Madrid (dpa) - Nach einem komplizierten Verhandlungsmarathon ist der zweiwöchige Weltklimagipfel in Madrid ohne nennenswerte Fortschritte im Kampf gegen die Erderwärmung zu Ende gegangen.
Das Plenum einigte sich zwar darauf, alle knapp 200 Staaten an ihre Zusage zu erinnern, 2020 ihre Klimaschutzziele für 2030 nach Möglichkeit zu verschärfen. Die wichtige Debatte zu Regeln für den Handel mit Klimaschutz-Gutschriften wurde aber auf das nächste Jahr vertagt.
Umweltverbände und Klimaaktivisten reagierten tief enttäuscht und teils wütend auf die Beschlüsse. Auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) äußerte sich unzufrieden. »Das waren harte Verhandlungen in Madrid. Leider werden die Ergebnisse den dringend nötigen Fortschritten beim Klimaschutz nicht gerecht«, erklärte sie.
Schulze war wie viele Regierungsvertreter am Schlusstag der Klimakonferenz bereits abgereist. »In Madrid hat sich erneut gezeigt: Es braucht viel Kraft, die Staaten der Welt zusammenzuhalten«, sagte sie. Die Bremser dürften nicht den Takt vorgeben.
Beobachter hatten in den vergangenen Tagen immer wieder gemahnt, einige Staaten, allen voran Brasilien, Australien, Saudi-Arabien und die USA, hätten Entscheidungen immer wieder blockiert. Auch UN-Generalsekretär António Guterres hatte auf mehr Einheit und konkretere Ergebnisse gehofft. Die internationale Gemeinschaft habe eine wichtige Gelegenheit verstreichen lassen, schrieb er auf Twitter. »Aber wir dürfen nicht aufgeben. Und ich werde nicht aufgeben.« Klimaaktivisten aus aller Welt, darunter Greta Thunberg, kündigten ebenfalls an, ihren Kampf unermüdlich fortzusetzen.
Zuvor war das Abschlussplenum immer wieder verschoben worden. Eigentlich sollte die UN-Konferenz schon am Freitagabend vorbei sein. Noch nie zuvor hatte ein Weltklimagipfel so lange überzogen: Erst 40 Stunden nach dem geplanten Ende besiegelte die Konferenzpräsidentin und chilenische Umweltministerin Carolina Schmidt die Einigung auf die Abschlusserklärung mit einem Hammerschlag.
Das Treffen scheiterte dennoch mit seinem zentralen Vorhaben, den globalen Handel mit Klimaschutz-Gutschriften zu regeln. Nun wird eine Einigung im kommenden Jahr in Glasgow angestrebt.
Die Idee: Wenn ein Land seine Ziele beim Einsparen klimaschädlicher Treibhausgase übererfüllt, soll es Gutschriften verkaufen können. Es gab aber bis zuletzt heftigen Streit, wie genau angerechnet werden soll - auch, damit nicht doppelt gezählt wird. Die Position vieler Staaten - darunter Deutschland - war, lieber keinen Kompromiss zu akzeptieren als einen schlechten.
Luisa Neubauer, führende Aktivistin der Klimabewegung Fridays For Future, erklärte, die Regierungen seien damit gescheitert, ihre Ambitionen der Krisenrealität anzupassen. »Die COP25 lässt uns nach einem Jahr mit beispiellosen Klimaprotesten ohne signifikanten Fortschritt zurück.«
Die Hilfsorganisation Brot für die Welt machte insbesondere den Industriestaaten schwere Vorwürfe. »Es ist extrem verantwortungslos, egoistisch und kurzsichtig, dass sie Finanzzusagen gegenüber den ärmsten Staaten für die Bewältigung von Klimaschäden verwehren«, bilanzierte die Organisation. Sven Harmeling von der Organisation Care fragte: »Wie laut muss noch demonstriert werden, wie viele Warnungen muss die Wissenschaft noch aussprechen, wie viele junge Leute müssen ihre ganz reale Zukunftsangst noch äußern, damit die großen Wirtschaftsmächte sich endlich nicht mehr taub stellen?«
Die internationale Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan erklärte zornig: »Die Regierungen müssen sich komplett neu aufstellen, denn das Ergebnis der COP25 ist völlig inakzeptabel.« Und der WWF Deutschland bezeichnete den Konferenzausgang als »gruseligen Fehlstart in das für die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens so entscheidende Jahr 2020«.
Ziel des vor vier Jahren geschlossenen Pariser Paktes ist, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Dafür muss der Ausstoß von Treibhausgasen vor allem aus der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas in den kommenden Jahren drastisch sinken; bisher steigt er aber weiter.
Gipfelpräsidentin Schmidt lobte immerhin, dass sich inzwischen 120 Staaten zum Ziel der Klimaneutralität bis 2050 bekannt hätten. Die Zahl der Staaten in der sogenannten Climate Ambition Alliance habe sich damit verdoppelt. Wie ein Lichtstrahl in tiefer Dunkelheit war zuvor bereits der »Green Deal« aus Brüssel zur Kenntnis genommen worden, mit dem die Europäische Union Anlauf nimmt, bis 2050 der erste »klimaneutrale« Kontinent der Erde zu werden.
Dennoch, die derzeitige Entwicklung ist düster: Schon jetzt hat sich die Erde nach Befunden des Weltklimarats um rund ein Grad aufgeheizt. Und die vergangenen vier Jahre waren die wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Zu den Folgen zählen mehr extreme Wetterereignisse, also je nach Region mehr Hitzewellen, Dürren und Waldbrände, aber auch Hurrikans, Überflutungen und Starkregen.
Geht es so weiter wie bisher, läge der Temperaturanstieg Ende des Jahrhunderts bei 3,4 bis 3,9 Grad. Angestrebt werden aber maximal 1,5 Grad, um die gefährlichsten Kipppunkte im Ökosystem zu meiden. Wissenschaftler hatten bei der Konferenz eindringlich erläutert, dass nicht abzuschätzen sei, welche Folgen eine Temperaturerhöhung auf über 1,5 Grad für den Planeten und seine Bewohner haben könnte.
Der Umgang mit Schäden und Verlusten gerade in ärmeren Ländern durch die Folgen des Klimawandels bleibt somit ebenfalls ein Dauerthema. Aus Sicht vieler kam das Thema in Madrid zu kurz. Zahlreiche besonders betroffene Staaten, darunter die afrikanische Gruppe, zeigten sich zum Gipfel-Abschluss unzufrieden.
Das Thema wird 2020 sicher wieder auf der Agenda stehen. Vorgesehen ist zudem schon länger, dass 2020 die Staaten ihre nationalen Pläne für den Klimaschutz nachbessern - das sollte der Gipfel in Madrid vorbereiten. Nun werden die Staaten an diese Zusage erinnert. Der nächste UN-Klimagipfel findet im nächsten Herbst in Glasgow statt.