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Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Die USA werfen Russland vor, Hunger als Kriegswaffe einzusetzen. Und zu Moskaus Angeboten zu möglichen Friedensverhandlungen stellt Kiew klare Bedingungen. Die News im Überblick.

Zerstörung in Slowjansk
Anwohnerin Nina (72) trägt in Slowjansk hölzerne Trümmer in der Nähe ihres Hauses, das durch Beschuss vor einem Monat zerstört wurde. Foto: Efrem Lukatsky
Anwohnerin Nina (72) trägt in Slowjansk hölzerne Trümmer in der Nähe ihres Hauses, das durch Beschuss vor einem Monat zerstört wurde.
Foto: Efrem Lukatsky

Mit der Aussetzung des internationalen Abkommens zum Export von Getreide aus der Ukraine übers Schwarze Meer hat Russland neue Empörung auf sich gezogen. Westliche Regierungen appellierten am Sonntag an Präsident Wladimir Putin, die Verpflichtungen aus der im Sommer geschlossenen Übereinkunft einzuhalten.

Die Ukraine und die USA warfen Moskau vor, Hunger als Waffe zu instrumentalisieren. Die Vereinten Nationen sehen noch Hoffnung, das Abkommen zu retten. Ein UN-Sprecher in New York sagte, man stehe mit Russland »in Kontakt«. Das Abkommen soll Millionen Menschen weltweit Zugang zu Brot und anderer Nahrung sichern.

Russland hatte seine Zustimmung zu den Exporten am Samstag »auf unbestimmte Zeit« ausgesetzt. Moskau begründete dies mit ukrainischen Drohnenangriffen auf seine Schwarzmeerflotte auf der Halbinsel Krim, die Moskau seit 2014 völkerrechtswidrig annektiert hat. Den Angaben nach wurden bei dem Angriff in Sewastopol am Samstagmorgen das Minenräumboot »Iwan Golubez« und einige Hafenanlagen beschädigt. Videoaufnahmen, die angeblich den Angriff zeigen, legten aber nahe, dass noch mehr Schiffe getroffen worden sein könnten.

Über die Aussetzung des Abkommens informierte Russland offiziell UN-Generalsekretär António Guterres. Wegen Drohnenangriffen auf russische Schiffe aus dem geschützten Korridor im Schwarzen Meer könne Russland »die Sicherheit von zivilen Schiffen, die im Rahmen der oben genannten Initiative reisen, nicht garantieren«, schrieb der UN-Botschafter Wassili Nebensja. Kiew hält dies für einen Vorwand.

Millionen Tonnen Getreide für den Weltmarkt

Das im Juli unter Vermittlung der Türkei und der UN vereinbarte Abkommen hatte die monatelange Blockade der ukrainischen Getreideausfuhren infolge des russischen Angriffskriegs beendet. Zum 24. Oktober registrierte das Koordinierungszentrum in Istanbul die Fahrt von 383 Schiffen mit mehr als 8,6 Millionen Tonnen Getreide und anderen Lebensmitteln. Nicht nur für die Ernährung in vielen anderen Ländern ist dies von Bedeutung - auch für den Haushalt der Ukraine. Aus den Milliardeneinnahmen sollten letztlich auch die ukrainischen Bauern wieder eine neue Saat ausbringen können.

Ursprünglich sollte das Abkommen am 19. November auslaufen - wäre aber, wenn keine Seite widersprochen hätte, automatisch verlängert werden. Moskau hatte das Abkommen zuletzt immer wieder kritisiert, weil es sich infolge der Sanktionen des Westens bei den eigenen Getreide- und Düngemittelexporten ausgebremst sieht.

Baerbock: Hunger im Niger oder Libanon darf nicht von Putin abhängen

Die EU forderte Moskau dringend dazu auf, die Entscheidung rückgängig zu machen. Das verlangte auch Außenministerin Annalena Baerbock. »Millionen Menschen auf der Welt hungern, und Russland stellt erneut die Sicherheit von Getreideschiffen zur Disposition. Das muss aufhören«, sagte die Grünen-Politikerin. »Ob Familien in Libanon, Niger oder Bangladesch ihre nächste Mahlzeit bezahlen können, darf nicht von den Kriegsplänen des russischen Präsidenten abhängen.«

Selenskyj: Der Kreml entscheidet über Hunger in der Welt

Moskau verschärfe mit seinem Handeln den Hunger in Welt, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Schon seit September verzögere Russland die gemeinsamen Kontrollen von Schiffen vor der Durchfahrt durch den Bosporus. Dort steckten 176 Schiffen mit etwa zwei Millionen Tonnen Getreide im Stau. Am Sonntag fuhr erstmals seit Wiederaufnahme der Transporte im August kein einziges Schiff mehr ab.

Kiew zu Moskaus Verhandlungsangebot: Erst Abzug aller Truppen

Nach wiederholten Angeboten Moskaus zu Verhandlungen nannte Kiew einen vollständigen russischen Truppenabzug als Voraussetzung dafür. »Der einzige realistische Vorschlag sollte die sofortige Beendigung des russischen Krieges gegen die Ukraine sein und der Abzug der russischen Streitkräfte von ukrainischem Gebiet«, sagte der Sprecher des Außenministeriums in Kiew, Oleh Nikolenko. Er reagierte auf neue Äußerungen von Russlands Außenminister Sergej Lawrow, der ein Angebot von Putin zu Verhandlungen bekräftigte.

Ungeachtet der seit mehr als acht Monaten andauernden Kämpfe tauschten beide Seiten erneut jeweils 50 Kriegsgefangene aus. Damit seien seit Kriegsbeginn mehr als 1000 ukrainische Gefangene heimgeholt worden, sagte Selenskyj.

USA: Russland setzt Nahrungsmittel als Kriegswaffe ein

US-Präsident Joe Biden warnte, dass das russische Vorgehen für noch mehr Hunger auf der Welt sorgen werde. Außenminister Antony Blinken erklärte: »Russland setzt Nahrungsmittel erneut als Waffe ein.« Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) sagte, leider sei damit zu rechnen gewesen, dass Russland das Abkommen als »Druckmittel« missbrauche.

Slowenien liefert Panzer an die Ukraine

Slowenien gab unterdessen 28 Kampfpanzer des sowjetischen Typs M-55S an die Ukraine ab. Dies berichtete das Nachrichtenportal »24ur.com« unter Berufung auf das Verteidigungsministerium. Das EU- und Nato-Partnerland Slowenien wird nun von Deutschland im Rahmen eines sogenannten Ringtauschs 43 schwere Militärlastwagen erhalten. Bei solchen Vereinbarungen liefern mittel- und osteuropäische Bündnispartner Waffen sowjetischer Bauart in die Ukraine und erhalten dafür im Gegenzug modernes Militärgerät. Bereits im Juli hatte Slowenien 35 Schützenpanzer an die Ukraine geliefert.

Als zivile Hilfe übergab Deutschland 16 Stromgeneratoren, wie die deutsche Botschaft in Kiew mitteilte. Am Stromnetz der Ukraine gibt es wegen fortdauernder russischer Luftangriffe große Schäden. Landesweit kommt es immer wieder zu Stromsperren, um Energie zu sparen und das Netz zu stabilisieren. Selenskyj zufolge müssten derzeit vier Millionen Ukrainer mit Einschränkungen leben.

© dpa-infocom, dpa:221030-99-315265/5