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Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Ukrainische Städte trauern nach russischen Raketentreffern um tote Männer, Frauen und Kinder. Und Selenskyj will Russland als Terrorstaat einstufen lassen. Die aktuellen Entwicklungen:

Ukraine-Krieg
Viele Zivilisten fallen dem Krieg zum Opfer. Selenskyj will Russland zur Rechenschaft ziehen. Foto: Nariman El-Mofty
Viele Zivilisten fallen dem Krieg zum Opfer. Selenskyj will Russland zur Rechenschaft ziehen.
Foto: Nariman El-Mofty

Nach dem Tod von mehr als 20 Zivilisten durch russische Raketen in der Stadt Winnyzja hat der ukrainische Präsident Wolodymr Selenskyj Moskau Terrorismus vorgeworfen. »Kein anderer Staat in der Welt stellt eine solche terroristische Gefahr dar wie Russland«, sagte Selenskyj. Die Suche nach Vermissten in den Trümmern gehe weiter, sagte der Präsident am Donnerstagabend in seiner Videoansprache in Kiew. Es gebe viele Schwerverletzte. Bis Freitag wurden 23 Todesopfer gezählt, unter ihnen ein vierjähriges Mädchen und zwei Jungen im Alter von sieben und acht Jahren.

Das russische Verteidigungsministerium bestätigte den Beschuss der Stadt in der Westukraine, sprach aber von einem Angriff auf ein militärisches Objekt. Im »Haus der Offiziere« im Zentrum von Winnyzja habe es am Donnerstag eine Besprechung ukrainischer Militärs und ausländischer Waffenlieferanten gegeben, sagte Ministeriumssprecher Igor Konaschenkow in Moskau. Alle Teilnehmer der Sitzung seien getötet worden. Dieser Teil seiner Angaben war nicht überprüfbar.

In Moskau besetzte Präsident Wladimir Putin am Freitag wichtige Positionen neu: Industrieminister Denis Manturow wurde zum Vizeregierungschef mit Zuständigkeit für die Rüstung ernannt; der bislang für Rüstung zuständige Regierungsvize Juri Borissow wurde Generaldirektor der Raumfahrtbehörde Roskosmos.

Mehr russische Raketenangriffe auf Städte

Russische Truppen haben in den vergangenen Tagen mehrere ukrainische Städte weit hinter der Front aus der Ferne beschossen. Auch wenn Moskau darauf beharrt, nur militärische Ziele anzugreifen, hat es doch Dutzende zivile Opfer gegeben. Oft verfehlen Geschosse alter sowjetischer Bauart ihre Ziele. In der Stadt Tschassiw Jar im Gebiet Donezk kamen am vergangenen Wochenende bei einem Raketenangriff auf ein Wohnhaus mindestens 48 Menschen ums Leben.

In Winnyzja schlugen drei Raketen in einem Bürozentrum ein. 18 Personen galten am Freitag noch als vermisst. Bilder und Videos, die über die sozialen Netzwerke verbreitet wurden, dokumentierten eine Vielzahl von zivilen Opfern. Kein anderes Land auf der Welt nehme sich heraus, jeden Tag mit Raketen und Artillerie »friedliche Städte und alltägliches menschliches Lebens« zu vernichten, sagte Staatschef Selenskyj. Russland sollte offiziell als Terrorstaat eingestuft werden, forderte er.

Kiew weist Bedenken wegen Waffenschmuggels zurück

Die Ukraine weist Bedenken zurück, dass Kriminelle westliche Waffen auf den europäischen Schwarzmarkt schmuggeln könnten. »Wir müssen überleben. Wir haben keinen Grund, Waffen aus der Ukraine zu schmuggeln«, sagte der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow der britischen Zeitung »Financial Times« (Freitag). Einige Verbündete hätten Militärvertreter in die Ukraine geschickt, um die Waffenlieferungen vor Ort zu verfolgen. Kiew nutze zudem Nato-Software zur Überwachung.

Zuvor hatte die »FT« berichtet, EU- und Nato-Staaten würden eine bessere Nachverfolgung der gelieferten Waffen fordern.

Iran versichert Ukraine: Keine Drohnen für Russland

Irans Außenminister Hussein Amirabdollahian versicht der Ukraine, keine Drohnen nach Russland zu liefern. »Die amerikanischen Behauptungen diesbezüglich waren grundlos und mehr ein Propagandaakt vor der (Israel-) Reise von US-Präsident (Joe) Biden«, sagte Amirabdollahian seinem ukrainischen Amtskollegen Dmytro Kuleba am Freitag. Sein Land habe sich stets für eine diplomatische Lösung der Ukraine-Krise eingesetzt, so der iranische Chefdiplomat laut Nachrichtenagentur IRNA.

Kiew bestätigt Erhalt von neuem Raketenwerfersystem M270

Die Ukraine hat eigenen Angaben zufolge ein neues Raketenwerfersystem aus dem Westen erhalten. »Keine Gnade für den Feind«, schrieb Verteidigungsminister Olexij Resnikow am Freitag bei Twitter. Die neuen M270-Systeme würden den US-amerikanischen Himars »auf dem Schlachtfeld gute Gesellschaft« leisten, meinte er. Ob nur eines oder bereits mehrere der M270-Systeme geliefert wurden, ging aus dem Tweet nicht eindeutig hervor. Großbritannien hatte der Ukraine zuletzt solche Waffen zugesagt.

Die M270-Systeme auf Kettenfahrgestell können im Unterschied zu den auf Lastwagen montierten Himars zwölf statt sechs Raketen laden. Bisher erhält Kiew für beide Systeme Raketen mit etwa 80 Kilometer Reichweite. Resnikow und andere ukrainische Vertreter nähren jedoch Hoffnungen auf Raketen mit bis zu 300 Kilometern Reichweite. Deutschland bildet zudem bereits Ukrainer am Nachfolgesystem Mars II aus, das Kiew von Berlin bekommen soll.

Sanktionspaket Nr. 7 der EU gegen Russland

Das neue Sanktionspaket der EU ist der Zählung nach das siebte, die Kommission sprach von einem Paket zur »Aufrechterhaltung und Angleichung« der Strafmaßnahmen. Es stelle mehrere Regelungen klar, um Rechtssicherheit für Wirtschaftsbeteiligte zu schaffen und die Durchsetzung durch die EU-Staaten zu verbessern. Zudem würden die Sanktionen an die der Verbündeten angeglichen, insbesondere an die der G7-Staaten führender demokratischer Wirtschaftsmächte.

Neben dem Einfuhrverbot für Gold ist nach Angaben der EU-Kommission vorgesehen, die Exportkontrollen für fortschrittliche Technologien und militärisch nutzbare Dual-Use-Produkte zu verstärken. Das Paket stelle klar, dass »die EU-Sanktionen in keiner Weise den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen zwischen Drittländern und Russland betreffen«. Die bestehenden Sanktionen sollen dem Vorschlag zufolge bis Ende Januar 2023 verlängert und dann überprüft werden.

Zuletzt hatte die EU Anfang Juni ein umfassendes Sanktionspaket gegen Russland inklusive weitgehendem Öl-Embargo beschlossen. Vorangegangen waren wochenlange Diskussionen, weil Ungarn erhebliche Zugeständnisse forderte und letztlich auch durchsetzte.

© dpa-infocom, dpa:220715-99-29756/12