin in einer Text- und Audiobotschaft am Freitag. »Meine Jungs fordern Munition.« Zugleich dankte er Russlands Vize-Ministerpräsident Denis Manturow und dem Manager Igor Nassenkow für die Bereitstellung von Munition.

Die russische Armee behauptet immer wieder, ausreichend Munition für den Krieg in der Ukraine zu haben. Daran zweifeln auch westliche Militärexperten. Prigoschin macht schon seit Monaten immer wieder auf Engpässe aufmerksam und gab bereits auch der russischen Militärführung die Schuld am Tod von Wagner-Kämpfern, weil diese nicht genug Munition gehabt hätten.

Manturow, der zudem Minister für Industrie und Handel ist, und Nassenkow, der die Holding Technodinamika im staatlichen Rostec-Konzerns leitet, hätten sich nun um die Lieferungen von Munition gekümmert. »Ich habe mich bei Manturow und Nassenkow dafür bedankt, dass sie heldenhaft das getan haben, was unmöglich war zu tun - sie haben die Produktion von Munition um das Dutzend- bis Hundertfache erhöht. Und jetzt wird sie in großer Zahl produziert, die alle notwendigen Erfordernisse abdeckt.«

Podoljak: Brauchen noch zwei Monate für Offensive

Für die geplante Frühjahrsoffensive benötigt die Ukraine nach eigenen Angaben noch zwei Monate zur Reservenbildung. »Wir müssen den Nachschub an schweren Artilleriegeschossen von 155 Millimeter Kaliber und weitreichenden Raketen erhöhen«, sagte der Berater des Präsidentenbüros in Kiew, Mychajlo Podoljak, der italienischen Zeitung »La Stampa«. Unabhängige Militärexperten hatten zuvor einen früheren Zeitpunkt für einen möglichen Gegenstoß Kiews genannt.

Den Bedarf an Panzerfahrzeugen, um weitere besetzte Gebiete zu befreien, bezifferte Podoljak auf 400 bis 500. Eine ähnliche Zahl hatte in der Vergangenheit Oberbefehlshaber Walerij Saluschnyj genannt. Zudem sind laut Podoljak Kampfflugzeuge notwendig, um ballistische Raketen abzufangen und den Luftraum zu kontrollieren. Zur Stoßrichtung der geplanten Gegenoffensive machte der 51-Jährige keine Aussage. Gleichzeitig habe Russland nur wenige Optionen für eigene Offensivaktionen. »Die aktiven feindlichen Offensivaktionen werden in Richtung Bachmut, Wuhledar, Lyman und Soledar weitergehen«, prognostizierte Podoljak.

Russland bereitet sich auf ukrainischen Vorstoß gegen Krim vor

Parallel dazu bereitet sich Russland auf einen ukrainischen Vorstoß in Richtung der 2014 annektierten Halbinsel Krim vor. »Es läuft alles nach Plan«, versicherte der vom Kreml eingesetzte Chef der Region, Sergej Aksjonow, in einem Interview der staatlichen Nachrichtenagentur Ria Nowosti. Dabei seien Erfahrungen der aktuellen Kampfhandlungen berücksichtigt worden. »Wir gehen untypisch, asymmetrisch, vor«, sagte der 50-Jährige. Satellitenbilder hatten ausgebaute Befestigungslinien an den Landengen zur Halbinsel offengelegt. Zudem sind ähnlichen Aufnahmen zufolge auch bereits Gräben an Stränden der Halbinsel ausgehoben worden.

Russland ist vor gut einem Jahr in die Ukraine einmarschiert und hält einschließlich der Krim gut ein Fünftel des ukrainischen Staatsgebiets besetzt.

© dpa-infocom, dpa:230310-99-898346/5