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Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

In Bachmut wird die Lage immer prekärer. Kiew ruft alle Zivilisten zur Flucht auf. Präsident Selenskyj lehnt jeden Kompromiss mit Putin ab. Dafür fehle die entscheidende Grundlage. Die News im Überblick.

Bachmut
Neue Gräber auf einem Friedhof in Bachmut. Foto: Libkos
Neue Gräber auf einem Friedhof in Bachmut.
Foto: Libkos

Die Regierung in Kiew hat angesichts der schweren Kämpfe in der ostukrainischen Stadt Bachmut alle dort noch ausharrenden Zivilisten zur Flucht aufgerufen. »Wenn Sie zurechnungsfähige, gesetzestreue und patriotische Bürger sind, sollten Sie sofort die Stadt verlassen«, appellierte Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschukin am Freitag an die vermutlich nur noch wenige Tausend Verbliebenen. Die russische Armee und Söldner der Wagner-Miliz rennen seit Monaten unter schweren Verlusten gegen die ukrainischen Verteidiger der fast völlig zerstörten Stadt an.

Tote in Bachmut durch russischen Dauerbeschuss

Die Stadt mit einst 70.000 Einwohnern im Gebiet Donezk steht praktisch unter Dauerbeschuss der Russen. Erst am Donnerstag waren dabei nach Angaben der Regierung wieder fünf Zivilisten getötet und neun verletzt worden. Nach Wereschtschuks Angaben sind noch gut 6000 Zivilisten in der Stadt. Immer wieder wird spekuliert, ein geordneter Rückzug der Ukrainer könne bevorstehen. Viele ältere Menschen harren aber in Bachmut aus, weil ihre Unterkunft ihr einziger Besitz ist und sie ihren Geburtsort nicht verlassen wollen. Manche sympathisieren auch mit Russland.

Russische Kräfte rücken von Norden vor

Derweil eroberte die russische Söldnertruppe Wagner nach eigenen Angaben ein aus militärtaktischer Sicht wichtiges Dorf. Die Siedlung Paraskowijiwka nördlich von Bachmut werde vollständig von Wagner-Kräften kontrolliert, teilte deren Chef Jewgeni Prigoschin der russischen Agentur Interfax zufolge mit. Eine unabhängige Bestätigung gab es nicht. Im Abendbericht des ukrainischen Generalstabs wurde der Ort nicht erwähnt.

Russische Militärblogger schrieben, dass Paraskowijiwka ein wichtiger Knotenpunkt der ukrainischen Verteidigungslinien gewesen sei. Sollten auch die angrenzenden Dörfer Werchiwka Berchiwka und Jahidne erobert werden, könnten die ukrainischen Truppen in Bachmut nicht mehr von Norden versorgt werden. Der Kampf um die Stadt dauert schon seit Monaten.

Mit einer Spitze gegen das russische Verteidigungsministerium sagte Prigoschin, der Vormarsch sei trotz einer »Munitionsblockade« gelungen. Die Kämpfe seien verlustreich und blutig gewesen. Die Söldnertruppe Wagner, die auch Strafgefangene einsetzt, kritisierte zuletzt, dass sie von der Armee nicht genügend Munition erhalte.

Selenskyj: Russland versteht nur Sprache der Waffen

Kurz vor Beginn der Münchner Sicherheitskonferenz bekräftigte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, er werde auf keinen Fall mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin verhandeln. »Mit Putin? Nein. Es gibt kein Vertrauen«, sagte er dem britischen Sender BBC. Zugleich erneuerte er seine Forderung nach mehr westlichen Waffen. »Waffen sind die einzige Sprache, die Russland versteht«, sagte er. Bei der Sicherheitskonferenz, zu der er per Video zugeschaltet war, mahnte er am Freitag bei der Waffenhilfe zur Eile. Putin dürfe keine Chance bekommen, sich Zeit zu kaufen für seine Aggression. Selenskyj verglich sein Land mit dem biblischen David, der sich gegen einen russischen Goliath wehren müsse. »Goliath hat schon angefangen zu verlieren. Goliath wird auf jeden Fall dieses Jahr fallen«, sagte er.

Scholz ruft Verbündete zu Beteiligung an Panzer-Lieferung auf

Bundeskanzler Olaf Scholz rief westliche Verbündete auf, sich den deutschen Lieferungen von Kampfpanzern an die Ukraine anzuschließen. »Dazu gehört, dass alle, die solche Kampfpanzer liefern können, dies nun auch wirklich tun«, mahnte Scholz bei der Sicherheitskonferenz. Deutschland liefert 14 Leopard 2A6 und sucht in einem unerwartet schleppenden Prozess weiter nach Partnern, um ein ukrainisches Bataillon mit 31 Leopard-Panzern auszurüsten. Polen ist Hauptlieferant für ein weiteres Bataillon mit dem älteren Modell Leopard 2A4.

London: Bis zu 60.000 Gefalle auf russischer Seite

Seit Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine vor bald einem Jahr sind nach Einschätzung britischer Geheimdienste auf russischer Seite bis zu 60.000 Soldaten und Söldner getötet worden - ein Vielfaches der sowjetischen Verluste in zehn Jahren Afghanistankrieg. Das Verteidigungsministerium in London schätzte die Gesamtzahl an Toten und Verwundeten auf russischer Seite sogar auf 175.000 bis 200.000. Ukrainische Soldaten berichten, kaum ausgebildete russische Soldaten und Söldner würden in großer Zahl wieder und wieder auf ihre Stellungen zulaufen und im Abwehrfeuer sterben. Über die Zahl der getöteten ukrainischen Soldaten gibt es kaum Angaben.

Nato-Generalsekretär hält Sieg der Ukraine weiter für möglich

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hält einen Sieg der Ukraine im Krieg gegen Russland weiter für möglich. »Ja, das ist der Grund, warum wir sie unterstützen«, sagte er am Freitag bei der Münchner Sicherheitskonferenz auf eine entsprechende Frage. Der Krieg werde möglicherweise am Verhandlungstisch enden, aber man wisse, dass das Geschehen am Verhandlungstisch vollkommen von der Stärke auf dem Schlachtfeld abhängig sei. Stoltenberg forderte weitere Kampfpanzerlieferungen an die Ukraine.

Moskau will Milliarden Rubel von Unternehmen holen

Unter dem Druck westlicher Sanktionen konkretisiert Russlands Regierung Pläne, das eigene Haushaltsloch durch Abgaben von Großunternehmen zumindest teilweise zu stopfen. Insgesamt sollen so 300 Milliarden Rubel (rund 3,8 Mrd Euro) zusammenkommen, wie Russlands Finanzminister Anton Siluanow in einem im Staatsfernsehen ausgestrahlten Interview sagte.

Pistorius: Deutlich mehr Geld für Verteidigung nötig

Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius bekräftigte seine Forderung nach einer milliardenschweren Erhöhung der Verteidigungsausgaben. »Nur mit knapp zwei Prozent (des Bruttoinlandsproduktes) werden die Aufgaben nicht zu erfüllen sein, die vor uns liegen«, sagte er in München. »Jeder von uns würde lieber mehr Geld für andere Dinge ausgeben. Aber die Realität ist so, wie sie ist.«

Bundeskanzler Olaf Scholz bekräftigte bei der Sicherheitskonferenz seine Zusage zur Steigerung der deutschen Verteidigungsausgaben auf die aktuelle Nato-Zielmarke von zwei Prozent. Zur Diskussion über eine Anhebung darüber hinaus äußerte er sich nicht.

© dpa-infocom, dpa:230217-99-628885/10