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Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Im Krieg in der Ukraine leitet Kiew eigenen Angaben zufolge eine Gegenoffensive in Cherson ein. Die Gaspipeline Nord Stream 1 bleibt ein geopolitischer Streitpunkt. Die Entwicklungen im Überblick.

Zerstörung in Charkiw
Feuerwehrleute löschen nach einem russischen Angriff in der Innenstadt von Charkiw das Feuer eines zerstörten Autos. Foto: Evgeniy Maloletka
Feuerwehrleute löschen nach einem russischen Angriff in der Innenstadt von Charkiw das Feuer eines zerstörten Autos.
Foto: Evgeniy Maloletka

Die ukrainische Armee hat viereinhalb Monate nach Beginn des russischen Angriffskriegs eigenen Angaben zufolge eine Gegenoffensive im Süden des Landes begonnen. In der Stadt Nowa Kachowka im Gebiet Cherson sei ein Waffenlager angegriffen worden, teilte das Kommando Süd in der Nacht zum Dienstag auf Facebook mit. Es seien etwa eine Haubitze und Militärtechnik zerstört worden. Zudem habe der Feind mehr als 50 Soldaten »verloren«.

Im Streit um von Russland blockierte Getreideexporte aus der Ukraine gibt es derweil Hoffnung auf eine Lösung. In Istanbul sollen am Mittwoch Vertreter Moskaus, Kiews, Ankaras und der Vereinten Nationen in der Türkei zusammenkommen. Die internationale Gemeinschaft fordert von Russland seit Wochen, den Export von ukrainischem Getreide zu ermöglichen. Die Welthungerhilfe teilte am Dienstag mit, dass bis zu 828 Millionen Menschen weltweit in Folge von bewaffneten Konflikten, Klimaveränderungen und Entwicklungsdefiziten hungern.

In Deutschland wird weiter über die Energiesicherheit diskutiert, die durch fehlende Gaslieferungen aus Russland ins Wanken geraten ist. Die Ampel-Koalition streitet dabei zunehmend über längere Laufzeiten der drei noch verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland.

Hunderte Häuser bei ukrainischer Gegenoffensive zerstört

Die russische staatliche Nachrichtenagentur Ria Nowosti meldete unter Berufung auf die in Nowa Kachowka eingesetzte prorussische Verwaltung mindestens sieben Tote, vier Vermisste und Dutzende Verletzte nach dem ukrainischen Angriff. Viele Menschen seien unter Trümmern verschüttet worden. Auch Hunderte Häuser seien beschädigt. Unabhängig überprüfen ließen sich die Angaben beider Seiten nicht.

Die Ukraine verteidigt sich seit mittlerweile viereinhalb Monaten gegen den russischen Angriffskrieg, der am 24. Februar begann. Kiew hatte zuletzt mehrfach angekündigt, verloren gegangene Gebiete - auch mit Hilfe westlicher Waffen - wieder zurückerobern zu wollen. Zivilisten wurden zur Flucht aufgerufen.

Russland wies den USA die Verantwortung für ein erhöhtes Risiko einer direkten militärischen Konfrontation zwischen den beiden Großmächten zu. Amerika und andere Staaten hätten »eine Verschärfung der ukrainischen Krise« provoziert, erklärte die Sprecherin des Außenministeriums, Maria Sacharowa. Sie spielte damit offenbar auf westliche Waffenlieferungen für die Ukraine an. Sacharowa fügte hinzu: »Washington und seine Verbündeten balancieren gefährlich am Rande einer offenen militärischen Konfrontation mit unserem Land - und das bedeutet: eines direkten bewaffneten Konflikts zwischen Atommächten.«

EU-Staaten frieren Vermögenswerte ein

EU-Staaten haben seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine Luxusjachten, Immobilien und andere Vermögenswerte im Wert von rund 13,8 Milliarden Euro eingefroren. Mit Sanktionen belegte Oligarchen und Organisationen hätten darauf keinen Zugriff mehr, sagte EU-Justizkommissar Didier Reynders am Rande eines EU-Treffens in Prag. Die EU hat seit Beginn des Ukraine-Kriegs etliche russische Oligarchen auf die Sanktionsliste gesetzt.

Zahl der Toten in Tschassiw Jar steigt auf 45

In der Kleinstadt Tschassiw Jar im Osten der Ukraine ist die Zahl der Toten nach einem russischen Raketenangriff auf ein Wohnhaus auf 45 gestiegen. Neun Menschen seien seit dem Angriff am Samstag aus den Trümmern gerettet worden, teilte der Zivilschutz in der Region Donezk am Dienstag mitteilte. Kiew spricht von einem zivilen Wohngebäude. Die russische Armee behauptet hingegen, ein militärisch genutztes Gebäude attackiert zu haben. Unabhängig lassen sich die Angaben kaum überprüfen.

Ostukraine: Separatisten heben Moratorium auf Todesstrafe auf

Im Osten der Ukraine haben die prorussischen Separatisten in der Region Donezk ein Moratorium auf die Todesstrafe aufgehoben. Separatistenführer Denis Puschilin unterzeichnete am Dienstag einen entsprechenden Erlass, wie die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass berichtete. Im vergangenen Monat hatten die Separatisten drei Ausländer in den Reihen der ukrainischen Armee als Söldner zum Tode verurteilt, zwei Briten und ein Marokkaner.

Die drei Männer warten derzeit auf eine Entscheidung im Berufungsverfahren. Die Urteile sollen nach Angaben der Separatisten noch in diesem Monat fallen. Falls die Entscheidung aus erster Instanz nicht aufgehoben wird oder die Angeklagten ausgetauscht werden, droht ihnen die Erschießung. Medienberichten zufolge sind weitere Ausländer in der Gewalt der Separatisten. Im russischen Fernsehen wurden auch zwei US-Amerikaner als Gefangene vorgeführt.

Ringen um Lösungen für mögliche Energieknappheit

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr und CDU-Parteichef Friedrich Merz warben dafür, in Deutschland länger an der Atomkraft festzuhalten. »Es kann passieren, dass nach den Wartungsarbeiten an Nord Stream 1 kein Gas mehr fließt«, sagte Dürr der Deutschen Presse-Agentur. Es wäre kaum verwunderlich, wenn der russische Präsident Wladimir Putin technische Gründe vorschieben sollte, um den Gashahn endgültig abzudrehen.

»Wir wollen nicht den Teufel an die Wand malen«, sagte Dürr. »Aber wir müssen uns auf ein Szenario einstellen, das weitreichende Konsequenzen für private Haushalte und die deutsche Industrie haben könnte. Kein Kubikmeter Gas sollte mehr verstromt werden müssen. Deswegen wäre es jetzt richtig, die Laufzeiten der Kernkraftwerke über den Winter hinaus zu verlängern.«

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge lehnte die Forderung ab. »Die Debatte um die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken ist eine Scheindebatte«, sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

In Deutschland sind noch drei Atomkraftwerke am Netz. Sie sollen zum Jahresende abgeschaltet werden. Wirtschaftsminister Robert Habeck und Umweltministerin Steffi Lemke (beide Grüne) argumentieren, dass eine längere Laufzeit »große wirtschaftliche, rechtliche und sicherheitstechnische Risiken« mit sich bringe. Auch die Betreiber lehnen einen weiteren Betrieb ab.

Putin befördert Industrieminister zum Vizeregierungschef

Kremlchef Wladimir Putin stärkt die Rolle des russischen Industrieministers Denis Manturow. Am Dienstag verknüpfte der russische Präsident per Dekret das Amt des Industrieministers mit der Stelle eines Vizeregierungschefs. Künftig gibt es in der russischen Regierung damit elf Stellvertreter für den Kabinettschef Michail Mischustin.

Die Ernennung Manturows muss noch von der russischen Staatsduma bestätigt werden. Allerdings gilt das als Formsache. Manturow ist seit 2012 Minister in der russischen Regierung. Mit seiner Beförderung wäre er das einzige Regierungsmitglied in Moskau, das gleichzeitig Minister und Vizeregierungschef ist.

© dpa-infocom, dpa:220712-99-989205/9