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Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Die Welt verfolgt mit Spannung die Fahrt des ersten Getreidefrachters aus der Ukraine seit Kriegsbeginn. Russland fordert zugleich, dass andere Teile des Verhandlungspakets eingehalten werden.

Getreide-Schiff
Der Frachter hatte am Montag den Hafen von Odessa verlassen. Foto: Michael Shtekel
Der Frachter hatte am Montag den Hafen von Odessa verlassen.
Foto: Michael Shtekel

Das erste mit ukrainischem Getreide beladene Frachtschiff seit Beginn des russischen Angriffskriegs ist zur Inspektion in der Türkei eingetroffen. Der Frachter »Razoni« sei mit rund 26.000 Tonnen Mais aus der Ukraine am Schwarzmeer-Eingang der durch Istanbul verlaufenden Meerenge Bosporus angekommen und habe an der zugewiesenen Stelle geankert, teilte das türkische Verteidigungsministerium auf Twitter mit.

Vertreter der Ukraine, Russlands, der Türkei und der Vereinten Nationen sollen demnach am Mittwochmorgen an Bord gehen und das Schiff inspizieren. Damit soll unter anderem sichergestellt werden, dass keine Waffen geladen sind. Anschließend soll der Frachter den Bosporus passieren. Das unter der Flagge des westafrikanischen Staates Sierra Leone fahrende Schiff steuert den Libanon an.

Mit den Lieferungen aus der Ukraine sollen Millionen Tonnen Getreide wieder für den Weltmarkt verfügbar werden. Die Ukraine zählte vor dem Krieg zu den wichtigsten Getreide-Exporteuren der Welt. Für das Land geht es um Milliardeneinnahmen. Die Kriegsgegner hatten am 22. Juli unter UN-Vermittlung getrennt mit der Türkei ein Abkommen unterzeichnet, um von drei Häfen Getreideausfuhren zu ermöglichen.

Moskau warnt vor Scheitern des Getreide-Abkommmens

Ungeachtet des ersten ausgelaufenen Frachtschiffs warnte Russland erneut vor einem möglichen Scheitern des Getreide-Abkommens. Die Vereinbarung habe einen Paketcharakter, sagte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, der Agentur Interfax zufolge. »Darum warnen wir vor Versuchen, den zweiten Teil des Pakets zu verzögern oder nicht zu erfüllen«, sagte sie mit Blick auf eine in Aussicht gestellte Lockerung einiger Sanktionen gegen Russland.

Russland erklärt Asow-Regiment zu »Terrororganisation«

Russlands Oberster Gerichtshof hat das ukrainische Regiment Asow, das wochenlang die Mitte Mai gefallene Hafenstadt Mariupol verteidigt hatte, zur »Terrororganisation« erklärt. Das Gericht gab in Moskau einem entsprechenden Antrag der Generalstaatsanwaltschaft statt. Die Einstufung ist wichtig, weil sich Mitglieder des Asow-Regiments in russischer Kriegsgefangenschaft befinden und somit nach russischem Recht verurteilt werden könnten.

Das nationalistische Regiment dient Moskau immer wieder als Rechtfertigung für den bereits mehr als fünf Monate dauernden Angriffskrieg und für die Behauptung, die Ukraine angeblich von »Faschisten« zu »befreien«. Tatsächlich sind sich internationale Experten weitgehend einig darüber, dass Nationalisten und Rechtsradikale nur einen Bruchteil der ukrainischen Kämpfer ausmachen.

Ukraine wirft Deutschland Blockade von Finanzhilfen vor

Die wegen des Kriegs kurz vor der Staatspleite stehende Ukraine hat Deutschland vorgeworfen, die Auszahlung von Finanzhilfen der EU zu blockieren. »Wir erwarten acht Milliarden Euro. Leider blockieren einige EU-Staaten, darunter Deutschland, die Prüfung dieser Frage«, sagte der stellvertretende Leiter des Präsidentenbüros, Ihor Schowka, örtlichen Medien zufolge. Präsident Wolodymyr Selenskyj führe deswegen »aktive Gespräche«.

Von den im Mai zugesagten neun Milliarden Euro Makrofinanzhilfe habe Kiew eine Milliarde bereits erhalten, erklärte Schowka. Nach Angaben der EU-Kommission sind für die ausstehende Summe möglicherweise Garantien von Mitgliedsstaaten nötig, weil eine Absicherung über den EU-Haushalt wegen fehlender Mittel nicht möglich ist.

Schwere Kämpfe bei Bachmut im Osten

Im ostukrainischen Gebiet Donezk halten die Kämpfe um die Stadt Bachmut zwischen russischen und ukrainischen Truppen an. Auch in Richtung des acht Kilometer nördlich gelegenen Soledars habe es russische Vorstöße gegeben, teilte der ukrainische Generalstab mit. Russische Angriffe an mehreren Orten südlich von Bachmut seien hingegen größtenteils abgewehrt worden, hieß es. Unabhängig überprüfen ließen sich diese Angaben nicht.

Der ukrainische Generalstab berichtete von einem russischen Angriff im Norden des Chersoner Gebiets an der Grenze zur benachbarten Region Dnipropetrowsk. Kiew nährt seit Wochen Hoffnungen, in dieser Region eine Gegenoffensive zur Rückeroberung des Südens zu starten. Trotz fehlender größerer Erfolge in den vergangenen Wochen läuft für Russlands Armee indes nach eigener Darstellung alles nach Plan. »Nach der Übernahme der Kontrolle auf dem Gebiet der Volksrepublik Luhansk wird die Volksrepublik Donezk planmäßig befreit«, sagte Verteidigungsminister Sergej Schoigu laut Agentur Interfax.

Russland hatte Anfang Juli die Eroberung der ostukrainischen Region Luhansk verkündet - im benachbarten Donezk seitdem allerdings nur verhältnismäßig geringe Geländegewinne verzeichnet.

Luftwaffe überwacht Nato-Luftraum über Baltikum

Die Bundeswehr überwacht in den kommenden neun Monaten den Luftraum über den baltischen Nato-Staaten Estland, Lettland und Litauen. Ein Luftwaffen-Geschwader übernahm am Dienstag von Frankreich das Kommando auf der estnischen Luftwaffenbasis Ämari. Dazu wurden Ende Juli auch fünf »Eurofighter« in das russische Nachbarland verlegt.

Estlands Verteidigungsminister Hanno Pevkur sagte, der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine habe den Nato-Einsatz »noch wichtiger gemacht«. Dies zeige, dass Estland auf die Unterstützung aller Verbündeten zählen könne.

© dpa-infocom, dpa:220802-99-240428/17