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Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Russland greift die Ukraine weiter massiv mit Raketen und Drohnen an. Laut Kiew sind vor allem Kraftwerke die Ziele der Offensive. Indes stieg die Zahl der Opfer nach dem Absturz eines Kampffliegers.

Vitali Klitschko
Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko spricht nach einem russischen Drohnenangriff im Stadtzentrum zu Journalisten. Foto: Ukrinform
Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko spricht nach einem russischen Drohnenangriff im Stadtzentrum zu Journalisten.
Foto: Ukrinform

Russland hat seine Drohnen- und Raketenangriffe auf Ziele in der Ukraine fortgesetzt. Am Dienstag gab es im ganzen Land immer wieder Luftalarm. Unter anderem in den Regionen Charkiw, Dnipropetrowsk und Mykolajiw war laut den Behörden die Luftverteidigung aktiv. An vielen Orten, unter anderem auch in der Hauptstadt Kiew, schlugen Raketen und Drohnen ein.

»Die Ukraine ist unter Beschuss der Okkupanten. Sie machen weiter das, was sie am besten können: Zivilisten terrorisieren und töten«, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Moskau intensivierte zuletzt seine Angriffe mit Kampfdrohnen iranischer Bauart. Teheran bestreitet entsprechende Lieferungen an Moskau.

Schwere Schäden in Energie-Infrastruktur

Laut Selenskyj richteten die russischen Angriffe der vergangenen Tage schwere Schäden in der Energie-Infrastruktur an. 30 Prozent der ukrainischen Kraftwerke seien seit dem 10. Oktober zerstört worden, twitterte der Präsident. Auch britische Militärexperten vermuteten, dass sich Russlands jüngste Angriffswelle vor allem gegen das Energienetz der Ukraine richte. Verhandlungen mit Kremlchef Wladimir Putin lehnt Selenskyj weiter ab: Es geben »keinen Raum mehr« dafür.

Unterdessen stieg die Anzahl der Toten nach dem Absturz eines russischen Kampfflugzeuges in ein Wohngebiet in Jejsk im Süden Russlands auf 14. Unter den Opfern seien auch drei Kinder, teilten die Behörden mit. 19 Menschen wurden zudem verletzt, als ein Kampfjet vom Typ Su-34 am Montagabend in ein achtstöckiges Wohnhaus stürzte. Die Militärmaschine sei kurz nach dem Start abgestürzt, weil eines der zwei Triebwerke Feuer fing, hieß es. Die Männer aus dem Cockpit retteten sich bei dem Unfall während des Übungsfluges per Fallschirm.

Mindestens 70 Tote durch Raketenoffensive

Seit dem Beginn der großflächigen russischen Angriffe vor mehr als einer Woche sind in der Ukraine mehr als 70 Menschen getötet und mehr als 240 verletzt worden, wie ein Sprecher der Zivilschutzbehörde mitteilte. Beschädigt worden seien zudem insgesamt mehr als 380 Gebäude, darunter rund 240 Wohnhäuser. In Kiew starben am Dienstag mindestens drei Menschen - Mitarbeiter der kritischen Infrastruktur - wie Bürgermeister Vitali Klitschko bekanntgab. In der Region Mykolajiw wurde bei nächtlichem Raketenbeschuss ein Wohnhaus getroffen, unter den Trümmern wurde die Leiche eines Mannes entdeckt.

In der Stadt Charkiw berichtete Bürgermeister Ihor Terechow von zwei Explosionsserien innerhalb von fünf Minuten. Im Gebiet Dnipropetrowsk wurden in Kriwyj Rij und in der Gebietshauptstadt Dnipro Explosionen gemeldet. In Schytomyr hätten Raketen Energieinfrastruktur getroffen. Die ukrainischen Streitkräfte wehrten nach eigenen Angaben mehrere Angriffe ab. Kiew fordert vom Westen noch mehr Flugabwehrsysteme.

Massive Stromausfälle

Die Angriffe auf die ukrainische Energie-Infrastruktur führten zu »massiven Stromausfällen im ganzen Land«, wie Selenskyj bei Twitter schrieb. In Kiew wurde laut Klitschko zudem die Wasserversorgung getroffen. Der Bürgermeister rief alle Bewohner auf, Elektrizität zu sparen und Trinkwasservorräte anzulegen. Nach Einschätzung der britischen Geheimdienste sind diese Attacken Russlands eine Reaktion auf die jüngsten militärischen Rückschläge. Es gebe nun einen höhere Bereitschaft, neben militärischen Zielen auch zivile Infrastruktur in der Ukraine anzugreifen, hieß es in einem Lagebericht der Experten.

Moskau meldet Erfolg in Charkiwer Gebiet

Nach vielen Rückschlägen in den vergangenen Wochen erzielte die russische Armee eigenen Angaben zufolge wieder einen kleineren Erfolg im Osten der Ukraine. Im Gebiet Charkiw sei die Siedlung Gorobiwka erobert worden, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow. Unabhängig konnte das zunächst nicht überprüft werden, die Ukraine bestätigte das nicht.

Baerbock über deutsche Verlässlichkeit

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock sieht die Waffenlieferungen für die Ukraine auch als wichtigen Beitrag, um Zweifel an der internationalen Verlässlichkeit Deutschlands zu zerstreuen. Deutschland werde die Ukraine weiterhin intensiv auch mit Waffen unterstützen, sagte die Grünen-Politikerin. »Denn wir liefern eben nicht nur Rüstungsgüter in die Ukraine, um Menschenleben zu retten. Sondern mit diesen Lieferungen, hoffe ich, geht auch ein Schub Vertrauen und Solidarität einher.«

Laut einer Befragung des Meinungsforschungsinstituts Forsa für das RTL/ntv-»Trendbarometer« sprechen sich 40 Prozent der Deutschen dafür aus, der Ukraine auch moderne Kampfpanzer zu liefern; 48 Prozent lehnen das ab. Den Vorwurf, Deutschland liefere zu spät und zu wenig Waffen, halten 59 Prozent der Befragten für nicht berechtigt.

14 Tote nach Kampfjet-Absturz

Nach dem Absturz des russischen Kampfflugzeuges in der Stadt Jejsk wurden 14 Leichen - darunter drei Kinder - aus den Trümmern des Wohnhauses geborgen. Das Gebäude war durch den Aufprall des Jets zum Teil in Brand geraten. Den Behörden zufolge wurden 72 Wohnungen beschädigt. Über den Unfall war auch Kremlchef Putin noch in der Nacht unterrichtet worden. Die Hafenstadt Jejsk liegt so dicht an der Ukraine, dass von dort Luftangriffe gestartet werden können. Der Suchoi-Jet sei nicht abgeschossen worden, sondern habe einen Defekt gehabt, sagte ein geretteter Pilot einem Zeitungsbericht zufolge.

© dpa-infocom, dpa:221018-99-163519/6