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Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Mehr als zwei Wochen nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine werden die Angriffe auf zermürbte ukrainische Städte wieder härter. Laut US-Präsident Biden müsse ein »dritter Weltkrieg« verhindert werden. Entwicklungen im Überblick.

Mariupol
Ein Panzer der russischen Armee hat in Mariupol auf ein Wohnhaus geschossen. Foto: Evgeniy Maloletka
Ein Panzer der russischen Armee hat in Mariupol auf ein Wohnhaus geschossen.
Foto: Evgeniy Maloletka

KIEW. In Russlands Krieg gegen die Ukraine gerät die Hauptstadt Kiew wieder stärker ins Visier.

Auch aus dem Westen des Landes unweit der Grenze zu Polen werden weitere Luftangriffe gemeldet. Bei den Sorgen um die Atomruine Tschernobyl sowie einen Forschungsreaktor in der Ostukraine gibt es unterdessen vorerst etwas Entwarnung.

Ukraine: Russische Offensiven »teils« erfolgreich

Rund um Kiew gebe es russische Offensiven an der nördlichen Stadtgrenze bei Sasymja und in südlicher Richtung bei Wyschenky, teilte der ukrainische Generalstab in der Nacht mit. Diese Offensiven seien in einigen Bereichen teils erfolgreich. In der Hauptstadt Kiew wurde in der Nacht mindestens drei Mal Flugalarm ausgelöst. Laut CNN war in der Stadt aus der Ferne am Samstagmorgen »minutenlanger« Beschuss zu hören.

Neue Luftangriffe auch im Westen der Ukraine

Strategische Bomber der russischen Luftwaffe sollen Marschflugkörper in den Städten Luzk, Iwano-Frankiwsk und Dnipro eingesetzt haben. Luzk und Iwano-Frankiwsk befinden sich nördlich und südlich der Stadt Lwiw unweit der polnischen Grenze. In der Nacht zum Freitag hatte Russland seine Angriffe auf den Westen der Ukraine ausgeweitet. Angriffe mit Raketen wurden auch aus dem südukrainischen Mykolajiw gemeldet. Die Angaben ließen sich nicht von unabhängiger Seite überprüfen.

Nach ukrainischen Militärangaben versuchen russische Truppen, die nordostukrainische Stadt Tschernihiw aus südwestlicher Richtung zu blockieren. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte, dass in Tschernihiw eine wichtige Wasserleitung durch Beschuss beschädigt worden sei. In der Folge sei die Großstadt mit knapp 280.000 Einwohnern ohne Wasserversorgung.

Selenskyj: Bürgermeister-Entführung »Zeichen der Schwäche«

Selenskyj forderte in einer Videoansprache in der Nacht die Freilassung des Bürgermeisters der von russischen Truppen besetzten Stadt Melitopol. Druck auf Bürgermeister oder ihre »physische Eliminierung« werde Russland nicht dabei helfen, ukrainische Städte zu übernehmen. Ein derartiges Vorgehen sei ein »Zeichen der Schwäche« Russlands. Kiew hatte am Freitag erklärt, dass der Bürgermeister des südukrainischen Melitopol, Iwan Fedorow, entführt worden sein soll. Dies ließ sich nicht unabhängig überprüfen. In einem Video war zu sehen, wie Vermummte einen Mann aus einem zentralen Gebäude mitnehmen.

Fluchtkorridore in Gebiet Sumy geplant

Die Evakuierung von Menschen aus belagerten und umkämpften Städten soll am Samstag weitergehen. Für das Gebiet Sumy im Nordosten des Landes seien sechs Fluchtkorridore geplant, teilte der Chef der Gebietsverwaltung von Sumy, Dmytro Schywyzkyj, in der Nacht zu Samstag auf Telegram mit. Demnach sollen Zivilisten aus den Städten Sumy, Trostjanets, Lebedin, Konotop, Krasnopillja und Velika Pysarivka in die zentralukrainische Stadt Poltawa gebracht werden.

Insgesamt laufen die Evakuierungen weiter nur schleppend. Nach Angaben der ukrainischen Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk wurden am Freitag rund 3800 Menschen in Sicherheit gebracht, während Hunderttausende Menschen weiterhin in von russischen Truppen eingekesselten Städten wie Mariupol festsitzen. Aus den nordwestlich von Kiew gelegenen Vororten Butscha, Hostomel, Worsel und dem Dorf Kosarowytschi nördlich der Hauptstadt hätten Einwohner über humanitäre Korridoren fliehen können, sagte Wereschtschuk. Keine Evakuierungen seien in Isjum, Mariupol und Wolnowacha zustande gekommen. Auch die russische Seite berichtete von erneuten Schwierigkeiten bei der Evakuierung von Zivilisten.

US-Präsident Biden: Müssen Dritten Weltkrieg verhindern

Eine direkte militärische Konfrontation in der Ukraine zwischen dem US-Militär und den russischen Streitkräften muss nach Ansicht von Präsident Joe Biden verhindert werden, damit es nicht zu einem »dritten Weltkrieg« kommt. Das US-Militär und die Nato-Partner werden »jeden Zentimeter« des Bündnisgebiets geeint und »mit voller Macht« verteidigen, schrieb Biden bei Twitter. »Aber wir werden in der Ukraine keinen Krieg mit Russland führen. Eine direkte Konfrontation zwischen der Nato und Russland ist der dritte Weltkrieg - und etwas, das zu verhindern, wir uns bemühen müssen«, schrieb der Demokrat. Die Ukraine ist kein Nato-Mitglied.

Strom am ehemaligen AKW Tschernobyl läuft teils wieder

Am ehemaligen Atomkraftwerk Tschernobyl gelang es Technikern, einen Teil der Stromleitungen zu reparieren. Das berichtete die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien am Freitagabend unter Berufung auf den ukrainischen Betreiber. Die Stromversorgung für die Kühlung von Brennelementen wurde am Mittwoch unterbrochen. Die IAEA sah aber kein Sicherheitsproblem. Notstromgeneratoren liefern dort Strom. Trotz der schwierigen Lage sei es gelungen, dafür mehr Diesel anzuliefern.

Nach Forschungszentrum-Schäden: Keine erhöhte Strahlung

Nach dem von der Ukraine gemeldeten erneuten Beschuss eines nuklearen Forschungszentrums in der ostukrainischen Stadt Charkiw gibt es Entwarnung. Es seien keine Schäden festgestellt worden, die die Strahlensicherheit beeinträchtigten, hieß es in einer Mitteilung des ukrainischen Parlaments zur Lage der Atomanlagen. Auch die Stromversorgung sicherheitsrelevanter Systeme sei wiederhergestellt. Vom russischen Militär kam am Freitagabend der Vorwurf, ukrainische Kräfte hätten ein Gebäude des Forschungszentrums »gesprengt«, um »Nuklearforschung zu verbergen«.

Weitere Interpol-Beschränkungen für Moskau möglich

Frankreich hält eine Sperrung des Zugangs Russlands zu Interpol-Mechanismen für möglich, nachdem für russische Ermittler bereits Einschränkungen eingeführt wurden. Russische Behörden können keine Anfragen mehr direkt an die Mitgliedländer verschicken, sondern nur über die Interpol-Zentrale. Dies sei beschlossen worden, um einen Missbrauch des Systems rund um den Ukraine-Krieg zu verhindern. Das französische Ministerium teilte am Freitag mit, es es gebe bereits den Verdacht mehrerer solcher Missbrauchsversuche.

Das wird am Samstag wichtig

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock will sich im an die Ukraine grenzenden Moldau über die Lage der Kriegsflüchtlinge informieren. Sie wolle sich ein direktes Bild machen, um zu klären, wie Deutschland Moldau in dieser Ausnahmesituation noch umfassender unterstützen könne, sagte die Grünen-Politikerin vor dem Abflug. »Wir werden nicht zulassen, dass die von Russland verursachten Schockwellen auf weitere Länder in Europa überschwappen.« (dpa)