GÜTERSLOH. Soziale und ökologische Probleme in den Kommunen brennen einer Umfrage zufolge immer mehr Menschen besonders unter den Nägeln.
Einem heute von der Bertelsmann Stiftung vorgelegten Bericht zufolge, gaben in der repräsentativen Studie neun von zehn Befragten den Klimaschutz als besonders dringliche Aufgabe an, die vor Ort angegangen werden müsse - 13 Prozentpunkte mehr als noch im Jahr zuvor. Weitere häufig genannte lokale Herausforderungen waren die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum (84 Prozent), Müllreduzierung und Armutsbekämpfung (jeweils 83 Prozent).
Die repräsentative Umfrage, die im September 2018 telefonisch geführt wurde, legt einen besonderen Schwerpunkt auf die Wahrnehmung von Armut in der Kommune. Jeder Vierte hält Armut am eigenen Wohnort für ein »großes« oder sogar »sehr großes Problem« (27 Prozent). In Großstädten lag dieser Wert mit 52 Prozent fast doppelt so hoch. Großstädter gehen zudem deutlich häufiger davon aus, dass die Armut in den letzten zehn Jahren zugenommen hat: Mit 46 Prozent sagen dies deutlich mehr Bürger von Städten mit mehr als 100 000 Einwohnern als in kleineren Städten. Im Bundesdurchschnitt geht ein gutes Drittel von einer Steigerung der Armut im letzten Jahrzehnt aus.
Insgesamt fällt auf, dass die subjektive Wahrnehmung mitunter von messbaren Faktoren, wie der Entwicklung der Zahl der Sozialleistungsempfänger abweicht. So bewegt sich der Anteil der Empfänger von Grundsicherung oder Sozialhilfe seit Jahren mit rund 10 Prozent auf ähnlichem Niveau (Stand 2016: 10,1 Prozent). »Der subjektive Blick zeigt, dass die Bürger dennoch deutlichen Handlungsbedarf sehen. Von der Politik erwarten sie größere Anstrengungen beim Kampf gegen Armut in einem so reichen Land wie Deutschland«, sagte Henrik Riedel von der Bertelsmann Stiftung. In der Umfrage fanden zwei Drittel der Befragten, dass die Politik vor Ort mehr gegen Armut tun sollte.
Je mehr Einwohner eine Stadt hat, desto häufiger wird das Armutsproblem als dringlich eingestuft. Hier spiegelt die Wahrnehmung auch messbare Unterschiede wieder: Tatsächlich liege die Armutsquote in deutschen Großstädten über dem Durchschnitt, schreiben die Autoren der Bertelsmann Stiftung unter Verweis auf die aktuellsten Daten aus 2016: Erhielten in großen Städten 14 Prozent der Bevölkerung Sozialleistungen liegt die bundesweite Quote bei 10 Prozent.
In knapp der Hälfte der bundesdeutschen Großstädte hat sie zugenommen, darunter alle 13 Ruhrgebietskommunen. Dort mache sich der Strukturwandel bemerkbar. In den elf ostdeutschen Großstädten dagegen ging die Armutsquote in den vergangenen Jahren zurück in Richtung West-Niveau. Insgesamt schwanken die Werte sehr stark von Stadt zu Stadt von fünf Prozent in Heidelberg oder Fürth bis 26 Prozent in Gelsenkirchen. (dpa)