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Kompromiss bei Kinderrechten im Grundgesetz stößt auf Kritik

Nach langem Streit hat sich die Koalition auf eine Linie beim Thema Kinderrechte ins Grundgesetz geeinigt. Ob es mit der Verfassungsänderung bis zur Bundestagswahl klappt, ist trotzdem offen. Es braucht große Mehrheiten und es gibt viel Kritik.

Kinder-Demonstration
Demonstration am Weltkindertag in Berlin (Archiv). In ihrem Koalitionsvertrag hatten sich Union und SPD für ihre gemeinsame Regierungszeit vorgenommen, die Rechte von Kindern ausdrücklich ins Grundgesetz aufzunehmen. Kinderschutzorganisationen fordern das seit Jahren. Foto: Jörg Carstensen/dpa
Demonstration am Weltkindertag in Berlin (Archiv). In ihrem Koalitionsvertrag hatten sich Union und SPD für ihre gemeinsame Regierungszeit vorgenommen, die Rechte von Kindern ausdrücklich ins Grundgesetz aufzunehmen. Kinderschutzorganisationen fordern das seit Jahren. Foto: Jörg Carstensen/dpa

BERLIN. Oppositionspolitiker und Kinderschutzorganisationen haben die Einigung von Union und SPD zur Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz grundsätzlich begrüßt.

Als deutlich zu schwach kritisierten Grüne, Linke und Organisationen wie UNICEF, der Deutsche Kinderschutzbund oder das Deutsche Kinderhilfswerk allerdings die konkret vorgesehene Formulierung für die geplante Verfassungsänderung. Ob das Vorhaben bis zur Bundestagswahl abgeschlossen werden kann, ist offen, denn Union und SPD brauchen dafür auch Oppositionsstimmen. Das Grundgesetz kann nur mit Zweidrittelmehrheiten in Bundestag und Bundesrat geändert werden.

Nach Angaben aus der SPD-Fraktion beriet eine Koalitionsarbeitsgruppe am Dienstagabend noch abschließend über die genaue Formulierung für die Änderung. Dem Justizministerium zufolge solle Artikel 6 des Grundgesetzes, in dem das Verhältnis zwischen Eltern, Kindern und Staat geregelt ist, um folgende Passage ergänzt werden: »Die verfassungsmäßigen Rechte der Kinder einschließlich ihres Rechts auf Entwicklung zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten sind zu achten und zu schützen. Das Wohl des Kindes ist angemessen zu berücksichtigen. Der verfassungsrechtliche Anspruch von Kindern auf rechtliches Gehör ist zu wahren. Die Erstverantwortung der Eltern bleibt unberührt.«

In ihrem Koalitionsvertrag hatten sich CDU, CSU und SPD für ihre gemeinsame Regierungszeit vorgenommen, die Rechte von Kindern ausdrücklich ins Grundgesetz aufzunehmen. Kinderschutzorganisationen fordern das seit Jahren. Durch die Festschreibung in der Verfassung, so argumentieren die Befürworter, bekämen die Belange von Kindern ein ganz neues Gewicht und müssten immer mitgedacht werden - etwa bei der Gesetzgebung oder ganz praktisch bei der Planung, ob an einem Ort ein Spielplatz oder eine Tankstelle entstehen soll oder ob eine Umgehungsstraße um eine Wohnsiedlung gebaut wird.

Langen Streit gab es zwischen Union und SPD über die konkrete Ausgestaltung und Deutlichkeit der Formulierung. Politiker von CDU und CSU hatten Befürchtungen vor zu starken Eingriffen des Staates in die Familien geäußert. »Nach langem Ringen haben wir jetzt eine Formulierung gefunden, die für beide Seiten akzeptabel ist«, sagte Justizministerin Christine Lambrecht (SPD). Familienministerin Franziska Giffey (SPD) ergänzte: »Die Interessen von Kindern und Jugendlichen und ihre Rechte gegenüber dem Staat sollen bei allen Entscheidungen, die sie betreffen, gestärkt werden.« Die vereinbarte Formulierung mache die Kinderrechte sichtbar - »sie stehen erstmals im Grundgesetz, unserer höchsten Werteordnung.«

SPD-Fraktionschefin Katja Mast sprach am Dienstag von einem Durchbruch. CDU und CSU hätten sich lange verweigert. »Jetzt gilt es, gemeinsam einen Weg für eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat zu finden«. Gelinge dies nicht, sei das Fenster für Kinderrechte im Grundgesetz für viele Jahre geschlossen.

Die Mehrheitsfindung dürfte allerdings eine große Herausforderung werden. Die FDP hatte wie auch Unionspolitiker Befürchtungen vor zu viel staatlichem Eingriff in die Familien geäußert. Die AfD lehnt eine Grundgesetzänderung ab. Aus Sicht von Linken und Grünen auf der anderen Seite ist der gefundene Kompromiss viel zu schwach. »Kinderrechte jetzt in rein symbolhafter Form ins Grundgesetz aufzunehmen hilft den Kindern in diesem Land nicht weiter«, sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. Der kinder- und jugendpolitische Sprecher der Linksfraktion, Norbert Müller, kritisierte, der Vorschlag falle hinter Standards der UN-Kinderrechtskonvention zurück. Das sei nicht hinnehmbar.

Die konkrete Formulierung müsse dringend nachgebessert werden, sagte auch Katja Dörner (Grüne), Oberbürgermeisterin der Stadt Bonn und Vorstandsmitglied im Deutschen Kinderhilfswerk, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Das Aktionsbündnis Kinderrechte, in dem sich Kinderhilfswerk, Kinderschutzbund, UNICEF Deutschland und die Deutsche Liga für das Kind zusammengeschlossen haben, begrüßte die Koalitionspläne grundsätzlich, kritisierte sie aber ebenfalls als unzureichend. Linke, Grüne und Kinderschutzorganisationen fordern echte Beteiligungsrechte für Kinder, so dass sie bei politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Prozessen beteiligt und ihre Interessen berücksichtigt werden. (dpa)