Erstmals in der jüngeren Geschichte Kolumbiens hat ein Linker die Präsidentenwahl in Kolumbien gewonnen. Der ehemalige Guerillero und Ex-Bürgermeister der Hauptstadt Bogotá, Gustavo Petro, kam nach der vorläufigen Auszählung auf 50,4 Prozent der Stimmen.
Der Immobilien-Unternehmer Rodolfo Hernández erhielt bei der Stichwahl demnach 47,3 Prozent. »Wir schreiben eine neue Geschichte für Kolumbien, für Lateinamerika und die Welt«, sagte Petro am Sonntag vor seinen Anhängern. »Was jetzt kommt, ist ein echter Wandel.«
Das zweitbevölkerungsreichste Land Südamerikas mit rund 50 Millionen Einwohnern ist traditionell konservativ geprägt. Die soziale Kluft ist zwar groß, aber bislang hatte linke Politik durch die Gewalt der Guerillagruppen im jahrzehntelangen bewaffneten Konflikt einen schlechten Ruf.
Petro gehörte in den 1980er Jahren zur Rebellenorganisation M-19 und saß wegen unerlaubten Waffenbesitzes zwei Jahre im Gefängnis. An der blutigen Besetzung des Justizpalastes war er eigenen Angaben zufolge aber nicht beteiligt. 1985 nahmen Mitglieder der M-19 in dem Gebäude 300 Personen als Geiseln, darunter 24 Verfassungsrichter. Mehrere Menschen kamen dabei ums Leben. Während seiner Zeit im Senat deckte Petro Verbindungen der rechten Paramilitärs zur damaligen Regierung auf. Die Paramilitärs stehen vor allem aufgrund ihrer Verbindungen zum Drogenhandel und gewalttätigen Handlungen gegen Zivilisten in Verruf.
»Wir werden den Kapitalismus entwickeln«
In seiner Siegesrede warb Petro für Konsens und bemühte sich, Befürchtungen über einen harten Linksruck zu zerstreuen. »Ich sage offen, wir werden den Kapitalismus entwickeln. Nicht weil wir ihn lieben, sondern weil wir erstmal die vormodernen Strukturen überwinden müssen, den Feudalismus, die neue Sklaverei«, sagte der Volkswirt und ehemalige Abgeordnete und Diplomat.
Der amtierende konservative Präsident Iván Duque gratulierte seinem künftigen Nachfolger am Telefon. »Wir sind übereingekommen, uns in den nächsten Tagen zu treffen, um einen harmonischen, institutionellen und transparenten Übergang einzuleiten«, schrieb er auf Twitter. Auch der unterlegene Kandidat räumte seine Niederlage ein. »Die Mehrheit der Bürger, die heute abgestimmt haben, haben den anderen Kandidaten gewählt«, sagte Hernández in einer Videobotschaft. »Ich akzeptiere das Ergebnis.«
Petro will nach eigenen Worten das Land befrieden, die Ausbeutung von Rohstoffen bremsen, den Tourismus fördern und Unternehmen stärker besteuern. Das könnte auch Folgen für Deutschland haben, das aufgrund der Sanktionen gegen Russland wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine künftig mehr Kohle aus Kolumbien importieren will.
Kohleimporte aus Kolumbien in Deutschland sehr umstritten
Zuletzt telefonierte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit dem kolumbianischen Präsidenten Duque. Kolumbien prüfe die Möglichkeit, die Kohle-Exporte nach Deutschland zu erhöhen, um dessen Energiesicherheit zu stärken, hieß es danach in einer Mitteilung des Präsidialamts in Bogotá.
Allerdings sind Kohleimporte aus Kolumbien in Deutschland sehr umstritten - Kritiker sprechen von »blutiger Kohle«. Aktivisten beklagen beispielsweise Menschenrechtsverletzungen und Umweltvergehen rund um Kolumbiens größte Kohlemine El Cerrejón im Nordosten des Landes.
Die Herausforderungen für den künftigen Staatschef sind groß: Kolumbien ringt mit den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie, großer sozialer Ungerechtigkeit und Gewalt. Von der amtierenden konservativen Regierung wurde der Friedensvertrag mit den Farc-Rebellen nur halbherzig umgesetzt.
Gewalt vor allem in ländlichen Gebieten zurück
Kolumbien litt 52 Jahre lang unter einem blutigen Bürgerkrieg zwischen linken Rebellen, rechten Paramilitärs und staatlichen Sicherheitskräften. 220 000 Menschen kamen ums Leben, Millionen wurden vertrieben. 2016 schloss die Regierung einen Friedensvertrag mit der linken Farc-Guerilla, die Hoffnung auf ein Ende des bewaffneten Konflikts war groß. Doch die Gewalt ist vor allem in ländlichen Gebieten zurück.
An Petros Seite wird mit der designierten Vizepräsidentin Francia Márquez die erste afro-kolumbianische Frau mit an die Staatsspitze rücken. Die Menschenrechtsaktivistin und Umweltschützerin kämpfte in der von der Gewalt besonders betroffenen Region Cauca gegen illegale Goldsuche und wurde mehrmals bedroht. 2018 erhielt sie für ihren Einsatz den renommierten Goldman-Preis.
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